John Drew Barrymore, Lita Milan, Robert Bray, Steve McQueen, Salem Ludwig
New York: In der 12th Avenue Garage, einem Gebäude vom Ausmaß einer Lagerhalle, fallen Pistolenschüsse. Kurz darauf öffnet sich die Tür und Francis “Frankie“ Kane (John Drew Barrymore), der sich eine stark blutende Schusswunde im Bauchbereich hält, steigt unter Mühen ins davor geparkte Ford V8 De Luxe Cabriolet, startet den Motor und fährt davon. Leben sei eine Phase, so der Erzähler, welche in die Ewigkeit eingepasst sei. Was einen Anfang habe, werde ein Ende finden. Frankie Kane kann den Wagen kaum unter Kontrolle halten, kurvt zwischen gußeisernen Pfeilern einer Hochbahntrasse hin und her. Schließlich bricht er über dem Lenkrad zusammen, der Wagen kollidiert mit einem Brückenpfeiler und kippt auf die Seite… New York im Jahr 1912: Die schwangere Frances Kane (Dolores Vitina) läuft eine von Kindern und Arbeitern bevölkerte Gasse hinab, und sie begibt sich ins Gästehaus von Mrs. Cozzolina (Augusta Merighi), einer Hebamme. Die Hausherrin zeigt ihr das hübsche Zimmer und Frances entnimmt ihrem Koffer ein Nachthemd, bevor Mrs. Cozzolina das wieder verschlossene Gepäckstück ins obere Fach des Kleiderschranks schiebt. Allerdings fällt der Koffer hintenüber, und Mrs. Cozzolinas erwähnt, dass sie das unbedingt reparieren lassen müsse, bevor sie Frances hilft, sich ins Bett zu begeben. Die werdende Mutter stirbt bei Geburt ihres Sohnes und kann der Hebamme mit letzter Kraft noch ihren Namen mitzuteilen, bevor Bruder Bernard (Douglas Rodgers) ihr die Sterbesakramente spendet…
“The film is somewhat hokey but those keen on the era may find some amusement with the religious-division attitudes which, at times, seem out-of-whack with the plot direction”, schreibt Gary W. Tooze für DVD Beaver und gibt so ein allemal mildes Urteil über den missglückten Gangsterfilm ab. Robert Stevens’ Adaption des Debütromans Never Love A Stranger (EA 1948, auf Deutsch 1968 als Die Wilden) von Harold Robbins krankt gleich an mehreren Schwächen. Zum ersten möchte der Film mit einer Laufzeit von 91 Minuten gern episches Kino sein, welches mehrere Jahrzehnte umspannt, während er aufgrund seiner Lauflänge zentrale Aspekte der Handlungsentwicklung dem Erzähler aus dem Off zuschanzt. Letzterer berichtet zwischendurch, was über Jahre hinweg passierte, dann springt der Film in eine neue Gegenwart um. Zum zweiten schrieb Harold Robbins, der sich einst selbst als der Welt bester Schriftsteller bezeichnete, am Drehbuch mit und serviert dem Publikum nicht nur Standarddialoge in Serie sondern über den Erzähler auch quasi pseudo-philosophische Sinnsprüche mit religiöser Tönung: “Everything changes, but people. Sometimes they are better. Sometimes they are worse. At all times they are human. And life is the span that links the eternities.” Derlei möchte um jeden Preis clever klingen, bündelt aber bestenfalls Binsenwahrheiten und ist bei näherer Betrachtung einfach Unsinn. So halbwegs in der Spur hält den Film der Fokus auf den Werdegang Frankie Kanes vom 16-jährigen Vollwaisen und Schuhputzer zum steinreichen Gangster und Mobster, der die Metropole New York fest im Griff hat. Für solch eine Wiederauflage des klassischen Gangsterfilms erweisen sich seine Jugendliebe Julie (Lita Milan), sein bester Freund Martin Cabell (Steve McQueen) und sein Mentor und späterer Widersacher “Silk“ Fennelli (Robert Bray) ebenfalls als überzeugende Rollencharaktere.
Nach meiner Einschätzung borgt sich Der Gangsterkönig von New York jedoch allzu offensichtlich Handlungselemente von William A. Wellmans The Public Enemy (USA 1931), von Mervyn LeRoys Ich bin ein entfohener Kettensträfling (USA 1932) und von Michael Curtiz‘ Chicago – Engel mit schmutzigen Gesichtern (USA 1938). Ohnehin hatte der Blick zurück in jene Epoche der 30er in den späten 50er Jahren Konjunktur. Nicholas Rays Mädchen aus der Unterwelt (USA 1958) oder Burt Balabans und Stuart Rosenbergs Unterwelt (USA 1960) waren ebenso in jenen Jahren angesiedelt. Als eine Produktion der Allied Artists Pictures sieht der Film dank Lee Garmes‘ (Der Scharlatan, USA 1947) Kameraarbeit richtig gut aus, demgegenüber es seitens Stevens‘ zu Schlampigkeiten kommt. Als in der Eingangssequenz Frankie tagsüber unterhalb der einsamen Hochbahntrasse im Auto fährt, zeigt die Rückprojektion einen belebten Boulevard bei Nacht. Während Frances Kane im Jahr 1912 zu ihrer Hebamme läuft, sieht man im Hintergrund ein US-amerikanisches Auto der 50er. Steve McQueen hatte hier seine erste Rolle, für die er im Vorspann namentlich genannt wurde. Schon bald ließ er John Drew Barrymore, der in Alkoholabhängigkeit und rüpelhaftes Verhalten am Set abdriftete, weit hinter sich und wurde dank Erfolgsfilmen wie Peter Yates‘ Bullitt (USA 1968) und Sam Peckinpahs Getaway (USA 1973) zu einem internationalen Star der kommenden zwei Jahrzehnte.
Unter dem Originaltitel Never Love A Stranger gibt es via LionsGate eine US-amerikanische DVD-Ausgabe (2008, RC 1) mit dem Film ungekürzt und im Originalformat, bild- und tontechnisch gut, dazu den original englischen Ton, optional englische oder spanische Untertitel, das Ganze allerdings ohne Bonusmaterial.