Alan Ladd, Gail Russell, William Bendix, June Duprez, Lowell Gilmore
© Paramount Pictures Corporation
Eine zweimotorige Propellermaschine der Fluglinie CIIAC landet auf dem Flugfeld des Luftwaffenstützpunkts bei Dinjan, Assam, Indien. Der US-amerikanische Pilot Bill Cunningham (John Whitney) ruft Elmer (Beal Wong), einem Bediensteten des Bodenpersonals, vom offenen Cockpitfenster aus zu, dass dessen Leute sich mit dem Entladen der Fracht beeilen sollen, denn er werde in Kalkutta erwartet. Von dem hiesigen Funker David (Bruce Wong) lässt sich Cunningham mit seinen Kollegen Neale Gordon (Alan Ladd) und Pedro Blake (William Bendix) verbinden, die mit ihrer Maschine über den Naga Hills auch in Richtung Dinjan unterwegs sind. Cunningham kündigt an, dass er selbst weiter nach Kalkutta müsse und Blake und Gordon am nächsten Dienstag seine dortige Party bitte nicht verpassen sollten. Kurz darauf fällt bei den Piloten überm Hochgebirge der rechte Motor aus. Blake und Gordon müssen ihre Ladung abwerfen und bereiten sich auf eine Notlandung vor. Immer tiefer sinkt das Flugzeug, doch dank seines Geschicks gelingt es Neale Gordon das Flugzeug auf einem Feld sicher zum Stehen zu bringen. Per Funk bittet er um einen Mechaniker und um eine Kurbelwelle, und Bill Cunningham persönlich sichert ihm beides zu. Es ist Nacht, als Blake und Gordon, die mit indischen Helfern das Triebwerk bereits ausbauten, Cunninghams Maschine im Anflug aufs Stoppelfeld sichten und auf eine Reparatur hoffen dürfen. Indessen die Mechaniker arbeiten, beschließen die drei Freunde im nahen Dinjan ein Bier zu trinken…
“You said, you were crazy about me.” – “Not that much.” In dieser Hinsicht kann ich Neale Gordon in der Verkörperung durch Alan Ladd ohne Wenn und Aber zustimmen. Die Femme fatale der Geschichte namens Virginia Moore mag hübsch sein, schließlich wurde Darstellerin Gail Russell aus keinem anderen Grund in eine Laufbahn als Filmschauspielerin gedrängt, aber sie ist keine Femme fatale. Die seit Kindestagen unter Schüchternheit leidende und in Hollywood von einem an Soziophobie grenzenden Lampenfieber geplagte Gail Russell ist über jedes Maß nervös, – ständiges Händeringen galt als ihr vorherrschender Tick – so dass sie den Zuschauern eher leidtun kann. Die 21-jährige (der Film wurde 1945 gedreht, kam aber erst im April 1947 ins US-amerikanische Kino) porträtiert Virginia Moore als verängstigtes, haltloses Mädchen, und ihre Chemie mit Alan Ladd geht gegen Null. Dass der eisgekühlte Tough Guy Neale Gordon, als der sich Ladd in Anlehnung an Dick Powell und Humphrey Bogart präsentiert, trotz ihres Aussehens zu der völlig instabilen Moore in Liebe entbrennt, ist einfach dämlich. Pilot Neale Gordon ist ein misogyner Macho und selbstherrlicher Kolonialist, der keine Gelegenheit auslässt, allen und jedem seine Überlegenheit und Geringschätzung spüren zu lassen. Kurzum, der Kerl ist unsympathisch bis ins Mark und kann es problemlos mit Dick Powells Johnny O’Clock (USA 1947) aufnehmen. Einmal abgesehen davon, dass die von Die Spur des Falken / Der Malteser Falke (USA 1941) inspirierte Handlung an jedem anderen Ort hätte stattfinde können, wirkt das in den Studios der Paramount Pictures inszenierte Kalkutta nicht sonderlich indisch. Es spiegelt allgemein das Flair einer orientalischen Hollywood-Kulisse und könnte ebenso als Algier, Casablanca oder Bagdad durchgehen.
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“The miscasting of Gail Russell is the most obvious problem with Calcutta (…) John Farrow’s direction and John Seitz’s cinematography are competent yet uninspired”, schlussfolgert Mark Fertig für Where Danger Lives und markiert damit die offensichtlichen Mängel des Films. Neben der Dramaturgie in einer Stadt Kalkutta ohne einheimische Bevölkerung außer Handlangern und Dienstboten ist das Drehbuch allzu offensichtlich von seinen Vorbildern inspiriert und in der Entwicklung seiner Kriminalhandlung teils lächerlich. Neale Gordon dringt des Nachts unbehelligt in einen Hangar des Flughafens ein und findet im Nu, wonach er sucht, indessen er von einem Killer (Charles Stevens) beobachtet wird. Der stellt sich beim Versuch den Ahnungslosen zu überwältigen so blöd an, dass der unbewaffnete Gordon nicht nur ihn in die Flucht schlägt, sondern auch die gefundene Schmuggelware einfach mitnimmt. Viele Motive und Beziehungen zwielichtiger Figuren wirken konstruiert und inkonsistent. Folglich verschwinden manche irgendwann sang- und klanglos aus dem Film. Neben besagtem Killer hören die Juwelierin Mrs. Smith (Edith King), ihre plumpe Sydney-Greenstreet-Kopie ist ebenso ein Tiefpunkt des Films, und der Ganove Mul Raj Malik (Paul Singh), der einzige Inder mit einem Namen, auf mitzuwirken, ohne dass ihre Charaktere und deren Treiben im Kontext der Geschichte relevant erschienen. Gail Russell bekämpfte schon mit 21 ihre Soziophobie mit Alkohol, der erst ihre Karriere und im Alter von 36 Jahren ihr Leben vorzeitig beendete. Die Biografien weiterer Beteiligten nahmen ebenfalls eine tragische Wendung: Alan Ladd beging mit 50 Jahren Selbstmord. Lowell Gilmore starb mit 53, William Bendix mit 58. Bendix und Ladd traten 1946 noch in George Marshalls fulminantem Film Noir Die blaue Dahlie (USA 1946) auf. Danach entschied man sich bei Paramount, auch den 1945 gedrehten Kalkutta (Premiere war im Dezember 1946 in London, England) in den USA ins Kino zu bringen.
Eine Blu-ray disc (2020) der Kino Lorber Studio Classics in der 3-BD-Box Film Noir: The Dark Side Of Cinema IV beinhaltet das Werk bild- und tontechnisch restauriert, ungekürzt und im Originalformat inklusive des englischen Originaltons und mit englischen Untertiteln. Als Bonus bietet die Edition neben dem Kinotrailer noch einen detaillierten Audiokommentar des Filmjournalisten Nick Pinkerton. Es gibt eine italienische DVD (2015) der A&R Productions S.a.s. mit dem Film in ebenfalls guter Bild- und Tonqualität - Tonspuren auf Englisch und Italienisch und optional italienische Untertitel. Auch in den USA gibt es Calcutta via Kino Lorber Studio Classics als Einzelausgabe auf einer DVD (2020) und zwar mit der auch für die BD genutzten, neu restaurierten Fassung.