Kôji Tsuruta, Akira Takarada, Yumi Shirakawa, Keiko Yanagawa, Mitsuko Kusabue
Tokio, Japan: Ein Man namens Nishiwaki (Shin Ôtomo) arbeitet spät am Abend noch allein in seinem Büro, als die Tür aufgestoßen wird und der Auftragsmörder Goro (Makoto Sasô) auf der Schwelle erscheint. Noch bevor Nishiwaki auf seine Frage, wer er denn sei, von Goro eine Antwort erhält, wird er durch fünf Kugeln aus dessen Revolver getötet. Auf der menschenleeren Straße hört Kellnerin Kana (Yuriko Hoshi) die todbringenden Schüsse und versteckt sich. Goro rennt die Treppe hinab und springt in den Fond eines bereitstehenden Fluchtwagens. Als ein Lkw mit aufgeblendeten Scheinwerfern vorüberrast, kann Kana hinterm Steuer des Wagens das Gesicht Mineo Komatsus (Akira Takarada) sehen, bevor jener samt Goro in der Dunkelheit davonrast… Die Yokomitsu Trading Company ist eine Fassade für den Mobster Yokomitsu (Seizaburô Kawazu), hochrangiges Mitglied der Yakuza. Heute bringt ein Lieferant ein Tablett mit Instant-Nudeln, und einer der Gangster im Büro singt im Falsett einen Spottgesang darüber. Der von Yokomitsu geschmierte Amagishi (Ikjio Sawamura) ist vor Ort und möchte eine Rechnung beglichen sehen, aber ein weiterer Handlager (Yutaka Nakayama) amüsiert sich und fragt, ob er es nicht bereits aufgab, die Schuld eintreiben zu wollen, indessen er Dart-Pfeile in die Tafel zu Seiten des Kopfes seines singenden Kollegen schleudert. Amagishi fragt ihn, wo denn ihr Chef Ryuta Komatsu (Kôji Tsuruta) sei, doch jener hat sich den heutigen Tag frei genommen, um seinen Sohn Shinichi zu besuchen…
“The plot could have been lifted from any 40’s noir being produced at Warner Bros. or MGM and although I usually love this type of pedigree everybody involved in this picture seemed to be on autopilot”, schreibt Rex Baylon für VCinema und liegt damit leider völlig richtig. Die Reihe mit dem Titel “Tales Of The Underworld”, zu der Kuihacho Okamotos The Big Boss gehört, war eine lose, inhaltlich nicht miteinander verknüpfte Serie von Spielfilmen des Filmstudios Tōhō Kabushiki-kaisha und stand in Konkurrenz zu den Gangsterfilmen und Film-Noir-Produktionen der Nikkatsu Corporation. Tōhō hatte sich in den 50er Jahren zur erfolgreichsten jpanischen Werkstätte für Kinoproduktionen gemausert und u.a. durch Akira Kurosawas Die sieben Samurai (JPN 1954) und durch Ishirō Hondas Godzilla (JPN 1954) weltweit Aufmerksamkeit erregt. Im Fall dieses vor Ort in Tokio in Farbe und im Breitwandformat inszenierten Kriminalfilms mit einem vom klassischen Film Noir beeinflussten Handlungsgefüge gibt es leider mehr als ein Problem. So habe ich selbst eine Vorliebe für komplexe Erzählungen à la Howard Hawks‘ Tote schlafen fest (USA 1946) nach einem Roman Raymond Chandlers oder Jacques Tourneurs Goldenes Gift (USA 1947) nach einer Vorlage von Daniel Mainwaring. Aber Monosada Nishikis und Shini‘chi Sekizawas Drehbuch für The Big Boss ist nicht komplex sondern überfrachtet und wirr. Der Gangster Ryuta Komatsu soll nach dem Willen von Yokomitsu seinen Bruder Mineo davon überzeugen, nicht länger in dem in Tokios Stadtteil Shinjuku gelegenen Nachtclub High Teen als Sänger aufzutreten. Mineo wurde bei Ermordung Nishiwakis von der in einem benachbarten Restaurant arbeitenden Kana als Fahrer des Fluchtwagens gesehen, so dass sie bei einem Wiedersehen Mineo erkennen und die Polizei auf die Spur des Syndikats bringen könnte. Mineo aber will seine Verbindungen zur Yakuza kappen und mit seiner Freundin Junko (Yumi Shirakawa) ein bürgerliches Leben führen. Damit stellt er sich gegen Yokomitsus Befehl, und vor allem Ryutas Widersacher Kutesaki (Haruo Tanaka) wittert eine Chance, sich der Brüder zu entledigen. Das klingt spannend, ist es am Ende aber nicht wirklich, denn an mehreren Schnittstellen überzeugt die Dramaturgie nicht.
Als die Kellnerin Kana den Sänger Mineo Komatsu tatsächlich auf der Bühne sieht, kann sie sich nicht erinnern, wo sie ihn zuvor bereits sah. Das wissen im Nu auch Yokomitsu und seine Spießgesellen, nur weil zufällig zwei seiner Schergen im High Teen anwesend waren. Ryutas Shinichi hat ein verkrüppeltes Bein, Mineos Freundin ist plötzlich schwanger – das Skript drückt auf die Tränendrüse, ohne die Rollencharaktere wirklich plastisch und lebendig werden zu lassen. Und noch das Schauspiel überzeugt nicht wirklich. Als Ryuta Komatsu sich in einer Szene aus lauter Verzweiflung betrinkt, wirkt das extrem übertrieben und verkrampft. So bleibt nur die historisch bemerkenwerte Darstellung von Pop-Kultur und US-amerikanischen Einflüssen im Tokio der späten 50er Jahre: die Yakuza raucht Marlboro, trinkt Johnnie Walker und fährt Chevrolet. Das hat seinen Witz und generiert einiges an Schauwert, hebt das Werk aber nicht übers Mittelmaß hinaus.
Es gibt via Tōhō eine japanische DVD-Edition (2008) mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch gut restauriert, dazu den original japanischen Originalton, womöglich aber keine englischen Untertitel. Letzteres war nicht zu eruieren, und ohnehin ist die Ausgabe in Deutschland oder Europa seit einiger Zeit vergriffen.