Liam Neeson, Diane Kruger, Jessica Lange, Adewale Akinnuoye-Agbaje, Colm Meaney
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Los Angeles, Kalifornien, im Oktober 1939: Der Privatdetektiv Philip Marlowe (Liam Neeson) erwacht in seinem Haus mit Garten aus einem unruhigen Schlaf. Zum Kaffee im Morgenmantel hört er im Rundfunk die Weltnachrichten, die sich mit der Annexion der Tschechoslowakei durch Adolf Hitler befassen… In seinem Büro beobachtet er vom Fenster aus eine Sekretärin (Brenda Rawn), die ein Diktat aufnimmt, als seine eigene Bürokraft Hilda (Stella Stocker) ihm den Besuch von Mrs. Clare Cavendish (Diane Kruger) ankündigt. Die mondäne Frau um die 40, verheiratet mit Richard Cavendish (Patrick Muldoon), gibt sich gegenüber dem Detektiv unverblümt, als sie ihn damit beauftragt, nach ihrem Geliebten Nico Peterson (François Arnaud) zu suchen, der vor kurzem ohne Ankündigung verschwand. Marlowe bietet Mrs. Cavendish eine Zigarette und einen Whiskey an. Sodann geht es um die Einzelheiten, die das Verschwinden des bei der Pacific Film Studios in der Requisite tätigen Peterson betreffen. Mrs. Cavendish selbst ist reich, denn ihr verstorbener Vater war ein Öl-Milliardär, dessen Vermögen inzwischen von ihrer Mutter, der einst populären Schauspielerin Dorothy Quincannon (Jessica Lange), verwaltet wird. Clare und ihr Liebhaber pflegten ihre Affäre in dem der High Society vorbehaltenen Corbata Club, zu dem Peterson nur auf Einladung der Quincannons Zutritt hatte. Als er zu einer Verabredung nicht erschien, fuhr Clare Cavendish selbst zu Petersons Haus, das sie verschlossen fand…
“What's your trouble gents, money or women?” – “Both, with a complication of thirst.” Hin und wieder gibt es die Ankündigung einer A-Produktion, die sich auf die Ära klassischen Film Noirs beruft, mit bekannten Namen vor und hinter der Kamera. Ruben Fleischers Gangster Squad (USA 2013), Ben Afflecks Live By Night (USA 2016) und Drew Goddards Bad Times At The El Royale (USA 2018) bedienten sich eines historischen Settings, um in Zeiten von CGI und infantilen Comic-Adaptionen dem Film Noir bzw. dem Neo Noir neues Leben einzuhauchen. Demgegenüber sind Dashiell Hammett, Cornell Woolrich und Raymond Chandler, die wichtigsten Autoren von Romanvorlagen für den Film Noir der 40er und 50er, kaum noch gefragt. 2014 trat Tadanobu Asano (Invisible Waves, THA/NL 2006) in einer Mini-Serie namens The Long Goodbye (JPN 2014) auf - einer nicht lizensierten Adaption von Raymond Chandlers Philip-Marlowe-Roman gleichen Namens (EA 1953), die im Japan der 50er spielt. Sieben Jahre später überraschte Freunde des Film Noirs, dass der irische Meisterregisseur Neil Jordan einen Neo Noir mit Liam Neeson als Philip Marlowe ins Kino bringen sollte, in weiteren Rollen Diane Kruger, Jessica Lange und Danny Huston. In Jaume Collet-Serras Neo Noir Unknown Identity (UK/GER/FRA/USA 2011) hatten Neeson und Kruger gemeinsam vor der Kamera gestanden und würden als der weltbekannte Detektiv und als Femme fatale nun erneut aufeinandertreffen. Die Romanvorlage The Black-Eyed Blonde (EA 2014, auf Deutsch 2015 als Die Blonde mit den schwarzen Augen) stammt jedoch aus der Feder von Benjamin Black (aka John Banville), der das Raymond-Chandler-Universum als einer von vielen um ein weiteres Kapitel bereicherte. Die internationale Co-Produktion drehte den Film in Barcelona, Spanien, und in Dublin, Irland, nicht aber in Los Angeles. Mit William Monahan (Departed – Unter Feinden, USA/HK 2006) holte Neil Jordan sich einen Co-Autor, der auf dem Terrain des Neo Noirs und mit der Adaption fremder Stoffe einschlägige Erfahrungen gesammelt hatte. Auch gemeinsam konnten sie das zentrale Problem der Produktion nicht lösen.
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“You’re a very perceptive and sensitive man, Mr. Marlowe. I imagine it gets you into trouble.” Der Film zeigt schöne Drehorte und ist via Kameramann Xavi Giménez (Der unsichtbare Gast, ESP 2016) in teils großartige Bildkompositionen gefasst. Er hat ein überwiegend gutes internationales Ensemble und mit Liam Neeson einen Filmstar von Format, der mit 70 Jahren (!) für die Rolle Philip Marlowes dennoch zu alt ist. Als er in Dick Richards‘ Fahr zur Hölle, Liebling (USA 1975) als Marlowe auftrat, war Robert Mitchum 61 – zu alt, wie ihm Publikum und Kritiker bescheinigten. Und als sie im Film Noir der 40er und 50er Jahre Raymond Chandlers Private Eye spielten, waren Humphrey Bogart 45, Dick Powell 40, Philip Carey 34 und George Montgomery 31 Jahre alt gewesen. Vor allem ist Neesons Philip Marlowe aber ein durch und durch bürgerlicher Charakter. Um Pensionsansprüche geltend zu machen, will er in den Staatsdienst zurück. Mit der Polizei steht er auf gutem Fuß und verweigert sich mit der Haltung eines Mönchs allen Verführungskünsten der Femme fatale. Wo immer es geht, gibt er den Robin Hood unter den privaten Schnüfflern. Statt in einem schäbigen Apartment bewohnt er ein Haus mit Bücherregal und Schellackplatten. Statt zu Fuß bewegt er sich in einem 1939er Packard Business Coupé, brandneu und auf Hochglanz poliert. Man sieht ihn nicht in Gesellschaft verschwitzter, unrasierter Krimineller. Viel lieber erörtert er mit Vertretern der High Society James Joyce und griechische Mythologie. Marlowe ist ein unterhaltsamer, altbackener Kriminalfilm mit dem Flair klassischen Film Noirs. Die Raymond-Chandler-Figur, die ihm seinen Titel verleiht, kommt darin nicht vor. Ja, der Name Raymond Chandler taucht in Vor- und Abspann nicht einmal auf. Für einen Film namens Marlowe ein Kardinalfehler. Denn wer um alles in der Welt möchte einen Philip Marlowe nach Rezeptur von “Benjamin Black“ sehen?
Via EuroVideo Medien GmbH gibt es eine jeweils gut editierte deutsche BD- und DVD-Ausgabe (2023) mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch exzellent, dazu die original englische Tonspur und eine deutsche Synchronisation (im deutschen Kino lief das Werk trotz seiner Besetzung nie) sowie optional Untertitel auf Deutsch. Als Extras gibt es Kurzinterviews (auf Englisch mit Untertiteln) und den internationalen Kinotrailer. Die Inhaltsangabe auf dem Waschblatt ist Mumpitz; zudem wird das Ganze als US-amerikanisch-irische Co-Produktion ausgegeben. Ein aufwendig gestaltetes Mediabook der Telepool GmbH beinhaltet neben der BD noch eine 4K Ultra HD Blu-ray und ein 24-seitiges Booklet, indessen alles Weitere den o.a. regulären Ausgaben entspricht.