Ošklivá slečna

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Ošklivá slečna
Kategorie
Post Noir
Land
CSK
Erscheinungsjahr
1959
Darsteller

Dana Medřická, Karel Höger, Otakar Brousek st., Světla Amortová, František Holar

Regie
Miroslav Hubáček
Farbe
s/w
Laufzeit
73 min
Bildformat
Vollbild

 


 

 

Prag, Tschechoslowakei: Die staatliche Wirtschaftsprüferin Hana Kalvodová (Dana Medřická) tippt manisch Zahlen in eine Rechenmaschine und hat kein Ohr für den Vorgesetzten Stolfa (Václav Lohniský), der versucht ihr etwas mitzuteilen. Erst als er vehement um Aufmerksamkeit bittet, erfährt sie, dass ein Verlagshaus in Liberec in seiner Bilanz Unregelmäßigkeiten aufweise und man um eine unabhängige Untersuchung gebeten habe. Ein Betrugsfall seitens der Buchhaltung sei wahrscheinlich. Hana Kalvodová ist nicht begeistert davon, sich auf diese Reise zu begeben, aber sie willigt ein. Kurz drauf fährt sie per Zug in die nordöstlich gelegene Stadt. Am Bahnhof wird sie vom Geschäftsführer Jiří Štefl (Karel Höger) persönlich abgeholt, der seinerseits versucht freundlich zu sein und ihren Koffer zu tragen; Frau Kalvodová aber bleibt kühl und reserviert. Erst als die Beamtin erfährt, dass er die Prüfung selbst angefordert habe, wird sie ein wenig zugänglicher, wenngleich sie ihr Zimmer im Hotel Imperial und die Blumen, die ihr Štefl auf dem Weg dorthin kauft, für unangemessen hält. Trotzdem begleitet er sie noch in die Lobby und erläutert nebenher, dass der Verlag für ihren Aufenthalt zahle und dass sie in Anbetracht ihrer schwierigen Aufgabe ein wenig Komfort verdient habe. Aber sie schweigt auch dazu und bleibt undurchsichtig, indessen der Portier (Vladimír Menšík) ihr das Zimmer zuteilt. Kurz darauf fährt sie mit dem Aufzug in den zweiten Stock. Jiří Štefl bleibt in der Lobby, wo er sie in 15 Minuten erwarten soll…

 

Zu Beginn weiß man als Connaisseur des Film Noirs womöglich nicht, wie der Film zum Filmstil passen und sich in den Kanon einfügen wird. Aber wenn Drehbuchautor Oldrich Danek und Regisseur Miroslav Hubáček dessen Geschichte geruhsam drehen und wenn hinter der jeweils dem öffentlichen Leben geschuldeten Manierismen der Rollencharaktere deren Persönlichkeiten zum Vorschein kommen, ist das richtiggehend beeindruckend und ein wunderbares Beispiel für die Stilmittel des Erzählkinos. Nichts (und niemand) ist hier so wirklich, wer es oder sie zu sein scheinen. Damit wird Ošklivá slečna zu einem Film Noir, spätestens wenn der Handlungsverlauf seine eingangs ach so steife, lustfeindliche Protagonistin in die Rolle der Detektivin drängt. Unterm Titel The Plain Old Maid lief der Film im August 2021 auf dem Noir Film Festival in Český Šternberk, Tschechien, was ungefähr seiner tschechischen Benennung entspricht und das scheinbar Gewöhnliche der Hauptfigur betont. Der deutsche Titel Das hässliche Fräulein, der sich womöglich auf eine deutschsprachige Fernsehaufführung bezieht, verfehlt mit der Abwertung den Charakter der Figur und des Films. Dana Medřická ist eine Schauspielerin von Rang, und ihre Hana Kalvodová eine Protagonistin, die fürs europäische Kino der Zeit als besonders eingestuft werden darf. Eine Frau als zentrale Ermittlerin war auch in Hollywood alles andere als ein Standard. Robert Siodmaks Zeuge gesucht (USA 1944), William Nighs Todeszelle Nr. 5 (USA 1948) oder Norman Fosters Einer weiß zuviel (USA 1950) gehören zu jenen Beispielen, die mit Fug und Recht erwähnt werden sollten und die keine hilflosen Damen porträtieren, denen Männer mit Köpfchen und mit Muskelkraft aus der Patsche helfen (müssen).

 

 

Andererseits spiegelt es den Blick des Zeitalters und damit explizit die der Frau zugedachte Rolle, dass Hana Kalvodová mit 36 Jahren eindeutig als zu alt für eine Unverheiratete und folglich als eine unansehnlich „alte“ Jungfer gilt. Solches geht insbesondere aus Kommentaren Jirí Stefls hervor, der sie von Anbeginn auf der persönlichen Ebene anzusprechen trachtet und eindeutig romantische Absichten verfolgt. Es ist Dana Medřickás Verdienst, dass sie ihrer Figur im letzten Drittel des Films neue Charakterzüge zugestehen kann, dass sowohl die gefühlvolle als auch die unbestechliche Seite der Figur zum Tragen kommt. Das Finale ist eher leise, und die Schlusssequenz erinnert gleichermaßen an John Hustons Die Spur des Falken / Der Malteser Falke (USA 1941) und an Carol Reeds Der dritte Mann (UK 1949). Allerdings hätte ich mir die Dramaturgie seitens Hubáčeks etwas zupackender gewünscht. Im letzten Drittel wirkt der Film für ein Kriminaldrama zu behäbig. Dennoch ist er auch wegen Rudolf Stahls eindrücklicher Kameraarbeit an Schauplätzen in der Stadt und in der freien Natur eine sehenswerte Ergänzung der osteuropäischen Filmklassik überhaupt. Satte 3,5 Sterne, aufgerundet auf 4.

 

Eine DVD-Edition (2024) des Noir Film Festivals in Tschechien und des Národní filmový archiv bringt den Film ungekürzt und im Originalformat mit dem tschechischen Ton und mit optional englischen und tschechischen Untertiteln, bild- und tontechnisch exzellent restauriert. Als einziges Extra gibt es den 3-minütigen Spot Noir Film Festival – A Unique Event on the Star Mountain.

 


 

 

Post Noir | 1959 | International | Miroslav Hubáček | Karel Höger | Vladimír Menšík

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