Byung-hun Lee, Min-a Shin, Yeong-cheol Kim, Jung-min Hwang, Roe-ha Kim
Als ein Schüler einst den Meister fragte, ob die Zweige des Baumes sich von selbst oder vom Wind bewegt würden, so der Erzähler Sun-woo Kim (Byung-hun Lee), antwortete dieser, dass deren Bewegung von seinem Herz und seinem Geist verursacht werde… Im kunstvoll beleuchteten Restaurant des Hotels Crown sitzt Sun-woo Kim, die vor Ort fürs Grobe zuständige rechte Hand des Gangsters Präsident Kang (Yeong-cheol Kim) und isst ein Dessert. Ein Kellner eilt herbei und informiert den jungen Herrn, dass er im kleinen Speisesaal benötigt werde, weil es Ärger gäbe. Sun-woo nimmt noch einen Löffel vom edlen Schokotörtchen und geht dann flotten Schrittes durch die Gänge des Hotels bis in den Keller, wo neben Wäscherei und Lagerräumen auch jene Etablissments gelegen sind, die an besondere Kunden vermietet werden. Aus einem Aufenthaltsraum winkt er sich den Angestellten Ming-ji (Jin Goo) herbei, der ihn bei dem Vorhaben unterstützen soll. Im kleinen Speisesaaal sitzen drei Ganoven aus der Bande Präsident Baeks (Jung-min Hwang). Als Sun-woo und Ming-ji eintreten, verbeugen sie sich vor den Gästen und Sun-woo macht ihnen klar, dass sie sofort gehen müssten und er dafür bis drei zähle. Als die Gangster ihre Frist tatenlos verstreichen lassen, kommt es zu einem kurzen, erbitterten Kampf, aus dem Sun-woo und Ming-ji als Sieger hervorgehen. Zurück im Restaurant telefoniert Sun-woo mit Mr. Kang und informiert ihn, dass er das Restaurant für heute schließen und gleich morgen das Geld überweisen werde…
“Der Regisseur macht gar keinen Hehl daraus, dass er sich wenig um eine komplexe Story und Charaktertiefe schert“, schreibt André Schiemer in einer Rezension für Moviebreak.de und hat inhaltlich auch sonst einiges auszusetzen – lahmes Erzähltempo, unglaubwürdig motivierter Protagonist – um dem Film wegen seiner Kameraarbeit, des Soundtracks und eines blutigen Showdowns à la John Woo eine Empfehlung auszusprechen. Mir reichte das bei weitem nicht. Nach dem Genuss von zeitgleich in Südkorea erschienen Neo-Noir-Thrillern, die wirklich großartig sind, etwa Memories Of Murder (KOR 2003) oder A Dirty Carnival (KOR 2006), ist A Bittersweet Life ein dünnes Süppchen. Alle Schauspieler liefern solide Leistungen ab, doch niemand sticht heraus. Sun-woo Kim, rechte Hand des Mobsters Präsident Kang, soll dessen Geliebte Hee-soo (Min-a Shin) beschatten. Doch die beiden entwickeln nicht die geringste Chemie miteinander. Allein deshalb fällt schwer zu glauben, dass der sieben Jahre lang zutiefst loyale Killer plötzlich weich wird, nur weil er ihrem Cellospiel lauscht und bei einer Orchesterprobe zuschaut. Der Film behauptet es nicht explizit, ließe auch jede andere Deutung zu, bietet aber für diese über den Handlungsverlauf entscheidende Wendung keine Alternative an. Lediglich zwei buddhistische Parabeln, die Sun-woo Kim, der sie auch vorträgt, eine Aura unergründlicher Weisheit verleihen sollen, werden zu Beginn und am Filmende eingestreut und von Erinnerungsfetzen begleitet – alles möglichst vage und nicht sonderlich kohärent. Kurzum, mich hat’s nicht ansatzweise überzeugt und auch nicht sonderlich berührt. Zudem verschwindet See-hoo, die Sun-woo Kim überhaupt nicht zugeneigt ist und einen anderen liebt, nach 38 Minuten praktisch aus dem Film. Die unter sich bleibenden Gangster sind die üblichen Abziehbilder, ein Rollencharakter klischeehafter als der vorherige, und sie sind einzig dazu da, um in einem Blutbad von Finale unterzugehen.
“The film is filled with cliches (…), starting with the script and continuing with the characters”, resümiert Panos Kotzathanasis für Hancinema komplementär zum Zitat André Schiemers, nur ist seine Schlussfolgerung weniger schmeichelhaft. Die mit großem Budget in Szene gesetzte Produktion lässt viele Sequenzen zu Kompositionen kunstvoller Bildsprache reifen, wofür Kameramann Ji-yong Kim 2005 mit dem bekanntesten koreanischen Filmpreis, dem Blue Dragon Award ausgezeichnet wurde. Kino aus Hongkong, Südkorea, Japan und China hat seit jeher ein Faible für den Stellenwert der Bildästhetik. Seit den 80ern zeichnet es sich durch eine oft grandiose Kinematografie aus. Der Rest des in seiner Dramaturgie soliden Rachethrillers A Bittersweet Life ist banal. Indessen viele auch harte Filmwerke aus Fernost mitunter tagelang nachwirken, provozierte der Abspann bei mir ein Achselzucken und fertig. Das blutige letzte Drittel erweist sich mit Blick auf die vielen Bestnoten für das Werk durch Filmkritiker und Publikum allemal als massenkompatibel. Sowohl Regisseur Jee-won Kim als auch Hauptdarsteller Byung-Hun Lee zog es in der Folge wiederholt nach Hollywood. So führte Kim bei dem No-Brainer The Last Stand (USA 2010) mit Arnold Schwarzenegger Regie, indessen Lee u.a. in G.I. Joe – Die Abrechnung (USA 2013) auftrat. Solcher Hang zu kommerziell einträglichem Mainstream und zum Action-Einerlei zeigt sich bereits in A Bittersweet Life, der nach meiner Ansicht aus genannten Gründen extrem überbewertet ist.
Sowohl von der Kinofassung als auch vom leicht veränderten Director’s Cut gibt es gleich mehrere bild- und tontechnisch exzellente deutsche BD- (2012 / 2020 / 2021) und DVD-Editionen (2006 / 2008 / 2021) von der Splendid Film GmbH. Dabei gab es im Grunde schon 2006 mit Veröffentlichung der 2-DVD im Steelcase eine Ausgabe des Director‘s Cuts, die technisch kaum noch verbessert wurde, ungekürzt und im Originalformat mit der (nicht empfehlenswerten) deutschen Synchronisation und mit der original koreanischen Tonspur, dazu optional deutsche Untertitel, mit einem Making of samt Audiokommentar, geschnittenen Szenen, einem Audiokommentar von Jee-woon Kim und einem von Darstellern und Filmcrew, sowie weiterem Bonusmaterial als Extras.