Neo Noir
| USA
| 2005
| Baltasar Kormákur
| Damon Younger
| Forest Whitaker
| Jeremy Renner
| Peter Coyote
| Philip Jackson
| Julia Stiles
Bewertung
****
Originaltitel
A Little Trip to Heaven
Kategorie
Neo Noir
Land
ISL/USA
Erscheinungsjahr
2005
Darsteller
Forest Whitaker, Julia Stiles, Jeremy Renner, Peter Coyote, Alfred Harmsworth
Regie
Baltasar Kormákur
Farbe
Farbe
Laufzeit
86 min
Bildformat
Widescreen
Minnesota im Jahr 1985: Bei der Versicherungsgesellschaft Quality Life ist Frank (Pete Coyote) einer derjenigen, der jede Police vor den rechtmäßigen Ansprüchen der Geschädigten in Sicherheit bringt. Er teilt sich das Büro mit dem Ermittler Abe Holt (Forest Whitaker), der die Tricks im Versicherungsgeschäft ebenso sicher beherrscht. Als am Abend in der Stadt ein Linienbus ein Auto rammt, weist Holt die Passagiere darauf hin, dass alle nachträglich Zugestiegenen mit vermeintlichen Versicherungsansprüchen sich strafbar machten und erwähnt dabei eine (allerdings imaginäre) Überwachungskamera. Zur gleichen Zeit fährt auf einer abseits gelegenen Landstraße ein Mann (Damon Younger) im strömenden Regen an eine Raststätte, setzt sich an die Theke und bestellt ein Bier. Der ebenfalls anwesende Fred (Jeremy Renner) sieht den Autoschlüssel, den der Mann neben sich legt, verlässt die Bar und zapft das Benzin aus dem Tank des Fremden. Dieser bleibt kurz darauf auf offener Straße stehen, versucht trotz des Regens zu Fuß weiter zu kommen und wird von Fred aufgegabelt, der ebenfalls in der Richtung unterwegs ist. In der Stadt trifft Frank seinen Kollegen und meldet, dass in der mehrere Stunden entfernt gelegen Gegend um Hastings ein Mann in seinem Auto völlig verbrannt aufgefunden wurde. Es handele sich vermutlich um den seit Jahren gesuchten Sträfling Kelvin Anderson, dessen Lebensversicherung von 1 Million US-Dollar jetzt seiner Schwester Isold (Julia Stiles) zustünde. Der Versicherungsdetektiv Abe Holt setzt sich in seinen Wagen und fährt Richtung Hastings in die Nacht…
„Düsterer, in beeindruckenden Bildern gehaltener Film Noir“, urteilte das Filmfest Braunschweig seinerzeit. Diese Aussage lässt sich unterschreiben. Es sind geradezu magische Bilder, die der isländische Regisseur Baltasar Kormákur und sein Kameramann Óttar Guðnason auf Zelluloid zu bannen wussten. A Little Trip To Heaven ist grandios gefilmt, an manchen Stellen fast zu „schön“, um wahr zu sein, derart punktgenau ist die Auswahl der Schauplätze. Das offene Geheimnis besteht darin, dass über 80% des im Norden der USA spielenden Thrillers de facto auf Island, in der Umgebung von Reykjavik und in Hvalfjörður inszeniert wurde. Dieser Effekt einer Verfremdung, die bizarre Hyperrealität zugunsten des Kammerspiels von vier Menschen im Ausnahmezustand, bedeutet eine Gratwanderung. Doch sie funktioniert. Der trocken unaufgeregte Lauf der Handlung hat etwas Dokumentarisches; die Rollencharaktere erweisen sich als glaubwürdig. Die internationale Darstellerriege kommt aus den USA, aus England, aus Island, aus Litauen, usw. Obwohl in den USA angesiedelt, vermittelt der Film sowenig wie Frühwerke der Coen-Brüder ein Hollywood-Flair und bewegt sich als stilvoll selbstbewusster Neo Noir abseits vom Mainstream. Forest Whitaker, Julia Stiles und Jeremy Renner sind erstklassig. Im Ganzen ruhig hält der Film seinen Spannungsbogen und wartet mit einigen klassischen Film-Noir-Wendungen auf. Die Musik des isländischen Musikers Mugison ist dezent und stimmungsvoll.
Leider gibt es auch Abstriche. Die auf dem DVD-Cover angegebene Laufzeit von 90 Minuten ist die Spieldauer nach Bildlaufgeschwindigkeit in den USA. In Europa ist der Film 86 Minuten lang. Die letzten 4 Minuten sind Abspann, d.h. de facto ist nach 82 Minuten Schluss. Im Verhältnis von Fred zu Julia zu Abe wird besonders im letzten Drittel vieles nur angedeutet, und man wünschte sich, der Film hätte sich für seine Charaktere mehr Zeit genommen. Bei der Premiere auf dem Toronto International Film Festival lief der Film im September 2005 als angeblich 98 Minuten lange Fassung. Warum gibt es die nicht (mehr) zu sehen? Und dann das Ende… Ist es einerseits im Sinne der Filmhandlung und des Grundtons dieses Neo Noirs konsequent, enttäuscht es andererseits dennoch. Für viele Kritiker und auch Zuschauer war und ist es ein Minuspunkt.
Auch Billy Wilders Film Noir Frau ohne Gewissen (USA 1944) - Roman von James M. Cain, Drehbuch von Raymond Chandler - wurzelt im Versicherungswesen. Als Agent Barton Keyes hat Edward G. Robinson eine Aussprache mit einem mexikanischen LKW-Fahrer, den er des versuchten Betrugs überführt und eine Verzichtserklärung unterschreiben lässt. In A Little Trip To Heaven ist die Eingangsszene mit Peter Coyote als Frank und der mexikanischen Witwe Rodriguez eindeutig eine Bezugnahme auf Wilders Film-Noir-Meisterstück der Vierziger.
Exzellente DVD der Ascot Elite Home Entertainment, die den Film im Originalformat als ungekürzte Kinofassung mit deutscher und englischer Tonspur, deutschen oder englischen Untertiteln, dem original Kinotrailer und einem Making Of als Extras bringt. Definitiv ein Geheimtipp!