Film Noir
| USA
| 1955
| Mickey Spillane
| Robert Aldrich
| Ernest Laszlo
| Albert Dekker
| Charles Lane
| Fortunio Bonanova
| Jack Elam
| Jack Lambert
| Paul Stewart
| Percy Helton
| Ralph Meeker
| Wesley Addy
| Maxine Cooper
Bewertung
****
Originaltitel
Kiss Me Deadly
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1955
Darsteller
Ralph Meeker, Maxine Cooper, Albert Dekker, Paul Stewart, Cloris Leachman
Regie
Robert Aldrich
Farbe
s/w
Laufzeit
102 min
Bildformat
Vollbild
© United Artists Corporation
Auf einer Landstraße nahe Los Angeles erblickt Privatdetektiv Mike Hammer (Ralph Meeker) nachts im Licht seiner Scheinwerfer eine barfüßige Frau im Trenchcoat. Mitten auf der Fahrbahn stehend zwingt ihn Christina Bailey (Cloris Leachman) zur Vollbremsung. Er nimmt sie mit und an einer Tankstelle gibt sie einen Brief auf, indessen Hammer am Geisteszustand der verängstigten und unterm Trenchcoat offenbar unbekleideten Dame zweifelt. Kurz darauf werden sie angehalten, aus dem Wagen gezerrt, und während Unbekannte den Detektiv brutal niederschlagen, wird Christina bestialisch gefoltert. Schließlich werden sie zurück in den Wagen gesetzt und von der Küstenstraße über die Klippe in die Tiefe gestürzt… Mike Hammer erwacht schwer verletzt in einem Hospital in Los Angeles. Seine Assistentin Velda Wickman (Maxine Cooper) klärt ihn darüber auf, dass Christina ums Leben kam. In seinem Apartment erwartet Hammer Police Lieutenant Pat Murphy (Wesley Addis) und rät ihm eindringlich dazu, sich aus dem Mordfall an Christina Bailey ab sofort heraus zu halten. Doch das weckt Mike Hammers Neugier nun endgültig, zumal sich in seiner Post genau jener Brief der Toten findet, denn sie kurz vor ihrer Ermordung in seinem Beisein absandte…
Mit Robert Aldrichs Film Noir Rattennest geht die Handlung, etwa vergleichbar Joseph H. Lewis’ Geheimring 99 (USA 1955), ganz und gar im Film-Noir-Stil auf. Der Reigen der Noir-Themen gibt sich von Szene zu Szene die Klinke in die Hand: schmierige Ganoven, brutale Polizeigewalt, Femme fatale und die heimlichen Herrscher aus den oberen Etagen der feinen Gesellschaft mit einer Armee von Handlangern. Doch sind die Charaktere bereits comichaft überzeichnet, so dass die gleichnamige Romanvorlage (EA 1952) von Krimiautor Mickey Spillane zugleich ihre Absurdität erkennen lässt. Mike Hammer, den Regisseur Aldrich später selbst als "zynischen Faschisten“ bezeichnet hat, agiert als Private Eye der harten Sorte (seit Dashiell Hammetts Sam Spade und Raymond Chandlers Philip Marlowe ein Stereotyp des Film-Noir-Personals) wie ein von der Kette gelassener Dobermann. Das "Wie" von Rattennest funktioniert interessanterweise genau deshalb. Nachdem der Kulturbetrieb aufgrund der Zensur durch Kommunistenjäger Senator McCarthy jahrelang ausgebremst wurde, schaltet Robert Aldrich hier mit Genuss einen Gang höher. Im Jahr zuvor war Joseph McCarthy von einem Untersuchungssausschuss im US-Senat offiziell gerügt und er selbst damit als politisch treibende Kraft entmachtet worden.
© Koch Media GmbH
Schauplätze, Kameraarbeit, Rollencharaktere, Dialoge, Jazz und Dramaturgie – dieser späte Film Noir zeigt in seiner harten Coolness noch einmal das ganze stilistische Repertoire, das seine Fans bis heute so schätzen. Wer sich auf die Prämissen der Pulpstory von Mickey Spillane einlassen kann, zumal von Aldrich bissig konterkariert, wird als Cineast auf seine Kosten kommen. Wer mit dem Film Noir eher die ungeschminkt nihilistische Relevanz eines Jules Dassin, Abraham Polonsky oder John Huston verbindet, mag in Rattennest - bis heute in Deutschland ohne Jugendfreigabe (= FSK 18) - einen Vorläufer der leeren und brutalen Stilrituale Quentin Tarantinos erkennen. In seiner Zeit blieb der Film Noir Rattennest einmalig, setzte allerdings mit Verfilmung eines weiteren Mike-Hammers-Romans im Anschluss an den völlig verunglückten Der Richter bin ich (USA 1953) zugleich das Signal für eine Reihe weiterer Versuche fürs Kino, so etwa Mein Revolver war schneller (USA 1957) oder Der Killer wird gekillt (UK 1963), letzterer mit Mickey Spillane selbst in der Rolle seines berühmten Privatdetektivs. In den Jahren 1958 und 1959 übernahm Darren McGavin in insgesamt 78 Folgen einer TV-Serie die Rolle Mike Hammers, von 1984 bis 1987 tat dies ebenfalls fürs Fernsehen Stacy Keach.
Erstklassige Umsetzung als DVD-Edition (2007) von MGM, wahlweise fünf Tonspuren, darunter Englisch und Deutsch, dazu Französisch, Italienisch, Niederländisch, Griechisch, Spanisch als Untertitel, ungekürzte Spielzeit im Originalformat und in einer bild- und tontechnisch hochwertigen Restauration plus US-Kinotrailer als Extra. Im Jahr 2011 erschien Kiss Me Deadly (Originaltitel) als edle Vlu-ray-Edition in der renommierten Criterion Collection.