Scott Wolf, Tim Roth, Gabriel Byrne, Khandi Alexander, Talia Balsam
Philadelphia, Pennsylvania: Die Morgendämmerung färbt die Skyline der Stadt rötlich, als man im Krankenhaus Emmett Young (Scott Wolf), einem 28-jährigen Police Detective der Mordkommission, Blut abnimmt und es mit anderen Blutkonserven ins hauseigene Laboratorium transportiert. Young ist ein Patient Dr. Bradleys (Jan Austell), der die Untersuchung anordnete, und das Ergebnis fällt negativ aus, wie ihm Dr. Dan Kilbannon (Greg Wood) schonend beibringt, denn der Polizist leidet an einer unheilbaren Krankheit, die wahrscheinlich innerhalb weniger Wochen zu seinem Tod führen wird. Der Schock darüber wird durch die Trennung von seiner Freundin Sarah (Sarah Clarke) und den erst vor kurzem vollzogenen Wechsel an den neuen Arbeitsplatz, der ihm viel bedeutet, noch erschwert. Als Dr. Kilbannon ihn fragt, ob Young, dessen Eltern bereits verstarben, einen ihm nahestehenden Menschen habe, weiß er darauf keine Antwort… Zusammen mit Detective Middlestat (Khandi Alexander) arbeitet Emmett aktuell am Fall der in einem Park aufgefundenen Leiche der 17-jährigen Laurie Meyers (Danielle Mason), wobei bis dato unklar ist, ob er und seine Partnerin den Fall tatsächlich übernehmen werden. Während Young sein Leben ganz dem Beruf und dem Fahndungserfolg widmet, hat Middlestat eine pragmatische Auffassung von der Mörderjagd. Und tatsächlich gibt Captain Berman (John Doman) den Meyers-Fall an die Beamten Birch (Ira Hawkins) und Ricks (Benjamin John Parillo), was Young enorm enttäuscht…
“Neo-noir thriller long on style but short on originality, “Emmett’s Mark” exudes the wintry desolation of James Gray’s films minus the depth of character”, schrieb Jeff Foundas im Mai 2002 in Anbetracht der Premiere des Werks, das zu dem Zeitpunkt auf Filmfestivals gezeigt wurde, für Variety, doch hier muss ich vehement widersprechen. Nicht allzu oft, aber hin und wieder bin ich überrascht, welche Filme im Kanon des Neo Noirs von internationalen Filmkritikern (und mitunter vom Publikum) verrissen oder als mittelprächtig eingestuft werden. Nicht selten werden sie deshalb zu Flops, wie das z.B. für Paul Marcus‘ Break Up (CAN/USA 1998) mit Bridget Fonda, für Alan Whites Risk (AUS 2000) mit Claudia Karvan oder für Bruce Terris‘ Dirty Work / Bad City (USA 2006) mit Lance Reddick zutrifft. All diese Filme sind um Längen besser als ihr Ruf, und besonders verwirrend ist zu lesen, welche Produktionen im Gegenzug exzellente Kritiken und Filmpreise einheimsen. Emmett’s Mark war von April 2002 bis April 2003 in den USA und in Europa auf Filmfestivals zu sehen, fand am Ende keinen Verleih und endete international als eine der grafisch einfallslos präsentierten DVDs auf dem Home-Entertainment-Markt und dort in Kürze in dessen Ramschkisten. Wahrscheinlich von Beginn an zu düster, zu fatalistisch und nicht ansatzweise komödiantisch - so meine Einschätzung, warum der Kinostart seinerzeit ausblieb. Als Emmett Young die Nachricht von seinem nahen Ende hinterbracht wird, erhält er durch die Zufallsbekanntschaft mit dem ex-FBI-Agenten Jack Marlow (Gabriel Byrne) die Möglichkeit, seinem Leben vorzeitig ein Ende bereiten zu lassen und die Qualen durch die Krankheit zu verkürzen. Young zahlt Marlows Preis, letzterer beauftragt den Privatdetektiv John Harrett (Tim Roth) mit der Tötung des Polizeibeamten, und natürlich kommt alles anders, als es geplant war... Im Rückgriff auf Robert Siodmaks Der Mann, der seinen Mörder sucht (GER 1931) oder Aki Kaurismäkis I Hired A Contract Killer (FIN/UK/GER/SWE/FRA 1990) ist diese Wendung nicht extrem originell. Die Rollencharaktere aber sind, und hier der Widerspruch zu Jeff Foundas Einschätzung, fein gezeichnet und glaubwürdig.
“I always thought, that if ever I was in a situation like yours, I would get someone… you know, like a friend, someone to… to take care of it.” Gabriel Byrne ist womöglich der beste Darsteller im Trio der zentralen Rollencharaktere, aber Scott Wolf und Tim Roth sind ihm dicht auf den Fersen und liefern ebenso Leistungen jenseits eines gewöhnlichen Schauspiels. Ich bin kein ausgesprochener Freund von Roth, aber wie er seinem John Harrett aka Frank Dwyer zu guter Letzt subtile Noten jenseits der üblichen Gut-versus-Böse-Mechanik, die seine Aufgabe als Auftragskiller nahelegt, abzugewinnen vermag, ist beeindruckend. Auch Scott Wolf kann seine Figur in vielen Szenarien, die ihn im Beruf und privat darstellen, mit Leben erfüllen und die komplexen Emotionen, die ihn in Anbetracht einer sich stets wandelnden Situation heimsuchen, so spielen, dass sie nicht übertrieben oder gar kitschig erscheinen. Dramaturgie und Schnitt, Drehorte und Kameraarbeit tun ein Übriges, um diesen seit fast 20 Jahren ignorierten und vergessenen Neo Noir zu veredeln. Folglich empfehle ich ihn Film allen Connaisseuren von Film Noir und Neo Noir als jenen Geheimtipp, der er stets ist.
Unterm Titel Ohne jeden Ausweg gibt es eine gut editierte deutsche DVD-Ausgabe (2002) der mediacs AG mit dem Werk ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch erstklassig, dazu die original englische Tonspur und eine (nicht empfehlenswerte) deutsche Synchronisation, optional deutsche Untertitel, dazu ein Making Of, geschnittene Szenen, einen Audiokommentar von Regisseur Keith Snyder, den Kinotrailer und ein Featurette vom Fantasy-Filmfest 2002 als Extras.