John Carroll, Vera Ralston, Robert Paige, Broderick Crawford, Henry Travers
New York: Es ist spät am Abend, kurz nach 23:00 Uhr, als George MacAllister (John Carroll) in Mantel und Hut und mit Zigarette im Mundwinkel die Straße entlang zum Eingang der Slauson Apartments geht. Er klingelt und entsteigt kurz darauf vom Treppenhaus in das von Lichtschächten gekrönte oberste Stockwerk, wo mit der Nummer 14 versehen das angestrebte Apartment liegt. Hier klopft MacAllister an, aber niemand reagiert, also dreht er den Knauf und öffnet die unverschlossene Wohnungstür selbst. Er tritt ein, zieht die Tür hinter sich ins Schloss: sofort darauf sind kurz hintereinander zwei Schüsse zu hören. Die Tür öffnet sich, der Gast tritt hervor, auf dem Teppich hiner ihm liegt ein Toter. George MacAllister blickt sich im weiträumigen Korridor um, zieht sein Etui mit Zigaretten und will sich eben eine anzünden, als ein weiterer Schuss zu hören ist und MacAllister vor Schmerz kurz zusammenzuckt. Er hält das Streichholz an die Zigarette, blickt sich um, sieht den Arm des Sterbenden mit dessen Revolver sinken und zieht die Tür hinter sich zu, bevor er von dannen geht. Als er auf die Straße tritt, ist keine Viertelstunde vergangen und mit seinem 1946-er Buick Roadmaster fährt George MacAllister nun in Richtung der eigenen Behausung. Aber schon hat er die Polizei auf den Fersen, wird gestoppt, und vor den Augen von Schaulustigen auf dem Boulevard fragt ihn ein Police Officer (Eddie Dunn), ob er wirklich gedacht habe, dass er am heutigen Silvesterabend mit einer solchen Raserei sich selbst und anderen einen Gefallen täte…
Die in Prag, Tschechoslowakei, gebürtige Vera Helena Hruba war in Jugendjahren eine Einskunstläuferin, die 1936 die Olympiade in Berlin besuchte und mit 18 Jahren aus ihrer von deutschen Truppen besetzten Heimat nurmehr knapp in die USA entkam. Dort trat sie 1941 und 1942 in zwei Hollywoodproduktionen als Eiskunstläuferin auf und bekam (unterm Künstlernamen Vera Ralston) einen Vertrag als Schauspielerin bei dem als Autokraten gefürchteten Herbert J. Yates und dessen Filmstudio Republic Pictures. Bereits ab 1944 trat Ralston in Hauptrollen in Erscheinung, im Alter von 24 Jahren in dem von Regisseur John H. Auer inszenierten und mit John Carroll, Robert Paige und Broderick Crawford als männlichen Co-Stars besetzten Film Noir The Flame. Kein Rezensent des Films spiegelt meine eigenen Eindrücke des Werks und der Leistung Vera Ralstons als Hauptdarstellerin so punktgenau, wie es Dr. Lokke Heis in seinem Blog gelingt: "Twenty minutes into this film, I was thinking: What director did she date to get this role? Forty minutes into the film, I was thinking: What studio executive did she marry to get this role?” Lokke Heis stellt selbst fest, dass die Vermutung, der er nachhing, bevor er sich über Vera Ralstons Biografie informierte, der Wahrheit verblüffend nahekommt. Denn 1948 verließ Studioboss Herbert J. Yates nach 47 Jahren Ehe seine Frau Petra, mit der er vier Kinder hatte, um sich der 43 Jahre jüngeren Geliebten Vera Ralston zu widmen, die er 1952 heiratete. Zwischen 1944 und 1958 trat Vera Ralston in über 20 Produktionen von Republic Pictures auf, viele davon als Yates’ persönliche Prestigeprojekte mit einem für das Studio großen Budget ausgestattet. Film um Film wurde ein Flop, denn das US-amerikanische Publikum wollte die mit starkem Akzent sprechende und als Schauspielerin völlig untalentierte Ralston partout nicht als Filmstar akzeptieren. Letzteres sollte sie nach dem Willen des unsterblich in sie verliebten Yates aber werden, den sein Starrsinn 1959 die Kontrolle über das eigene Studio kostete, als die Aktionäre ihm das Vertrauen entzogen und Republic Pictures aufhörte Filme zu produzieren.
Was in The Flame, dessen Drehbuch von Lawrence Kimble auf einer Erzählung Robert T. Shannons basiert, die ihrerseits von Henry James‘ Roman Wings Of A Dove (EA 1902, auf Deutsch 1962 als Die Flügel der Taube) inspiriert scheint, an Talent verpulvert wird, ist kaum zu glauben. Die Drehorte und Reggie Lannings Arbeit als Kameramann sind teils exquisit. Nebendarsteller wie Constance Dowling oder Victor Sen Yung liefern ihrerseits nuancierte Leistungen ab. Einzelszenen, in denen Vera Ralston nicht mitspielt, sind teilweise grandios, etwa ein Auftritt der Nachtclubsängerin Helen Anderson (Constance Dowling), der zwar explizit von Charles Vidors Gilda (USA 1946) und Rita Hayworth in ihrer Paraderolle abgekupfert und doch wunderbar inszeniert ist. All das hilft aber nichts. Vera Ralston, die hier in einer Rolle für eine Schauspielerin vom Rang Barbara Stanwycks agiert, ruiniert mit ihrem wahlweise ausdruckslos faden oder laienhaft inkompetenten Schauspiel den ganzen Film. Im letzten Drittel ist eine Szene, darin ein spiritueller Moment von religiöser Inbrunst für Charlotte Duval (Vera Ralston) zum lebensentscheidenden Wendepunkt wird, kaum auszuhalten, so übertrieben und stümperhaft zugleich gerät den Beteiligten die Sequenz. Selbst Broderick Crawford als Erpresser und John Carroll als schwarzes Schaf einer angesehenen Familie reißen es am Ende nicht raus. The Flame, ein als A-Produktion maskierter B-Film, ist bis heute teils beeindruckend und zugleich eine Riesenenttäuschung, denn sogar Finale und Schluss sind bloß lachhaft und eines Film Noirs unwürdig.
Obwohl heute viele Film Noirs der klassischen Ära in hochwertigen Editionen vorliegen, gibt es bis dato (2023) weltweit keine BD- oder DVD-Edition des Films, der online in bild- und tontechnisch exquisit restaurierter Fassung, ungekürzt mit dem Originalton (ohne Untertitel) und im korrekten Bildformat zur Verfügung steht.