Neo Noir
| USA
| 1996
| Bob Rafelson
| Newton Thomas Sigel
| Jack Nicholson
| Michael Caine
| Mike Starr
| Stephen Dorff
| Jennifer Lopez
| Judy Davis
Bewertung
****
Originaltitel
Blood And Wine
Kategorie
Neo Noir
Land
USA/UK
Erscheinungsjahr
1996
Darsteller
Jack Nicholson, Stephen Dorff, Jennifer Lopez, Judy Davis, Michael Caine
Regie
Bob Rafelson
Farbe
Farbe
Laufzeit
97 min
Bildformat
Widescreen
© Concorde Home Entertainment GmbH © Twentieth Century Fox Film Corporation
Miami, Florida: Jason Gates (Stephen Dorff) und sein Kumpel Henry (Harold Perrineau) campen am Strand, nachdem Jason weit draußen einen Köder ausgeworfen hat. Im Morgengrauen hat ein Bullhai angebissen und gemeinsan bringen sie das Tier mit Angel und Pick-Up-Truck an Land, bevor sie es auf dem Fischmarkt für gutes Geld verkaufen. Als Jason zu seiner Mutter Suzanne (Judy Davis) und seinem Stiefvater Alex (Jack Nicholson) nach Hause kommt, versteckt er seinen Anteil in einer Werkzeugkeiste. Hier spart er jeden Dollar, um sich endlich ein eigenes Boot leisten zu können. Als er mit Alex, der eine Weinhandlung sein eigen nennt und die Reichen und Schönen der Stadt beliefert, beim Früstrück sitzt, fordert der ihn auf, sich ein vernünftiges Hemd anzuziehen. Auch Jason arbeitet gelegentlich in der Weinhandlung und heute wollen sie gemeinsam eine Bestellung ausliefern. Suzanne hat sich den Knöchel gebrochen und humpelt die Tereppe herunter. Nicht nur dass Alex in der letzten Nacht wieder spät Zuhause war, sondern dass ihre Kreditkarte zum dritten Mal in diesem Jahr gesperrt wurde, bereitet ihr Sorgen. Alex behauptet zwar, bald wieder flüssig zu sein, doch Suzanne fürchtet die baldige Pleite des Geschäfts. Im BMW-Cabriolet fahren Jason und Alex bei der steinreiche Familie Reese vor, wo ihnen das kubanische Kindermädchen Gabriela (Jennifer Lopez) die Tür öffnet. Alex muss zwei Kisten Wein in den Keller bringen, Jason eine Kiste an Bord der Yacht, mit der Frank Reese (John Seitz) und seine Frau Dina (Robyn Peterson) für mehrere Tage zum Fischen verreisen werden. Doch Alex hat vor Ort noch Interessen, die eher in den oberen Stockwerken des weitläufigen Hauses angesiedelt sind…
“I like movies like this: I like the way the actors are forced to commit to them, to work without a net”, schrieb Roger Ebert im Februar 1997 für die Chicago Sun Times über diesen Neo Noir mit Starbesetzung, doch stand er mit dieser Meinung so ziemlich allein da. Vor allem das US-amerikanische Publikum strafte die Mixtur aus Familiendrama und Thriller, die auf einem sauber ausgearbeiteten Skript mit reihenweise großartigen Dialogen beruht. Jack Nicholson zeigt sich auch in seiner seit 1970 fünften Zusammenarbeit mit dem Autor und Regisseur Bob Rafelson - letzterer war Produzent von Dennis Hoppers Easy Rider (USA 1969), darin auch Nicholson auftrat - in famoser Spiellaune. Mit Judy Davis und vor allem mit dem damals 63jährigen Michael Caine als herunter gekommener Tresorspezialist Vistor Spansky hatte der 59jährige Nicholson zwei Partner an Bord, die ihm ebenbürtig waren und für ein reiches Maß an Funkensprühen sorgten. Die darstellerischen Leistungen liegen weit überm Durchschnitt, der Handlungsverlauf ist in den ersten 80 Minuten vollauf glaubwürdig, die Charaktere sind vielschichtiger und gebrochener als in allen Quentin-Tarantino-Filmen jener Ära zusammen, und dennoch erwies sich der Film als Flop. Wahrscheinlich war er zu guter Letzt nicht gewalttätig genug, wobei die Dinge schon ab Mitte der Spielzeit eine unangenehme Wendung nehmen und das Finale durchaus Härte zeigt. Das entscheidende Vergnügen jenseits der erstklassigen Kameraarbeit von Newton Thomas Sigel (Drive, USA 2011) liefert aber die Sprache und zwar diejenige des Originals und nicht der (flachen) Synchonisation. In feinster Film-Noir-Manier hauen sich die Figuren ihre Verse um die Ohren, einer wie der andere so doppelbödig und vergiftet wie sie selbst: “There's no such thing as honor among thieves. It's a myth.“
Mit Blick auf die doch hohe Anzahl der in jenen Neunzigern vom Film Noir beeinflussten Thriller zählt Blood And Wine – Ein tödlicher Cocktail zu den in Vergessengheit geratenen Neo Noirs, denen trotz einer guten Besetzung kein Kultstatus zuteil wurde. Insofern ist der Film, dessen Finale dann leider ein wenig aus dem Ruder läuft, da es trotz exquisiter Nutzung der Femme-fatale-Komponente die geforderten Standards bedient, eine durchaus empfehlenswerte Wiederentdeckung. Als charaksterstarkes Erzählkino aus einer Zeit noch vor den (zumeist) stupiden CGI-Blockbustern ist diese Produktion aus dem Jahr 1996 eine solche, die in Hollywood heute sicher kein Studio mehr fände. Die Musikbegleitung ist zu Teilen etwas penetrant, bringt andererseits eine schwüle Mischung aus Songs und Sounds US-amerikanischen und spanischen Ursprungs, u.a. von Celia Cruz, The Duke Robillard Band und vor allem auch Delbert McClintons Two More Botttles of Wine. Sehr schön!
Die deutsche DVD-Edition (2000) der Concorde Home Entertainment GmbH verzichtete bei Erstauflage auf die englische Tonspur – man war noch in der Tradition der VHS-Videos verhaftet – und brachte den Film zugleich ungekürzt im Originalformat mit dem Kinotrailer als Extra. Eine Neuauflage mit Originalton und Untertiteln wäre wünschenswert.