Josefin Asplund, Alexej Manvelov, Gustav Lindh, Jessica Grabowsky, Mahmut Suvakci
Stockholm, Schweden: Auf einer Feier in einem edlen Restaurant reicht der Inhaber und Geschäftsführer seines Wirtschaftsimperiums, Carl Johann Schale (Dag Malmberg), die Leitung des Konzerns an seinen Sohn Philip (Björn Elgerd) weiter und übergibt ihm zu diesem Zweck symbolisch die eigene, kostbare Armbanduhr. Alle anwesenden Gäste erheben das Glas und trinken auf seinen Nachfolger im Amt des Konzernchefs, der in Gesellschaft seiner Verlobten Stephanie Palmstjerna (Felice Jankell) gekommen ist und ihr die schöne Uhr zeigt… Obwohl es bereits spät am Abend ist, sitzt die Rechtsanwältin Emily Jansson (Josefin Asplund) noch in ihrem Büro der Wirtschaftskanzlei Leijon & Partners, der sie seit 5 Jahren angehört und wo sie sich selbst Hoffnung auf eine Partnerschaft macht. Die Kanzlei ist mit allen Rechtsangelegenheiten rund um den Schale-Konzern betraut und zählt das mächtige Unternehmen zu seinen wichtigsten Kunden. Aktuell stehen relevante Transaktionen an, und Emily Jansson ist neben Henrik Swift (Christian Hillborg), Magnus Hansen (Peter Gardiner) und Daniel Bane (Joel Spira) dem Team zugehörig. An ihrem Laptop verfolgt sie mit Interesse die aktuellen Nachrichten zum Machtwechsel in dem schwedischen Konzern. Indessen feiert Philip Schale mit Stephanie sowie mit Freunden und Geschäftspartnern ausgelassen, ohne dabei allzu fröhlich zu wirken. Nach einem Telefonat verlässt er die Festivität und begibt sich im Mantel in die eisige Nacht, wo er in Richtung des Hafens läuft…
„Die Serie entfaltet sich als unterkühlter Nordic-noir-Stoff, der (…) zwei Welten porträtiert, (…) in denen (…) eine knallharte, patriarchalisch geprägte Haifisch-Mentalität und eine gnadenlose Hackordnung herrschen“, fasst es Felicitas Kleiner für filmdienst.de zusammen. Nun kennt man derlei zur Genüge. Folglich bedürfte es einiger Finesse und einer originellen Geschichte, um aus dem Kielwasser möglicher Klischees herauszukommen. Doch zu Beginn kann man die Vorbilder so gut wie kaum irgendwo sonst erkennen. Das in Hidden Agenda – Staffel 1 im Kontext der schwedischen Hauptstadt segregierte Milieu serbischer Clans entspricht deutlich der Darstellung des irischen Mobs in der US-Serie City On A Hill – Season 1 (USA 2019), welche ein Jahr vor der Premiere dieser schwedisch-deutschen Koproduktion zu sehen war. Autoren und Regisseure haben sich womöglich inspirieren lassen. Oder es ist ein Zufall, der einem zeigt, wie eng benachbart all die zeitgenössischen Kriminalserien sind. Auch in Details zeigen sich Inspirationsquellen: so ist ein Entführungsopfer direkt vor der Nase der Detektive auf der Suche nach ihm in einer Garage versteckt, was mich an Die Brücke – Transit in den Tod - Staffel 1 (SWE/DNK 2011) denken ließ. Andererseits beruht das Drehbuch der 8 Episoden von 10 (!) verschiedenen Autoren auf dem Roman Topp Dogg (auf Deutsch 2019 als Kreuzverhör) von Jens Lapidus, der schon für Daniél Espinosas Neo Noir Easy Money – Spür die Angst (SWE/GER/DNK/FRA 2010) die Vorlage (EA 2006) geliefert hatte. Als der neue Geschäftsführer eines Konzerns, Philip Schale, plötzlich verschwindet, hat das sowohl für die Welt der Hochfinanz als auch für die organisierte Kriminalität in der Stadt Folgen. Anwältin Emily Jansson und der nach zehn Jahren aus der Haft entlassene Najdan “Teddy“ Maksumic (Alexej Manvelov) müssen bei der Suche nach ihm wohl oder übel kooperieren.
Der Schriftsteller Jens Lapidus ist selbst Rechtsanwalt, und womöglich aus diesem Grund ist die Darstellung der Arbeit in der Wirtschaftskanzlei Leijon & Partners und des Betriebsklimas wunderbar gelungen. Nicht so richtig geglückt ist die Beziehung des wegen Entführung und Mordes zu 10 Jahren Haft verurteilten Najdan Maksumics zur Gefängniswärterin Sara Eriksson (Jessica Grabowsky), die in seiner Zelle mit ihm intim und von ihm schwanger wurde. Sara lässt sich versetzen, wechselt in den Polizeidienst und bekommt eine Tochter. Najdan wird gewalttätig, erhält nochmals 4 Jahre aufgebrummt, doch nach seiner Entlassung will er mit ihr leben, Sara aber nicht mit ihm, usw. All das ist klischeehaft, wirkt konstruiert, zumindest in der Serie. Allerdings muss man letzterer zugestehen, dass sie ab der dritten Folge Fahrt aufnimmt und die Puzzlestücke der Geschichte sich langsam verknüpfen. Anders gesagt: Der geduldige Zuschauer, den es am Anfang braucht, wird belohnt. Die Erzählung gewinnt an Spannung, die Charaktere runden sich, und die Darstellerinnen und Darsteller können überzeugen. Insofern gibt es von mir knapp vier Sterne und für Freunde des Nordic Noir allemal eine Empfehlung es mit Hidden Agenda – Staffel 1 einfach mal zu versuchen.
Via Edel Motion gibt es unterm “deutschen“ Titel Hidden Agenda – Lapidus‘ Roman heißt Topp Dogg und folglich erschien die Serie in englischer Übersetzung weltweit als Top Dog – in Kooperation mit ZDF Neo und ZDF Enterprises eine deutsche 2-DVD-Edition (2020) mit den acht Episoden in hochwertiger Bild- und Tonqualität, ungekürzt und im Originalformat und mit jeweils dem schwedischen Originalton oder der deutschen TV-Synchronisation, die allerdings missraten ist und teils unfassbar banale Dialogpassagen liefert. Immerhin serviert man eine Ausgabe mit deutschen Untertiteln und das ist wiederum erfreulich. Die im internationalen Vergleich biedere und fade Gestaltung der 2-DVD ist dagegen ein Schlag ins Wasser; auch Extras gibt es keine. Alles in allem nicht sensationell, doch dank der beinhalteten UT trotzdem sorgsam editiert.