Weg ohne Umkehr

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Weg ohne Umkehr
Kategorie
Film Noir
Land
GER
Erscheinungsjahr
1953
Darsteller

Ivan Desny, Ruth Niehaus, René Deltgen, Karl John, Lila Kedrova

Regie
Victor Vicas
Farbe
s/w
Laufzeit
95 min
Bildformat
Vollbild

 


 

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Berlin im Mai 1945: Während in der Stadt die letzten Straßenkämpfe toben, fährt Michael Zorin (Ivan Desny), ein Hauptmann der Roten Armee, im Jeep zu einem Haus, darin er mit einigen Kameraden Quartier bezieht. Ein Soldat ruft von der Straße zum Fenster im ersten Stock empor, dass die Stabsstelle noch heute Abend Zorins Bericht erwarte, und so macht sich der Hauptmann in der Dämmerung bei Kerzenschein ans Schreiben. Als er vor der Tür ein Geräusch vernimmt, zückt er seine Pistole und eine Taschenlampe und sucht im Treppenhaus nach der Ursache dessen. Er stößt aus die 16-jährige Anna Brückner (Ruth Niehaus), die aus einem Keller eine Handvoll Kartoffeln entwedete und in einem Tuch nach Hause zu ihrer Mutter bringen will. Beim Anblick des Soldaten erstarrt das Mädchen vor Angst und fleht ihn an, die Lebensmittel behalten zu dürfen. Zorin bietet sich an, Anna nach Hause zu begleiten, denn stets ist in den Straßen Berlins Gewehrfeuer zu hören. Plötzlich müssen sie in Deckung gehen, weil ein Haus gesprengt wird. Doch Anna misstraut Zorins Drängen sich mit ihm in einen Graben zu legen, und direkt nach der Spengung fragt er sie, ob sie etwa Angst vor ihm habe und Anna nickt. Da wird der Hauptmann, der aus Mitgefühl handelte, unwirsch und schickt die junge Deutsche allein nach Hause… Kurz darauf fahren Michael Zorin und drei Soldaten im Tageslicht durch die besetzte Stadt und treffen auf den britischen Offizier Stuart McCullough (John Haggerty) in einem Jeep der US-Armee, dem das Benzin ausging…

 

„Glauben Sie mir! Zweimal im Leben feige sein… bloß wegen der Existenz, Fressen und Atmen, das ist ein bisschen viel.“ Der Kriegsheimkehrer und vom Weltkrieg und seinen Folgen Gezeichnete ist eine zentrale Figur im internationalen Film Noir der 40er und 50erJahre. Trotz seiner Wurzeln in literarischen Vorlagen und im Expressionismus und Gangsterfilm der 20er und 30er, wäre der Film Noir nicht, was er ist , hätte ihn die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs nicht so beschäftigt und geprägt. Vorrangig sind Traumatisierung und Amnesie, etwa in Wolfgang Staudtes Die Mörder sind unter uns (GER 1946) oder in Joseph L. Mankiewicz‘ Somewhere In The Night (USA 1947), zudem auch Kriegsverbrecher wie in Orson Welles‘ Die Spur des Fremden / Der Fremde (USA 1946) oder in Peter Lorres Der Verlorene (GER 1951). In Victor Vicas geht es um Opfer des Zweiten Weltkriegs, vor allem um den zwischen den Ideologien zerriebenen Menschen, der sich ins Korsett einer politischen Heilslehre nicht einfügen kann und deshalb unter Verdacht und mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Ingenieur Friedrich Schulz (Karl John), der mit seiner Frau (Erika Dannhof) und Sohn Helmut in der sowjetischen Besatzungszone Berlins lebt, seit kurzem Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), ist eine wertvolle Fachkraft und zugleich ein Mann, der sich für eine Ideologie, ob Nationalsozialismus oder Bolschewismus, nicht einspannen lässt. Wenn der Direktor seiner Fabrik namens Berger (Alf Marholm) in einer Rede vor Untergebenen rhetorisch völlig übersteuert, raunt Schulz einer Kollegin ins Ohr: „Gleich wird er Sieg heil! rufen.“ Das ist eine kluge und bittere Szene in einem Film, der selbstverständlich auch propagandistische Zwecke verfolgt. Weg ohne Umkehr wurde von der Occident Film Produktion GmbH in Köln und der Trans-Rhein-Film GmbH aus Wiesbaden produziert und ins Kino der Bundesrepublik Deutschland gebracht - in der DDR lief er gar nicht. Friedrich Schulz versucht schließlich in den Westteil der Stadt Berlin zu fliehen. Auch der in der Sowjetunion gebürtige und lebende Ingenieur Michael Zorin wendet sich aus Gewissensgründen und aus Liebe vom Kommunismus ab und macht sich des Landesverrats schuldig, so dass er mit der Deutschen Anna Brückner ebenfalls das Weite suchen muss.

 

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“For decades, the West German film of the 1950s has been something of a blind spot on the cinephiliac world map”, stellte man 2017 beim Österreichischen Filmmuseum der Stadt Wien fest, als dort eine vom Kurator Olaf Möller platzierte Auswahl an Filmwerken unter dem Titel BRD Noir firmierte. Es ist unbezweifelbar, dass das Kino der jungen Bundesrepublik nicht zu Unrecht in Verruf geraten war, fast ausschließlich Heimatfilme oder sonstige romantische Komödien und Liebesdramen fabriziert zu haben. Letztere trugen einem Bedürfnis des Publikums nach Eskapismus und leichter Muse Rechnung. Doch die jährliche Handvoll der Ausnahmen erschienen Möller und dem Filmmuseum in der Summe bemerkenswert. Dass deren Wiederentdeckung und Neubewertung trotz der Veröffentlichungen von bundesdeutschen Werken mit einer Nähe zur Tradition des Film Noirs via Arthaus / Studiocanal, Pidax film media Ltd. und Fernsehjuwelen GmbH am Ende über das Festival del film Locarno (2016) und das Österreichische Filmmuseum publik wurde, zeugt vom tiefen Misstrauen, welches die hiesige Kulturrezeption bis heute gegenüber dieser Dekade des Filmschaffens hegt. Weg ohne Umkehr ist ein Film, der Carol Reeds zeitgleich im kriegsversehrten Berlin gedrehtem Gefährlicher Urlaub (UK 1953) mit James Mason, Hildegard Knef und Claire Bloom benachbart, nach meiner Meinung jedoch besser ist. In der Bundesrepublik des Jahres 1953 floppte Victor Vicas‘ dunkles Drama allerdings, weil es vieles, was in solcher Zeit bevorzugt ausgeblendet wurde, schonungslos in den Fokus rückt.

 

Eine deutsche DVD-Edition (2012) der MIG Filmgroup bringt das Werk in einer Reihe mit dem Titel Kriegsfilm Klassiker, was für den Film definitiv kein Etikett ist, bild und tontechnisch mittelprächtig, weil leider in keiner Weise restauriert, dafür ungekürzt im Originalformat mit der original deutschen Tonspur ohne Untertitel und ohne Extras.

 


Film Noir | 1953 | International | Victor Vicas | Klaus von Rautenfeld | Alf Marholm | Ivan Desny | Karl John | Wolfgang Neuss

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