Neo Noir
| USA
| 1984
| Richard Tuggle
| Clint Eastwood
| Dan Hedaya
| Marco St. John
| Geneviève Bujold
Bewertung
****
Originaltitel
Tightrope
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1984
Darsteller
Clint Eastwood, Geneviève Bujold, Dan Hedaya, Alison Eastwood, Jennifer Beck
Regie
Richard Tuggle
Farbe
Farbe
Laufzeit
110 min
Bildformat
Widescreen
© Warner Bros.
New Orleans: Am Abend ihres Geburtstags geht Melanie Silber (Jamie Ross) mit ihren Geschenken im Arm allein nach Haus. Es ist niemand mehr auf den Straßen, doch plötzlich hat sie das Gefühl, es folge ihr jemand, also beeilt sie sich. Tatsächlich ist ein Mann hinter ihr und als Melanie sich vor ihrer Haustür befindet, ist auch er dort. Zum Glück ist es ein Polizist (Marco St. John), der ihr beim Auflesen eines Pakets hilft und darauf achtet, dass sie ins Haus kommt… Police Detective Wes Block (Clint Eastwood) lebt allein mit seinen Töchtern Penny (Jennifer Beck) und Amanda (Alison Eastwood, seitdem ihn seine Frau hat sitzen lassen. Zur Hausgemeinschaft gehören auch vier Hunde. Sein Dienst bei der Polizei macht die Fürsorge für die Kinder zu einer schwierigen Aufgabe. An diesem Spätnachmittag erhält er einen Anruf und muss zu einem Tatort. Melanie Silber wurde in ihrer Wohnung ermordet aufgefunden. Detective Molinari (Dan Hedaya) ist bereits dort und sie besprechen ihre Mutmaßungen. Als Block nach Hause zurückkehrt, hat seine Haushaltshilfe Mrs. Holstein (Margie O’Dair) die Mädchen bereits zu Bett gebracht. Am nächsten Morgen lässt sich Block von einem Mitarbeiter des Labors (John Wilmot) über den Tathergang informieren. Melanie Silber wurde vergewaltigt, zudem hatte es wohl einen Kampf gegeben. Als Block in sein Büro zurückkehrt, trifft er dort Beryl Thibodeaux (Geneviève Bujold) vom Zentrum für vergewaltigte Frauen, die Aufschluss über den Mord und die Ermittlungen verlangt. Wes Block zeigt ihr die kalte Schulter, was sich schon bald zu seinem Nachteil auswirken soll…
„Tightrope revives the old noir fascination with police officers who are possibly corrupt and with the close similarities between the inner demons faced by both the perpetrators of crime and those investigating them”, bemerken Geoff Meyer und Brian McDonnell in ihrer Encyclopedia of Film Noir (2007). Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg. Der Auftakt des Films lässt im Kontext der Suche nach einem Serienmörder zwar der Dunkelheit einigen Raum und ist stilistisch eindeutig an die Schwarze Serie angelehnt. Doch thematisch und motivisch deutet vieles erstmal auf einen Thriller nach Schema F hin. Ein Serienmörder soll gefunden werden und die Verantwortlichen treten sich auf die Füße, indessen die Zahl der Opfer zunimmt, etc. pp. Nur allmählich entsteigt dem Einerlei des Polizeifilms ein interessanterer Film, die Geschichte jenes Wes Blocks, mit dem Clint Eastwood erstmalig und bereits radikal sein langjähriges Tough-Guy-Image torpedierte. Die von Meyer und McDonnell zitierte Nähe von Jäger und Gejagtem, die in bester Thrillertradition nicht nur in Träumen ihre Rollen tauschen, wird von Autor und Regisseur Richard Tuggle sorgsam vorbereitet. Der Polizist und der Vater, der Bordellkunde und der zögerliche Liebhaber – Eastwood spielt unter Tuggles Regie so nuanciert wie selten und es tut dem Film und dessen Charakteristik erstaunlich gut. Der Wolf hetzt die Meute ist eine teils abstruse Melange, beizeiten subtil und immer auf den Punkt, die deshalb von vielen Kritikern in den Kanon der besten Neo Noirs der Achtziger aufgenommen wurde.
Das mit dem Film verknüpfte Gerücht, es sei nicht Richard Tuggle - er hatte das Drehbuch zum Clint-Eastwood-Erfolg Flucht von Alcatraz (USA 1979) verfasst - sondern der Hauptdarsteller selbst, der hier Regie geführt habe, hat Clint Eastwood stets negiert. Sicher lebt dieser Neo Noir stark von der langjährigen Erfahrung des Kameramanns Bruce Surtees (Die heiße Spur, USA 1975), der seit den Frühsiebzigern mit Eastwood und Don Siegel gearbeitet hatte. Auch die weibliche Hauptrolle ist mit Geneviève Bujold erstklassig besetzt – eine Frau, die immer eine besondere Energie in ihre Darstellungsweise bringt. Vor allem aber sind es die superb gewählten Schauplätze in New Orleans und eine Absage an die sonst typische Ökonomie des Thrillerkinos, die Der Wolf hetzt die Meute zu einem wirklich gelungenen Neo Noir jener Jahre werden lassen. Zwar markiert er nicht den Aufbruch in eine neue Ära, wie sie damals bereits Joel und Ethan Coen, Amos Poe und David Lynch anstrebten. Aber mit Rücksicht aufs kommerzielle Kalkül, das mit einer solchen A-Produktion verbunden ist, erweist sich der Film als überraschend effektiv, noch dem erfahrenen Cineasten unter die Haut zu kriechen. Alles in allem ist er eine empfehlenswerte Ergänzung für Film-Noir-Liebhaber und großteils abseits der Action-Routine, die für Eastwood nach Dirty Harry (USA 1971) zum Markenzeichen geworden war.
Erstklassige deutsche DVD-Edition (2003) von Warner Bros. Home Entertainment mit dem Film ungekürzt im Originalformat, wahlweise mit der deutschen, englischen oder spanischen Tonspur, dazu haufenweise Untertitel und den Kinotrailer als Extra.