Nacht über Paris

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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
Rafles sur la ville
Kategorie
Film Noir
Land
FRA
Erscheinungsjahr
1958
Darsteller

Charles Vanel, Michel Piccoli, Bella Darvi, Danik Pattison, François Guérin

Regie
Pierre Chenal
Farbe
s/w
Laufzeit
82 min
Bildformat
Vollbild

 


 

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© Verlag für Filmschriften Christian Unucka

Am Abend in einem Hospital in Paris: Eine Krankenschwester (Marie Grant) bringt dem verwundeten Gangster Léonce Pozzi (Charles Vanel), genannt "Le Fondu", ein Tablett mit einer Medizin ans Bett. Er fühle sich schwach, lässt er wissen, dann trinkt er und die Krankenschwester geht aus dem Zimmer. Kaum ist sie fort, verlässt "Le Fondu" das Bett, zieht sich an und öffnet die Tür. Ein Gendarm (Alfred Goulin) mit Maschinenpistole, der auf dem Korridor sitzend den Verwundeten bewacht, will sich soeben eine Zigarette anzünden, als er auf die offene Tür aufmerksam wird und ins Krankenzimmer tritt. Mit einem Stuhl schlägt ihn der Gangster hinterrücks nieder, greift sich die Maschinenpistole, die er in seinen Mantel hüllt und schleicht sich hinaus. Aber die Polizei wird auf den Fluchtversuch aufmerksam und nimmt die Verfolgung des Gangsters auf, der seinerseits über das Dach des Krankenhauses zu fliehen versucht. Seine Wunde macht ihm zu schaffen, und als er einen Schornstein hinunterklettert, bleibt er entkräftet auf auf dem Dach des Nachbarhauses liegen. Inspektor Lebouvier (Alain Reynaud) ist "Le Fondu" auf den Fersen und sieht den Mann am Boden, der ihn darum bittet nicht zu schießen. Lebouvier klettert auch am Schornstein hinab, indessen Léonce Pozzi sich die Maschinenpistole greift und den Beamten erschießt. Als Inspektor Paul Vardier bei dem tödlich Getroffenen eintrifft, ist es bereits zu spät. Von "Le Fondu" ist längst nichts mehr zu sehen und Lebouvier erliegt in Vardiers Armen seinen Verletzungen…

 

Wunderbare Kameraarbeit, teils hochkarätige Schauspieler und großartige Schauplätze inmitten der Metropole Paris und dazu ein knackiger Auftakt versprechen bei dieser Verfilmung des Romans Rafles sur la ville (EA 1955) von Auguste Le Breton, dessen Erstling Du rififi chez les hommes (EA 1953) in der Verfilmung durch Jules Dassin als Rififi (FRA 1955) drei Jahre zuvor in einen Welterfolg mündete, einen Klassiker des Film Noirs. So sollte man meinen, zumal mit Pierre Chenal ein Regisseur hinter der Kamera agiert, der seinerzeit mit Le dernier tournant (FRA 1939) die erste Verfilmung von James M. Cains Die Rechnung ohne den Wirt (EA 1934) und mit Native Son (ARG/USA 1952) die für seine Zeit enorm couragierte Verfilmung eines Romans aus der Feder eines farbigen US-Autors vorlegte, nämlich Richard Wrights, der in Chenals Adaption selbst die Hauptrolle übernahm. Aber Nacht über Paris versackt in Klischees eines x-beliebigen Kriminalfilms, ohne dass dies notwendigerweise hätte sein müssen. Der auf der Flucht vor der Polizei befindliche und zugleich romantisch gebundene Kriminelle ist ein beliebtes Motiv des französischen Film Noirs: Pépé le Moko – Im Dunkel von Algiers (FRA 1937), Zur roten Laterne (FRA 1946) oder Unterwelt von Paris / Sie war ihm hörig (FRA 1950) sind nur einige Vorläufer von Chenals Werk, die letzterem allerdings überlegen sind. Der Hauptgrund hierfür ist das langsame Voranschreiten im Mittelteil, die zähe und unglaubwürdige Romanze zwischen Inspektor Paul Vardier und Lucie Barot (Danik Pattison), der Ehefrau seines neuen Kollegen Gilbert Barot (François Guérin), der seinerseits eine blasse und irrelevante Figur bleibt. Es ist letzten Endes das zentrale Manko: Allein Charles Vanel als Gangster “Le Fondu“ und Jean Brochard als erfahrener Commissaire Brevet erweisen sich als Figuren von Format, indessen weitere wichtige Charaktere wie Marionetten wirken. Dies gilt auch für den späteren Weltstar Michel Piccoli, der seine Ausgestaltung des skrupellosen Paul Vardiers übertreibt und dessen Over-Acting für mich zum Störfaktor wurde.

 

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Aber auch in der Erzählung selbst und in der Inszenierung ist längst nicht alles stimmig: Ein Polizist hält einem Zeugen, der soeben von der Flucht “Le Fondus“ berichtet, die geladene Pistole vor die Brust. Bei der Verhaftung des Gangsters gelingt es letzterem, noch in Handschellen eine in seinem Mantel verborgene Eierhandgranate ins Polizeipräsidium zu schmuggeln, was geradezu lächerlich ist, da er demzufolge nie nach einer Waffe durchsucht worden wäre. So deklassiert sich dieser eingangs vielversprechende Film Noir zusehends selbst und entlockt einem nach dem mäßig spannenden Finale eher ein Gähnen, zumal auch das Schauspiel Bella Darvis in der Rolle der um 36 Jahre jüngeren Freundin jenes Gangsters Léonce Pozzi alias "Le Fondu" nicht unbedingt einen Höhepunkt dieses Films darstellt... Fazit: Ein atmosphärisch dichter und wunderbar fotografierter französischer Film Noir, der einzig und allein wegen des fantastischen Charles Vanels und seines Gegenspielers Jean Brochard sehenswert ist und in allen übrigen Belangen nahezu irrelevant bleibt. Schade!

 

Es gibt eine französische DVD-Edition (2011) der LCJ éditions et productions in deren Reihe Les films du collectionneur mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild und tontechnisch exzellent restauriert, dazu den französischen Originalton, das Ganze ohne Untertitel und ohne Extras.

 


Film Noir | 1958 | France | Pierre Chenal | Auguste Le Breton | Albert Rémy | Charles Vanel | Michel Piccoli | Paul Demange

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