Nightmare Alley

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Nightmare Alley
Kategorie
Neo Noir
Land
USA/UK/CAN
Erscheinungsjahr
2021
Darsteller

Bradley Cooper, Cate Blanchett, Toni Collette, Willem Dafoe, Richard Jenkins

Regie
Guillermo del Toro
Farbe
Farbe
Laufzeit
150 min
Bildformat
Widescreen

 


 

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© Walt Disney Studios Home Entertainment

Stanton Carlisle (Bradley Coopper) schleift mit Anstrengung eine verschnürte Leiche über den Holzboden des elterlichen Hauses und zerrt sie in jenes Loch inmitten der Dielen, in das er zuvor selbst hinabstieg. Dann setzt er sich den Hut auf und wirft das Streichholz, mit dem er sich eine Zigarette anzündete, in jenen Abgrund, worauf das Haus im Nu lichterloh zu brennen beginnt. Carlisle klemmt sich ein Radio unter den Arm und nimmt eine Reisetasche zu Hand, tritt hinaus und geht ohne sich umzublicken den Grashügel hinab, darauf das einsam in Flammen stehende Farmhaus thront… Er fährt in einem Überlandbus durch die Landschaft in Farben des Herbstes und nickt ein, als plötzlich eine Stimme verkündet, dass sie die Endstation erreicht hätten. Es ist Abend, in der Ferne wird Gewittergrollen hörbar, und draußen auf der Straße folgt Carlisle aufs Geratewohl einem kleinwüchsigen Mann (Mark Povinelli), der schnurstracks auf das Gelände eines in der Kleinstadt gastierenden Jahrmarkts zuhält, dessen beleuchtetes Riesenrad in der Dunkelheit weithin sichtbar ist. Es sind viele Besucher unterwegs und stehen neugierig vor Freilichtbühnen und Zelten, die ihnen ungeahnte Attraktionen versprechen. Stanton Carlisle bobachtet, wie der kleine Herr sich mit Bruno (Ron Perlman) und Molly Cahill (Rooney Mara) bespricht, beide Angestellte des Jahrmarkts. Nun aber wird seine Aufmerksamkeit von Clem Hoatleys (Willem Dafoe) Ankündigung seines “Geeks“ abgezogen, halb Mensch und halb Biest, und er folgt der Menge ins Zelt…

 

“You're a maybe. And maybes... they're real bad for me.” Der mexikanische Drehbuchautor, Regisseur und Produzent Guillermo del Toro ist seit seinem Durchbruch mit dem Debüt Cronos (MEX 1993), also seit fast 30 Jahren in den Rubriken Fantasy, Horror, Science-Fiction und Comicverfilmung tätig. Sein internationaler Erfolg mit Pans Labyrinth (MEX/ESP 2006) brachte ihm sowohl eine Oscar-Nominierung für das beste Originaldrehbuch als auch eine solche für die Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes ein. Als 2019 erste Ankündigungen durchsickerten, dass Guillermo del Toro Edmund Gouldings legendären Film Noir Der Scharlatan (USA 1947) nach dem Roman Nightmare Alley (EA 1946, auf Deutsch 2019) von William Lindsay Gresham, seinerzeit mit Tyrone Power in der Rolle des Stanton Carlisle, neu verfilmen werde, schüttelten Freunde der Filmklassik besorgt die Köpfe. Allzu viele schlechte Remakes von Film-Noir-Klassikern gibt es schon seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Und wäre Guillermo del Toro überhaupt der Richtige für den Stoff? So ist erfreulich und erstaunlich zu vermelden, dass del Toros Nightmare Alley, der im Dezember 2021 als eine mit zahlreichen Hollywoodstars und als mit großem Aufwand inszenierte A-Produktion aus Hollywood weltweit in die Kinos kam, tatsächlich ein guter Film ist. Der erneut als Drehbuchautor und als Regisseur tätige Mann beweist Respekt und Sensibilität für seine Vorlage und nutzt sein Ensemble vor und hinter der Kamera perfekt. Insofern ist sein Neo Noir, was man in dem Feld nicht unbedingt erwartet, eine postive Überraschung.

 

“There are more than just a few obvious modifications between the 1947 iteration and del Toro’s 21st century interpretation, namely the deepening of the characters’ motivations and existential vicissitudes”, schreibt Carlos Aguilar für RogerEbert.com und schärft den Blick für die Handschrift seines Regisseurs, seiner Production Designerin Tamara Deverell und des Kameramans Dan Laustsen, der seit 1997 häufiger mit del Toro arbeitete. Sie verwandeln Greshams kleine, dreckige Kriminalgeschichte um einen Betrüger in opulentes und episches Kino mit einer Spielzeit von 150 Minuten und umgarnen uns mit bildgewaltigen Kompositionen unter den von vielen Nebenfiguren und Komparsen bevölkerten Gewitterwolken in den USA der späten 30er Jahre des 20. Jahrhunderts. Aber die bis ins Detail satte Ausstattung des Bühnenbilds und del Toros Lust am Bizarren mit einer wie im Comic überzeichneten Künstlichkeit droht die Geschichte, jene fiese Pulp-Story, zu überlagern. Nach 30 Jahren als Filmschaffender hat er dergestalt zu einer eigenen Bildsprache gefunden, dass sich jeder Stoff ihr zuordnen, im Zweifelsfall unterordnen mus. So wirkt Nightmare Alley dank seiner Schauspielleistungen – Willem Dafoe, Toni Colette und Catherine Blanchett sind z.B. grandios – und der überbordenden Fotografie einerseits unwiderstehlich, für einen Neo Noir teils einzigartig, andererseits im Mittelteil aber zu dick aufgetragen und zäh. Hier fühlt man sich wie der Gast eines fürstlichen Galadiners, der gesättigt ist und stets neue Köstlichkeiten vorgesetzt bekommt. Keine Sorge, das Finale entschädigt dafür, aber bis dahin, so kommt es gar dem Cineasten vor, ist es ein langer Weg. Am Ende habe ich dennoch keine Sekunde bereut, das Werk gesehen zu haben. Solches Resümee allein sollte Empfehlung genug sein. Auf jeden Fall sehenswert!

 

Es gibt via Walt Disney Studios Home Entertainment eine je exquisite Edition als Blu-ray und als DVD (2022) in einer bild- und tontechnisch geradezu perfekten Fassung, ungekürzt im Originalformat mit dem Originalton, der deutschen, italienischen oder polnischen Kinosynchronisation und mit optional deutschen, italienischen, polnischen oder englischen Untertiteln. Die Extras beinhalten drei Featurettes mit jeweils den Titeln Del Toros Neo-Noir, Setdesign at its best und Vom Scheitel bis zur Sohle perfekt, doch sind sie nur auf den BD-Editionen und nicht auf der DVD enthalten.

 


 

Neo Noir | 2021 | USA | Guillermo del Toro | Holt McCallany | Richard Jenkins | Ron Perlman | Willem Dafoe | Cate Blanchett | Rooney Mara

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