Adam Sandler, Lakeith Stanfield, Julia Fox, Kevin Garnett, Idina Menzel
Die Welo-Mine in Äthiopien im Herbst 2010: Unter dem Geschrei seiner Kollegen wird ein am Bein schwer verletzter Minenarbeiter (Mesfin Lamengo) herbeigetragen. Indessen die in Eile hinzukommenden Manager (Liang Wei-Hui-Duncan, Sunny Wu Jin Zahao) versuchen den Tumult eizudämmen, kehren zwei der Arbeiter (Deneke Muhugeta, Habtunu Africho) unbemerkt in den Schacht zurück. Mit Taschenlampen, Hammer und Meißel gerüstet, schlagen sie aus einer Felswand einen Opal, denn das ist, wonach in der Mine gesucht wird… Im Frühjahr 2012 lässt der New Yorker Juwelier Howard Ratner (Adam Sandler) in der Praxis Dr. Blaumanns (Warren Finkelstein) seinen Dickdarm auf mögliche Tumore und Polypen untersuchen. Wieder auf der Straße telefoniert er hektisch mit seinem Mitarbeiter Yussi (Maksud Agadjani), der sich im Augenblick in Ratners Juwelierladen KMH in New Yorks Diamond District und in Gesellschaft der Schläger Phil (Keith William Richards) und Nico (Tommy Kominik) befindet, die Freunde von Arno Moradian (Eric Bogosian) sein sollen. Letzterer ist Howards Schwager und ein Kredithai, bei dem Ratner, notorisch spiel- und wettsüchtig, mit 100.000 US-Dollar in der Kreide steht. Als Howard den Laden betritt, ist dort auch sein Lockvogel Demany (Lakeith Stanfield) mit dem Rapper Ca$h Out, der sich für einige Schmuckstücke und Uhren interessiert. Howard bietet Arnos Geldeintreibern wider ihren Willen Wasser an, und plötzlich versetzt ihm Phil vor aller Augen eine Ohrfeige…
Die Brüder Benny und Josh Safdie legen als Autoren und Regisseure im Anschluss an ihren Neo Noir Good Time (USA 2017) mit Der schwarze Diamant einen zweiten Film vor, der sich mit dem wohl verbreitetsten Virus westlicher Zivilisation befasst, mit der Geldgier. Hier sind sie alle infiziert und bei Howard Ratner, Inhaber eines Juwelierladens, Familienvater und Angehöriger einer traditionellen jüdischen Großfamilie, hat sich die Krankheit so tief in die Eingeweide gefressen, dass sie seine Persönlichkeit und Identität vollends bestimmt. Die unaufhörliche, rastlose Jagd nach dem Mammon herrscht über sein Leben und zugleich dasjenige aller, die mit ihm in Kontakt stehen, denn Howard Ratner denkt an nichts anderes und er redet über nichts anderes, und das Reden ist seine Natur und ist sein Begriff von Arbeit. So finden sich die Zuschauer über eine Spielzeit von über zwei Stunden dem Feuerwerk eines Schwätzers ausgesetzt, der stets und ständig die Welt und sich selbst davon in Kenntnis setzt, wie er mit dem nächsten Wetteinsatz, mit einem letzten Coup, mit seinem unfehlbaren Plan in Kürze und höchstwahrscheinlich schon morgen einen unvorstellbaren Gewinn einstreichen und für den Rest seiner Zeit sorgenfrei leben wird. Dafür müsste er allerdings die Gläubiger, deren Atem er von Minute zu Minute im Nacken spürt und die ihm auf der Straße auflauern, endlich ausbezahlen, und er müsste die Trümmer seines Privatlebens, darin Ehefrau und Kinder in ihm den notorischen Verlierer erkennen, zusammenkehren und mit seiner (über 20 Jahre jüngeren) Angestellten und Geliebten Julia De Fiore (Julia Fox) zusammenziehen. Aber “Howie“ ist wettsüchtig und taumelt in Zuckungen seines von der Hatz nach dem Geld wie eine Marionette geschüttelten Körpers von einer grotesken Fehlentscheidung zur nächsten. Was immer er anpackt, missglückt ihm, weil er unaufhörlich Risiken eingeht, die er mit Lügen bemäntelt, bis sein Kartenhaus in sich zusammenfällt und Howard Ratner unter sich begräbt. Mit Daniel Lopathins elektronischem Soundtrack und energetischen Songs der Rapper Meek Mill, The Weeknd, Kendrick Lamarr und Rich Home Quan gerät Der schwarze Diamant zu einer Tour de Force, die man durchzustehen von vornherein geneigt sein muss.
“That's a million-dollar opal you're holding. Straight from the Ethiopian Jewish tribe. I mean this is old-school, Middle-earth shit.“ Versteckt im Gedärm eines Hochseelachses gelangt der Opal aus Äthiopien in die Hände Howard Ratners, der überzeugt ist, dass jener ihm 1 Million US-Dollar einbringen wird. Weil bei Ankunft des Edelsteins zufällig auch Basketballstar Kevin Garnett bei KMH anwesend ist und den Stein, den er als einen Glücksbringer einstuft, besitzen möchte, leiht ihm Ratner, der das Objekt bereits bei einem Auktionshaus anmeldete, den Opal für das am Abend anstehende Spiel, indessen er Garnetts Ring der 2008 NBA Championship als Pfand akzeptiert. So nimmt das Unheil seinen Lauf… Zu sehen und zu hören, was Howie in ununterbrochener Folge an Lügen und Halbwissen von sich gibt, ist so amüsant wie enervierend. Nach der ersten halben Stunde war ich nahe daran abzuschalten und bin froh, es nicht getan zu haben. In der zweiten Hälfte zeigt der Film seine dunkle Seite, sind mir persönlich auch das Finale und der Schluss zugunsten seines Publikums zu sehr abgemildert. Hier hätte ich mir ein Fazit gewünscht, dass den Irrsinn eines Materialismus‘, der sogar Familienbande zersetzt, noch konsequenter und ohne Gewinner zur Schau stellt. Adam Sandler ist herausragend und auch die Vielzahl der Laiendarsteller verleiht dem Werk einiges an Authentizität – Tilda Swinton ist übrigens nur zu hören, nicht zu sehen. Nachdem mir Good Time (USA 2017) zu kokett dem Zeitgeist erlegen war, haben die Gebrüder Safdie mit Der schwarze Diamant ein biestig eigenwilliges Werk geschaffen, das (nicht nur) Freunden des Neo Noirs zu empfehlen ist.
In den USA erschien der Film via Artisan / Lionsgate Films als BD- und auch als DVD-Edition (2020, RC 1), ungekürzt und im Originalformat mit der original englischen Tonspur, bild- und tontechnisch einwandfrei, dazu mit der 31-minütigen Dokumentation Money On The Street: The Making of Uncut Gems als einzigem Bonus. In Europa gibt es den Film via Netflix, d.h. mit verschiedenen Synchronisationen und inklusive Untertiteln. Ich empfehle unbedingt das englische Original, ggf. untertitelt, denn ein Gutteil der Qualität läuft hier explizit über einen unübersetzbaren Sprachwitz.