Tetsurô Tanba, Gô Katô, Kensaku Morita, Yôko Shimada, Karin Yamaguchi
In der Kleinstadt Kameda im Bezirk Tohoku, in Japans Nordosten, befinden sich die aus Tokio stammenden Polizeibeamten Detective Eitaro Imanishi (Tetsurô Tanba) und Detective Hiroshi Yoshimura (Kensaku Morita) auf der Spur eines Mörders. Nach ihrer Ankunft in der ländlichen Region und einem Frühstück gegenüber vom Bahnhof begeben sie sich zu Fuß auf den Weg zum Polizeirevier. Hier erkundigt sich der leitende Beamte (Hatsuo Yamaya) bei seinen Besuchern, wie es zur Aufnahme von Ermittlungen in seinem Ort komme… Einige Tage zuvor hatte man entlang der Bahngleise in Tokios südlichem Stadtteil Kamata die Leiche eines etwa 60jährigen Unbekannten (Ken Ogata) gefunden. Er war mit einem Stein erschlagen worden, doch hatte der Mörder versucht, den Mord als Zugunfall zu tarnen. Dank einer Kellnerin (Mitsuyo Inomata) fand die Polizei heraus, dass der Mann zuvor in der nahegelegenen Bar Ron zu Gast gewesen war und mit einem jüngeren Mann gesprochen habe. Aufgefallen war der Frau, dass der Ältere mit einem Akzent der Region Tohoku gesprochen habe und dass während der Konversation der Name „Kameda“ gefallen sei. Hatte die Polizei erst vermutet, dass es sich um einen Nachnamen handele, war man kurze Zeit später auf die Ortschaft gleichen Namens verfallen. Aber hier haben der erfahrene Imanishi und der jüngere Yoshimura schon bald das Gefühl festzustecken…
Zwei Aspekte stechen aus dem besonders in seiner zweiten Hälfte epischen Filmwerk heraus. Zum ersten ist es die Akribie der polizeilichen Ermittlungen, die in kleinen Schritten auf die Spur des Mörders und der Geschichte aller daran Beteiligten führt. In den ersten 90 Minuten ist dem Drehbuchutor und Regisseur deutlich Yoshitarô Nomura anzumerken, wie ihm die semidokumentarische Chronologie im Ablauf der oft scheinbar aussichtslosen Arbeit der verantwortlichen Polizeibeamten eine fast intellektuelle Lust bereitet. Zum zweiten ist es die Tragik einer Biografie, welche die banale Zuordnung von Gut und Böse ad absurdum führt und sogar die Entscheidung zugunsten von Recht und Unrecht seitens der Ordnungshüter erschwert, ist die Härte des Schicksals für die Beteiligten doch offensichtlich. So überschattet die Klärung der Schuldfrage in einem anfangs scheinbar simplen Mordfall für die Polizisten sogar das Gefühl eines damit verbundenen Erfolgs ihrer Bemühungen. The Castle of Sand bewegt sich somit im Kielwasser klassischer Tragödien, wie man sie auch aus der europäischen Theatergeschichte kennt. Als ein mit schillernden Charakteren besetzter Kriminalfilm ist er zugleich in der Tradition des Film Noirs angesiedelt. Ein Opfer wurde zum Täter, doch alles, was geschehen ist, entzog sich von Anbeginn einem willentlichen Zugriff und erscheint als brutale und willkürlich zupackende Schicksalsmacht. Nur im ureigenen Kosmos der Abstraktion findet die gepeinigte Seele schließlich Erlösung. Doch in solcher für das letzte Drittel des Films bestimmenden und von vielen Rückblenden kunstvoll gestückelten Sequenz wird das Werk aufgrund dessen auch pathetisch. Letzteres steht im Kontrast zur nüchtern pragmatischen Erzählweise des ersten Teils und stört die Konsistenz der Erzählung.
Kompetentes Schauspiel, ausgefeilte Charakterzeichnungen, stringente Dramaturgie und der Mut zu eigenwilliger Narration! Der japanische Film erweist sich mit The Castle Of Sand auch in der Mitte der 70er als ebenso originell wie für ein internationales Publikum attraktiv. Dennoch fand er seinerzeit in Deutschland keinen Verleih und lief lediglich in Dänemark, Polen und in Ungarn auch im Kino. Ab den 80er Jahren wurde das ostasiatische Kino zunehmend vom harten Neo Noir aus Hong Kong und neben der unaufhörlichen Godzilla-Serie auch vom Trickfilm aus Japan dominiert - zumindest aus westeuropäischer Sicht. Noch heute führt japanisches Kino jenseits vom Horrorgenre und klassischen Regisseuren à la Kurosawa und Ozu ein bescheidenes Nischendasein. Doch neben Takeshi Kitanos selbstbewusster Aneignung der Film-Noir-Tradition in Werken wie Sonatine (JPN 1993) oder Hana-Bi - Feuerblume (JPN 1997) gibt es auch anderweitig Beispiele einer Neo-Noir-Strömung, die zu entdecken sich lohnt. The Castle Of Sand gehört für mich trotz eines melodramatischen Finales dazu - ein vielseitiges und ausdauerndes Werk, das den Zuschauer an keiner Stelle langweilt. Jun'ya Satôs wenige Jahre später erschienener Neo Noir Tod im Fahrstuhl (JPN/USA 1977) weist in der Anlage und in der Tragik seines Finales einige Parallelen zum Film Yoshitarô Nomuras auf.
Eine DVD-Edition (2003) von Panorama Entertainment bringt den Film bildtechnisch solide (aber leider nicht restauriert) und ungekürzt mit dem japanischen Originalton und optional chinesischen bzw. englischen Untertiteln. Das Bildformat ist leider nicht anamorph, insofern erscheint es verkleinert im Rahmen 4:3 und ist meinerseits in seinem ursprünglichen Widescreen-Format auch leicht beschnitten. Solange es zu der Edition keine Alternative gibt, ist sie besser als nichts, zumal dank der Untertitel immerhin der Film auch für Nicht-Japaner zu goutieren ist. Eine Filmographie und Kurzbiographie von Yoshitarô Nomura sind die einzigen Extras.