Albert Dupontel, Alice Taglioni, Stéphane Debac, Sergi López, Natacha Régnier
© Atlas Film und Medien GmbH
Franck Adrien (Albert Dupontel) und seine Ehefrau Anna (Caterina Murina), die Eltern der fünfjährigen Amélie (Jaïa Caltagirone), schlafen miteinander. Ihr Doppelbett steht im eigens dafür hergerichteten Besucherraum eines Gefängnisses. Denn Franck Adrien sitzt für einen Banküberfall, bei dem er und sein Komplize Novick (Olivier Schneider) zwei Millionen Euro erbeuteten, eine Haftstrafe ab. Der sadistische Wärter Brice (Yves Verhoeven) bereitet ihrem Miteinander ein Ende und fragt, ob sie ihn beim nächsten Mal nicht mit dabeihaben wollten. Aber Franck hat nur noch drei Monate vor sich, dann ist seine Haft beendet. Brice ist im Gefängnis nicht der einzige, der es auf ihn abgesehen hat. Nicht einmal Novick weiß, wo Franck die Beute ihres Überfalls versteckt hält. Als die beiden sich beim Freigang auf dem Hof über den Weg laufen, wird Novick, der sich mit chemischen Drogen bei Laune hält, gegenüber dem ex-Kumpanen zum wiederholten Mal aggressiv. Doch Franck Adrien traut niemandem, und er weiß warum, sonst säße er nicht hier. Seine Zelle teilt er sich mit Jean Louis Maurel (Stéphane Debac), der wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen einsitzt. Würde jener auf den Hof gehen, riskierte er von anderen Häftlingen verprügelt zu werden, deswegen bleibt er, als Brice die beiden eines Tages zum Freigang abholt, lieber in der Zelle. Doch der Wärter ist selbst geschäftstüchtig. Mit der Aussicht darauf Franck zu einem Gewaltakt zu provozieren, hat er es auch auf Maurel abgesehen, der seine Unschuld beteuert…
“It’s essentially a neo-noir about a wrong man on the run from the police to clear his name, overstuffed with incidents and asides from seemingly every subgenre under the crime-film umbrella”, schreibt Chuck Bowen für das Slant Magazine und trifft die Sache damit in ihrem Kern. Natürlich ist Franck Adrien nicht deshalb der falsche Mann, weil er unschuldig im Gefängnis sitzt, sondern weil er in einem Augenblick der Unachtsamkeit eine falsche Entscheidung trifft und damit seine Familie in höchste Gefahr bringt. So muss er, nachdem er dank Brice eine Haftverlängerung erhielt, aus dem Gefängnis fliehen, um seine Tochter Amélie zu retten und auch die Beute, die ihm und seiner Familie ein sorgenfreies Leben… hätte ermöglichen sollen. Stattdessen aber gelingt es seinem Widersacher, Franck Adrien zum Hauptverdächtigen in einer Serie von Sexualmorden an minderjährigen Mädchen zu machen, indem er mit großem Geschick für die Polizei falsche Spuren legt. So hetzt Kommissarin Claire Linné (Alice Taglioni) den flüchtigen Sträfling Franck Adriene, der ihr eingangs als ein Routinefall auferlegt wurde, quer durch Frankreich. Indessen ist Adriene selbst auf der Spur des Kinderschänders und Kidnappers seiner Tochter Amélie… Das Entree in die Filmgeschichte, jener im Gefängnis angesiedelte Teil, weist eine Parallele zu Hugo Fregoneses Film Noir Dämon Geld (ARG 1949). Auch in dem argentinischen Klassiker wartet ein Häftling (Jorge Salcedo) aufs Ende seiner Haft, um im Anschluss mit der versteckten Beute eines Raubs einem entspannten Dasein zu frönen. Auch dort sind es seine Mithäftlinge, die es auf ihn und das Geld abgesehen haben. In Eric Valettes Thriller dauert es nicht lange und Franck Adrien ist auf der Flucht – so allein, wie ein Mensch nur allein sein kann. Überall lauern Gefahren und erwarten ihn Feinde und Widersacher. Ausnahme ist allein der suspendierte Polizist Manuel Carrega (Sergi Lópezz), der ebenso wie Franck Adrien die Identität des Monsters kennt, das der Flüchtling zur Strecke bringen muss. Letzteres wandelt den Film in seinem letzten Drittel zunehmend zum Actionthriller, was wiederum seine Glaubwürdigkeit beschädigt.
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Frankreich hat (sogar) noch mehr zu bieten als Literaturgeschichte, Atlantikstrände, eine legendäre Hauptstadt und grandiose Comic Strips. Frankreichs Filmklassik und auch seine Thriller des 21. Jahrhunderts beweisen mitunter große Klasse. Eric Valettes La proie zaubert seine Rollencharaktere ein wenig aus dem Hut eines uns längst bekannten Magiers: wir kennen seine Typologie der Figuren. Der Gangster mit dem edlem Gemüt ist ein Lone Wolf, die kluge Polizistin wittert schließlich den Betrug, der sanfte und sorgsam bürgerlich erscheinende Brillenträger ist ein Serienmörder, etc. pp. Die Action wirkt nicht erst im letzten Drittel dermaßen übertrieben, dass ein normal Sterblicher, der Franck Adrien natürlich nicht ist, zigfach gestorben wäre. Letzteres nimmt mehr und mehr zu. Seine physische Überlegenheit à la Jason Statham & Co. erscheint absurd, so dass der Film seine vier Sterne nicht wirklich verdient. Aber… ich konnte mich Valettes extrem unterhaltsamer, spannungsreicher und stringenter Inszenierung nicht entziehen. La proie gehört zu den wenigen Neo Noirs, die mich alten Cineasten über die komplette Laufzeit auf der Stuhlkante hielten. Insofern kann ich ihn an dieser Stelle auch empfehlen.
La proie lief in Deutschland nie im Kino, was ich kaum nachvollziehen kann, und sein Titel wurde im Gegensatz zu anderen Ländern nicht wörtlich übersetzt. Zugegebenermaßen klänge Die Beute nicht gerade aufregend, aber sein Fernsehtitel Traue niemandem ist es auch nicht. Als On The Run, ebenso eine deutsche Kreation, gibt es eine jeweils sehr gute deutsche BD- und auch DVD-Edition (2012) der atlas film & medien GmbH, bildtechnisch topp und ungekürzt im Originalformat mit der original französischen Tonspur und einer deutschen Synchronisation, dazu optional deutsche Untertitel und inklusive eines Interviews mit Eric Valette, des französischen Kinotrailers und des deutschen DVD-Trailers als Extras.