Christopher George, Tippi Hedren, Dean Jagger, Charo, Lloyd Bochner
Juarez, Mexiko: In dem im ersten Stock einer Bar gelegenen Gästenzimmer entkleidet sich die hübsche Candita (Olga Velez) für den kürzlich aus dem Vietnamkrieg heimgekehrten Steve Michaelis (Christopher George), der stets in Uniform sich einen Whiskey einschenkt und der nun nackten Frau im Bett schon mal zuprostet. Indessen sitzen im Schankraum unten die Ganoven Mendoza (Fernando Pereira) und Garcia (Ray Martel) ihrerseits beim Whiskey und schicken zwei Handlanger nach oben. Just als sich Steve Michaelis den Freuden des Nachmittags widmen will, treten sie die Tür ein und eine Schlägerei beginnt. Unter den erschrockenen Rufen Canditas gelingt es Steve die Eindringlinge bis in die Bar hinab zu treiben, wo ihm Garcia hinterrücks eine Flasche über den Kopf zieht und er bewusstlos zusdammenbricht. Indessen die nur in ein Badetuch gehüllte Candita sich über den Bewusstlosen beugt, schießt Mendoza von der Szene schnell ein Foto… In einem metallicblauen 1967er Plymouth Satellite Convertible fährt Steve Michaelis unter einem azurblauen Himmel durch die weithin sich erstreckende Prärie und die Wälder New Mexicos. Er ist auf dem Weg in sein Heimatdorf, in die auf fast 2000 Metern Höhe gelegene Ortschaft Ruisodo Downs im Lincoln County. Zielstrebig biegt er zur Pferderennbahn ab, der ungewöhnlichsten Attraktion der Region und Anziehungspunkt für Touristen. Einer der Inhaber ist Steves älterer Bruder Frank (Dennis Patrick), mit dem sich der Kriegsheimkehrer endlich einmal auszusöhnen hofft….
“Tiger By The Tail (…) follows the formula of old film noir crime thrillers and that isn't a bad thing”, schreibt Lee Pfeiffer für das Film-Magazin Cinema Retro und liegt nach meiner Einschätzung damit richtig. Ein Veteran des Vietnamkriegs kehrt in seine Heimat zurück und wird von Kriminellen für den Mord am eigenen Bruder als Hauptverdächtiger gebrandmarkt. Als man ihm die Tatwaffe unterjubeln will, bemerkt er es gerade noch rechtzeitig, und immerhin hat er mit der waffenkundigen Sarah Harvey (Glenda Farell), die Steve seit Kindertagen kennt, eine aufrichtige Helferin. Zugleich ist Rita Armstrong (Tippi Hedren), seine einstige Liebe, mit der sein Bruder inzwischen angebandelt hatte, noch vor Ort. Sie ist selbst wohlhabend und eine der Eigentümerinnen der Pferderennbahn. Versichert sie dem Rückkehrer einerseits, dass sie ihn wie eh und je liebe und alles dafür gäbe seiner habhaft zu werden, macht ihre Teilhaberschaft sie für Steve, der bald selbst Ermittlungen aufnimmt, zur Mitverdächtigen an Frank Michaelis‘ Ermordung während eines Raubüberfalls, bei dem eine Million US-Dollar erbeutet wurden. Doch ist sie die Femme fatale, als welche er sie sieht…? Ebenfalls im klassischen Film Noir verwurzelt, ist das Ensemble von R.G. Springsteens (Double Jeopardy, USA 1955) letztem Spielfilm, der seit 1945 meist für Western und TV-Produktionen fast einhundert Male auf dem Regiestuhl Platz genommen hatte: Dean Jagger (When Strangers Marry / Betrayed, USA 1944), Glenda Farrell (Ich bin ein entflohener Kettensträfling, USA 1932), Alan Hale jr. (Heißes Pflaster, USA 1954), John Dehner (Destination Murder, USA 1950), Skip Homeier (Narbengesicht, USA 1954) und Dennis Patrick (Guilty Bystander, USA 1950) bilden ein Sammelsurium gestandener Akteure aus der zweiten Reihe der Schwarzen Serie Hollywoods. Das Drehbuch von Charles A. Wallace ist ein überbordendes Stück Camp Culture, wie es nur in den Sechzigern möglich war - völlig absurd und eigentümlich unterhaltsam. Vor der Landschaft New Mexicos und mit dem Interieur der Popkultur wird Tiger By The Tail zur flott inszenierten, bonbonfarbenen Zeitreise.
“Offer one man a lecture on morality. Offer another man a hundred dollar bill. Which man appreciates you most, hm?” In einer für den Zeitgeist tyischen Weise eröffnet das Drehbuch im Hinblick auf die Eigentümer einer Pferderennbahn eine kritische Haltung zum nackten und von ethischen Prinzipien befreiten Kapitalismus in den USA. Alles dreht sich ums Geld und für einige Akteure einzig und allein darum. Die Wahl der Mittel, um sich gegenüber anderen einen Vorteil zu verschaffen, sei dieser Freund oder Feind, scheint grenzenlos. Jeder ist sich selbst der nächste. In dem Kontext sind einige der Wendungen allemal clever. Schwachpunkte waren für mich die Beteiligung einer spanischen Darstellerin mit dem Künstlernamen Charo, die in knapper Beleidung als (eher talentlose) Sängerin und Tänzerin eines Nachtclubs agiert. Ihre Rolle ergibt darüberhinaus keinen Sinn. Auch Tippi Hedrens (Die Vögel, USA 1963) Lebedame Rita Armstrong bleibt marginal und blass. Erst nach 30 Minuten tritt sie das erste Mal überhaupt in Erscheinung, und am Ende trägt sie zur Lösung des Kriminalfalls fast nichts bei. Denken und Handeln sind Steve Michaelis vorbehalten: hier folgt der Film Schema F. Von der unabhängigen United Pictures Corp. im Jahr 1968 gedreht, kam er im Januar 1970 in den USA ins Kino und fand in Europa nur vereinzelt einen Verleih, bevor er im Orkus der Filmgeschichte sang- und klanglos verschwand. Als Kuriosum seiner Zeit ist Tiger By The Tail unterhaltsam und für Freunde des Kinoschaffens solcher Ära trotz genannter Einschräkungen reizvoll. Randnotiz: In Italien kam das Werk als La grande rapina di Long Island ins Kino. Doch weder kommt Long Island, New York, noch sonst eine Insel im Film vor, ebensowenig der auf dem Poster gezeigte Überfall auf einen Geldtransport.
In den USA gibt es den Film via Kino Lorber in deren Reihe KL Studio Classics in einer rundum restaurierten Fassung als Blu-ray disc und als DVD (2018), ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch allemal gut, obgleich nicht brillant, das Ganze ohne Untertitel und mit einem Audiokommentar der Filmhistoriker Nathaniel Thompson und Howard S. Berger.