Ted Levine, Alycia Debnam-Carey, Brenton Thwaites, Claire Holt, Gerald McRaney
Ein Landhaus inmitten der Landschaft Missouris und benachbart davon ein eher heruntergekommenes zweites im Jahr 1983. In letzterem läuft am frühen Morgen das Radio und der neue Deputy Sheriff im Hardridge County, Norman Young (Benton Thwaites), nimmt eine Dusche und kleidet sich in seine Uniform. Als er auf die Veranda tritt, führt Nachbarstochter Frances Campbell (Alycia Debnam-Carey) ein Pferd auf die Koppel und grüßt zu dem schüchternen jungen Mann hinüber, von dem sie weiß, dass er seit langem in sie verliebt ist. Als Norman zu seinem Streifenwagen kommt, der auf der Zufahrt geparkt ist, bemerkt er die abgeknickte Radioantenne und hat sofort seinen Bruder Ray (Ben Robson) im Verdacht, einen ausgesprochenen Tunichtgut, der allerdings mit Frances‘ älterer Schwester Abbey (Claire Holt) liiert ist und mir ihr auch einen Sohn namens Liam (Bowen Hoover) hat, der heute zum ersten Mal in die Schule gehen wird. Während Norman sich noch über die zerstörte Antenne ärgert, kommt die Bardame “El Camino“ (Francesca Eastwood) in jenem Auto daher, dem sie ihren Spitznamen verdankt. Laute Rockmusik dröhnt aus dem offenen Seitenfenster in die Stille des Morgens auf der Farm und Ray Young taumelt vom Beifahrersitz ins Freie, indessen er sich dorthin zurück wendet und El Camino mit einem langen Kuss verabschiedet. Vom Fenster des Kinderzimmers aus beobachtet Abbey Campbell die provokante Abschiedsszene, bevor sie sich um den kleinen Liam kümmern und ihn ankleiden muss…
“You want me to call the coroner’s office?” – “No! Cause of death is loss of life.” Hin und wieder blitzt der Wunsch auf ein lebenssattes Drama in den Weiten US-anerikanischer Landschaften zu platzieren, eins solcher abgründigen Familiendramen voller Inbrunst, Leidenschaft und Irrsinn von diversen Rollencharakteren, die ihre Hormone und Zwänge nicht unter Kontrolle bekommen. Das ist für den Independentfilm des 21. Jahrhunderts nicht untypisch, der konträr zum Kinderkram der Blockbuster voller Superhelden und CGI mit der Rückkehr des Erzählkinos zu punkten weiß. In der Sparte des Neo Noirs waren es Debra Graniks Winter’s Bone (USA 2010), Scott Coopers Auge um Auge – Out Of The Furnace (USA/UK 2013) oder David Burris‘ Zorniges Land (USA 2015), die die Richtung vorgaben und mit schlichten aber zupackenden Erzählungen punkten konnten. In A Violent Separation der Brüder Kevin und Michael Goetz bleibt es trotz eines wirklich engagierten Ensembles und allemal solider Kameraarbeit durch Sean O’Dea beim genannten Aufblitzen. Das ist vor allem auf das Drehbuch Michael Arkofs zurückzuführen, welches viel zu viele Klisches aneinanderreiht, um den halbwegs erfahrenen Connaisseur der Sparte überzeugen oder überhaupt unterhalten zu können. So erging es zumindest mir. Von Anbreginn sah ich zwar, dass die Drehorte passend gewählt waren und dass die beteilten Darsteller und Darstellerinnen engagiert aufspielten. Gepackt hat mich an der Geschichte, die der Film erzählt, aber im Grunde nichts. Das ist insofern erstaunlich, insofern er beizeiten den oben genannten, ihm vorausliegenden Neo Noirs quasi benachbart liegt, aber… etwas Entscheidendes fehlt.
“A Violent Separation isn’t consistent, getting lost in brotherly bonds and acts of sacrifice, which aren’t as epically arranged as the helmers think”, schreibt Brian Orndorf für Blu-ray.com und fasst damit gut zusammen, was das Filmerleben in diesem Fall ausmacht. Das entscheidende Manko bleibt, dass die Charaktere keine Tiefe und keine Eigenständigkeit zeigen, lässt man Ted Levine als raubeinigen Sheriff Ed Quinn einmal außen vor. Er ist die beste Figur in einem Drama um zwei Brüder, von denen der eine versehentlich seine Frau erschießt, indessen der andere, ein Deputy Sheriff, den Totschlag zu verschleiern und zu leugnen hilft. Man weiß von Anbeginn, dass es nicht gut enden wird,und man fragt sich, warum sie sich zu jener dämlichen Komplizenschaft hinreißen lassen, die zum Zeitpunkt der Tat in keiner Hinsicht zwingend notwendig erscheint. Zu guter Letzt keimte in mir der Verdacht, dass sich Arkof für das Finale allzu offensichtlich von Sam Raimis Neo Noir Ein einfacher Plan (FRA/UK/GER/USA/JPN 1998) hat inspirieren lassen, unterm Strich ein um Längen besserer Film - nicht zuletzt, weil die Wendung des letzten Akts nicht wie mit der Brechstange herbeizitiert wirkt. So wurde ein gehöriges Quantum an Potential vor und hinter der Kamera einmal mehr verspielt, weshalb sich A Violent Separation auch nicht empfehlen lässt. Hat man ein Faible für solcherart Rural Noir, sollte man sich stattdessen die erwähnten Referenzwerke zu Gemüte führen und sie genießen. Für den Neo Noir der Brüder Goetz gibt es hier ganz knapp noch drei Sterne.
In den USA gibt es jeweils eine Blu-ray und eine DVD (2019, Regionalcode 1) via Screen Media mit dem Film bild- und tontechnisch exzellent und auch im Originalformat und ungekürzt, dazu den original englischen Ton ohne Untertital und auch ohne weitere Extras. Eine australische DVD-Ausgabe (2021, Regionalcode 4) von Eagle Entertainment bietet den Film in exakt gleicher Qualität und Ausstattung.