voraces, Les

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Les voraces
Kategorie
Film Noir
Land
FRA/ITA
Erscheinungsjahr
1973
Darsteller

Helmut Berger, Françoise Fabian, Paul Meurisse, Massimo Girotti, Christian Barbier

Regie
Sergio Gobbi
Farbe
Farbe
Laufzeit
95 min
Bildformat
Widescreen

 


 

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Die französische Stadt Cannes an der Côte d’Azur: Der Croupier Kosta (Helmut Berger) und seine Freundin Judith (Florence Lafuma) nehmen in den Wellen des Mittelmeers ein Bad. Danach fährt Kosta sie auf seinem Motorrad nach Hause, denn er muss pünktlich im Spielkasino erscheinen. Zuerst hält er an einem Tabakladen und kauft zwei Päckchen Zigaretten und auch ein Feuerzeug. Als er im Kasino ankommt, ist er spät dran und zieht sich mit den Kollegen für den Abend eilig um: die für die Logistik hinter den Kulissen zuständige alte Dame (Denise Bailly) geht ihm zur Hand. Kosta ist Chef de partie beim Baccara, und als er den Tisch eröffnet, nimmt auch der in Begleitung von zwei jungen Damen erschienene, reiche italienische Industrielle Pietro Olmi (Massimo Girotti) dort seinen Platz ein. Seine Begleiterinnen gehen zum Roulette, und Olmi erklärt der neben ihm sitzenden Dame, dass er bei dem Croupier immerzu eine Glückssträhne habe. Tatsächlich scheint er mit der Annahme richtig zu liegen. Olmi gewinnt im Lauf des Abends die Summe von 70.000 Francs. Jedesmal wenn er von Kosta seine Plaques zugewiesen erhält, spendet er ein Trinkgeld an die Mitarbeiter des Hauses, für das sich der Croupier artig bedankt… Die Lichter sind gelöscht; Pietro Olmi ist der Gast im Haus. An der Rezeption tauscht er seine Plaques gegen Bargeld und lässt sich ein letztes Glas Champagner servieren. Von der Freitreppe des Kasinos schlendert er in Richtung des Parkplatzes durch die Sommernacht, indessen ihn Kosta beobachtet…

 

Unter dem Titel Die Gefräßigen, tatsächlich eine wörtliche Übersetzung, lief die französisch-italienische Co-Produktion 1975 einmalig im bundesdeutschen Fernsehen. Seither ist sie völlig in Vergessenheit geraten. Das überrascht mich ebenso wie die wenig schmeichelhaften Bewertungen, die Sergio Gobbis Les voraces in einigen Online-Foren erhält. Obwohl der Film einerseits den Standard des europäischen Kriminalfilms jener Zeit wiederspiegelt und kaum so etwas wie einen künstlerischen Anspruch markiert, zeichnet er sich sowohl durch das Quartett seiner Hauptdarsteller als auch durch eine tiefe Verwurzelung im Film Noir aus. Nur dass dieses Werk, welches das Leitthema der Klassiker Frau ohne Gewissen (USA 1944) und Im Netz der Leidenschaften / Die Rechnung ohne den Wirt (USA 1946), beide nach Romanen (EA 1934 und EA 1936) von James M. Cain, eigenwillig variiert, die Tabus der klassischen Ära abzuschütteln weiß. Das gilt nicht allein für die explizite Darstellung einer erotischen Liaison. Es gilt auch für den Verfall moralischer Werte, die seit jeher dem Streben der Antihelden des Film Noirs im Wege standen und letztere durch jenen einen Schritt vom Weg ab meist in schwere Krisen manövrierten. So ist es auch in Les voraces. Für den als Croupier von einem tiefen Sozialneid gebeutelten Kosta sieht in der Nacht, als Pietro Olmi, die Taschen voller Geld, allein das Kasino verlässt, alles so einfach aus. Weit und breit, denkt er, ist um 3 Uhr am Morgen kein Zeuge in Sicht. Dabei ist es ausgerechnet Olmis Frau Lara (Françoise Fabian), die beobachtet, wie Kosta ihren Gatten mit einer schweren Werkzeugzange niederschlägt und sich der 70.000 Francs bemächtigt, die er auf der Mittelinsel eines Kreisverkehrs in einem Blumenbeet vergräbt. Bald umzingeln ihn weitere Mitwisser, erweist sich doch Polizeiinspektor Martino (Paul Meurisse) hinter seiner Fassade als besonders unbarmherziger und ausgefuchster Zeitgenosse. Damit lässt Sergio Gobbis Film nach einem Drehbuch von ihm und Vahé Katcha die Katze aber längst nicht aus dem Sack.

 

Es ist letzten Endes die Scheinheiligkeit derer, die hinter ihrer eleganten Fassade oder hinterm Dienstausweis einzig und allein auf ihren Vorteil bedacht sind, die hier den Ausschlag gibt. Jene Mitglieder des wahrlich mörderischen Quartetts erkennen einander als Raubtiere in einer Zivilisation, deren Kanon der von Wertetraditionen wie mit einem edlen Vorhang bemäntelten Teilung in Gut und Böse, Recht und Unrecht längst brüchig und durchlässig ist. Der Materialismus und die Bigotterie, welche ihnen seit eh und je ersichtlich sind, bilden quasi ein dramatisches Konzept, das sie voreinander und miteinander ein Theaterstück aufführen lässt, bis es sie zu einem Ensemble der Ruchlosen werden lässt. Helmut Berger versteht sich auf solche Tonart des Spiels geradezu perfekt. Auch Françoise Fabian ist als Femme fatale hervorragend gewählt. Und Paul Meurisse und Massimo Girotti werfen ihre in je über 30 Jahren Film- und Theatererfahrung gewonnene Expertise in die Waagschale. Les voraces ist kein Meisterstück, leider nicht, allerdings um vieles besser, als es einen die meisten der Rezensionen zum Film glauben lassen. Für den Freund des französischen Neo Noirs und alle Cineasten mit Vorliebe für die 70er Jahre ist solches Werk allemal zu empfehlen.

 

Obwohl in Frankreich und in Italien die heimische Filmtradition gepflegt wird, gibt es meines Wissens bis heute (2021) weltweit keine BD- oder DVD-Edition des Werks, das online mit englischen Untertiteln als DVD-Raubkopie angeboten wird und zwar in Form einer technisch zumindest akzeptablen TV-Kopie im falschen Bildformat (4:3 Vollbild) und mit einer etwas verrauschten Tonspur.

 


 

Neo Noir | 1973 | France | Sergio Gobbi | Massimo Girotti | Paul Bisciglia | Paul Meurisse | Françoise Fabian

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