Neo Noir
| USA
| 1968
| Noel Black
| Anthony Perkins
| John Randolph
| Beverly Garland
| Tuesday Weld
Bewertung
****
Originaltitel
Pretty Poison
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1968
Darsteller
Anthony Perkins, Tuesday Weld, Beverly Garland, John Randolph, Dick O’Neill
Regie
Noel Black
Farbe
Farbe
Laufzeit
86 min
Bildformat
Widescreen
Der als Brandstifter verurteilte Dennis Pitt (Anthony Perkins) war für einige Zeit in einer psychiatrischen Klinik in Behandlung. Nun wird er von Morton Azenauer (John Randolph) in die Freiheit entlassen. Man hat für ihn bei der Sausenfeld Chemical Corporation in Winslow, einer kleinen Ortschaft in Massachusetts, eine Anstellung organisiert. Dort wohnt Dennis Pitt in einem Wohnwagen neben Bronson’s Garage, einer Autowerkstatt, und Mrs. Bronson (Clarice Blackburn) kümmert sich darum, was der junge Mann zum Start ins neue Leben so benötigt. Am Tag seiner Ankunft hatte Pitt eine Parade junger Mädchen beobachtet, bei der die hübsche Sue Ann Stepanek (Tuesday Weld) als Fahnenträgerin lief. Weil er mit seiner winzigen Pocket-Kamera noch Fotos schießt, kommt er spät in der Fabrik an, worüber sein Vorgesetzter Bud Munsch (Dick O’Neill) keineswegs erfreut ist. Die Arbeit ist einfach, stupide, dennoch unterläuft dem nervösen, von Flashbacks geplagten Dennis gleich ein Fehler, der einen Teil der Produktion zerstört. Am Imbissstand von Pete (Joseph Bova) findet sich zur Mittagsstunde überraschend auch Sue Ann ein, die bei Pete Münzen für ein Telefonat in der Zelle einwechselt. Als Dennis sich ihr bekannt machen möchte, sieht er auf der gegenüberliegenden Straße einen Mann über den Motor seines Wagens gebeugt. Er raunt dem Mädchen zu, das er nicht reden könne, weil sie unter Beobachtung stünden, dass sie aber heute Abend um acht Uhr im Kino auf der Spring Street eine Verabredung hätten…
”While not generally considered an example of neo-noir, the film does include certain elements of the genre“, informiert Wikipedia über den lange vergessenen, doch im Lauf der Jahrzehnte zum Kultfilm avancierten Flop seiner Zeit. Die Geschichte dreht sich um eine Femme fatale, die sich erst nach und nach zu erkennen gibt, und um einen vermeintlich geistig gesunden Spätstarter ins kleinbürgerliche Glück. De facto ist das ein biestig bösartiger Thriller, der eindrücklich jenes Zeitalter der Erneuerung illustriert, in dem er enstand. Das US-amerikanische Filmschaffen begann sich in der zweiten Hälfte der Sechziger unterm Einfluss der französischen Nouvelle Vague und des Selbstverständnisses europäischer Regiseure und Autoren als Künstler langsam zu wandeln. Noch ein paar Jahre sollte es dauern, bis Leute wie Paul Schrader, Alan J. Pakula, William Friedkin, Martin Scorsese und Robert Altman unterm Emblem New Hollywood eine für den US-Spielfilm erkennbar neue Richtung einschlugen. Schon in den Sechzigern sorgten John Frankenheimer mit Der Mann, der zweimal lebte (USA 1966), Arthur Penn mit Bonnie und Clyde (USA 1967) und Peter Bogdanovich mit Bewegliche Ziele (USA 1968) für Akzente eines vom müden und überlebten Standard des Starkinos traditioneller Studios abgekoppelten Filmstils. Dass damit auch der Beginn der Arä des Neo Noirs zusammenfiel, ist natürlich kein Zufall.
“You are some character, Dennis. I'm surprised the C.I.A. lets you out without a keeper.” Noel Blacks Thriller mit deutlichen Neo-Noir-Tendenzen ist ein Hybrid, der sich aus mehreren Quellen speist. Er liegt so eindeutig abseits des Hauptstroms des Hollywoodkinos seiner Epoche wie zuvor Who Killed Teddy Bear? (USA 1965) oder nach ihm Cisco Pike (USA 1972) – Filmwerke, die sich keinem Trend, keiner Schublade zuordnen lassen. Was ihn mit den Genannten verbindet, sind sein B-Film-Flair, ohne dass er dadurch etwa weniger ernstzunehmen wäre, eine wunderbar innovative, subtile Kameraarbeit, sowie das extzellente Schauspiel der zentralen Akteure. Ausgerechnet Tuesday Weld gab anlässlich des Filmstarts zu Protokoll, wie sie die Arbeit mit Regisseur Black gehasst habe und ihre Arbeit in diesem Film unter Niveau sei. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Portraits und die Chemie der beiden Hauptdarsteller sind enorm intensiv; die Dynamik des Dramas fokussiert auf ihre zu Teilen kaum merklichen, doch wichtigen Akzente. Perkins’ Minenspiel ist unglaublich in seinen Nuancen; der Mann spricht mit den Augen und mit seiner Mimik in einer Weise, die nie jemand nachahmen konnte. Der geografisch abseits aller politischen und ökonomischen Zentren angesiedelte Film greift via Darstellung seiner Außenseiter Themen der Zeit auf, die sich in Pitts Paranoia und in Stepaneks Reaktion darauf wiederspiegeln. Und so ist berechtigt, dass Drehbuchautor Lorenzo Sample jr. (Zeuge einer Verschwörung, USA 1974) für sein Skript nach Stephen Gellers Roman She Let Him Continue (EA 1966) den New York Film Critics Circle Award erhielt, der einzige Preis für diesen empfehlenswerten, überaus eigenwilligen Film.
Sehr gute deutsche DVD-Ausgabe (2008) der Universum Film GmbH, München, mit dem Film ungekürzt im Originalformat, deutsche und englische Tonspur, ohne Untertitel und ohne Extras. Seit 2013 gibt es eine bis aufs DVD-Cover gleiche Neuauflage als BD und als DVD von Pretty Gold Productions.