Beverly Michaels, Richard Egan, Percy Helton, Evelyn Scott, Robert Osterloh
© United Artists Corporation
Mit einem Überlandbus der National Trailways Bus System erreicht Billie Nash (Beverly Michaels) eine Kleinstadt irgendwo im Mittleren Westen der USA. Bei einem Angestellten der Buslinie (Robert B. Williams) erkundigt sie sich nach Möglichkeiten preiswert ein Quartier zu finden und der Mann empfiehlt ihr die Gary Street. Kurz darauf betritt Billie die Pension von Mrs. Walters (Bernadene Hayes) und wird dabei von dem ältlichen, korpulenten Charlie Borg (Percy Helton), der im Ladenlokal zur Straße hin eine Schneiderei betreibt, neugierig in Augenschein genommen. Gelangweilt von der ihr bekannten Routine, begutachtet Billie Nash das schäbige Zimmer, das ihr Mrs. Walters mit überschwenglichem Lob für sich selbst beschreibt, bevor sie für die Miete der laufenden Woche die letzten sechs US-Dollar kassiert, die Billie aus ihrer Börse fischt. Kaum ist Mrs. Walters aus der Tür sieht sie sich mit einem Seufzer um und zieht dann ihr tragbares Grammophon auf, darauf sie eine Schallplatte mit einem Jazzstück namens One Night in Acapulco spielen lässt. Barfüßig lümmelt sich Billie Nash auf ihrem Lehnsessel und nimmt einen letzten Schluck aus einer Flasche mit Bourbon, bevor sie sich eine Zigarette ansteckt und in einem Journal über Astrologie zu lesen beginnt… Es wird bereits dunkel, als der schmierige Charlie Borg die Treppe emporsteigt und aus der offenen Tür zu Billies Zimmer den gleichen Jazztitel hört. Von der Schwelle aus wünscht er ihr einen „Guten Abend!“, doch Billie bleibt routiniert kühl…
“Isn't that just like a man. Anything they want to do is all right. But, a woman, that's different.“ Clarence Greene und Russell Rouse blickten im Jahr 1953 auf eine vierjährige Partnerschaft als ein Duo von Drehbuchautoren zurück und hatten mit Opfer der Unterwelt (USA 1949) und Stadt in Aufruhr (USA 1951) bereits zwei Klassiker des Film Noirs initiiert. Bei dem zweiten der genannten Werke wurde Rouse zum ersten Mal als Regisseur aktiv und Greene verlegte sich auf die Rolle des Produzenten, was auch beim Nachfolgewerk Hände weg, Jonny! der Fall ist. Letzterer ist für seine Zeit unfassbar trist und trostlos. Er erzählt die Geschichte eines Vagabundin, wasserstoffblond, gut gebaut, arbeitslos und nicht mal sonderlich hübsch, die alles versucht, um sich vom “American Dream“ ein paar Krümel aufzuklauben und von einer Kleinstadt zur nächsten ihrem wiederholten Scheitern entflieht. Nachdem Sie in einer lokalen Nachtbar mit Imbiss anheuerte, beginnt sie eine Affäre mit Inhaber Matt Bannister (Richard Egan), dessen Ehefrau Dora (Evelyn Scott) die Billie ursprünglich anheuerte. Aber Dora ist wie ihr Vater, usprünglich Inhaber des Lokals, stark dem Alkohol zugeneigt, und Billie versucht den tief wurzelnden Konflikt der Eheleute zu ihren Gunsten zu nutzen und auf Doras Kosten mit Matt nach Mexiko zu fliehen… War die Femme fatale in den 40er Jahren, als sie von Barbara Stanwyck, Lizabeth Scott oder Lauren Bacall dargestellt worden war, eine edel gekleidete Lebedame mit salonfähigen Manieren, wandelt sie sich mit Beverly Michaels zum Flittchen. Bereits Rita Hayworth in Die Lady von Shanghai (USA 1947) oder Marie Windsor in Force Of Evil (USA 1948) hatten bei der Kunst der Verführung den Aspekt der Sexualität ins Zentrum gerückt. Aber erst mit Beverly Michaels in Aufgelesen (USA 1951), Marilyn Monroe in Versuchung auf 809 (USA 1952) und Peggie Castle in Der Richter bin ich (USA 1953) legte das Versprechen von zügelloser Sexualität ohne Bindung und ohne Reue seine bürgerliche Maskerade gänzlich ab. Gerade weil sie vulgär sind, werden sie für die von ihren Lockungen angezogenen Männer à la Matt Bannister unwiderstehlich.
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“Wicked Woman is a wonderfully sordid, low-budget film noir, one that features just a little bit of everything“, schreibt Lisa Marie Bowman in ihrem Blog Through The Shattered Lens und weist so darauf hin, dass sich der Film von Rouse und Greene nicht auf den Voyeurismus begrenzt, der seinerzeit sicher einiges an Publikum ins Kino führte. Vielmehr lässt uns das Panoptikum der erschöpften, freudlosen und um jeden Dollar kämpfenden Kleinbürger noch heute die stumpfe Leere ihres alltäglichen Einerleis spüren, darin Sex jenseit von Whiskey und Zigaretten das einzige und das letzte Mittel eines Entkommens zu sein scheint. Es bleibt bemerkenswert, wie zäh, fade und freudlos das Leben von Frau und Herr Jedermann in diesem Film anzuschauen ist, so dass ich fast erstaunt darüber bin, welchen Unterhaltungswert sich die renommierte Edward Small Productions zu Beginn der 50er Jahre davon versprochen hat. Beverly Michaels heiratete zwei Jähre später den Autor und Regisseur Russell Rouse und beendete ihre Filmkarriere schon 1956, nach 14 Auftritten in B-Filmen. Eine große Darstellerin war sie nie, aber ihre Verkörperung der Billie Nash in dem ebenso dunklen wie schmierigen Stück Filmgeschichte, das selbst alles andere als ein Meisterstück darstellt, ist an und für sich perfekt.
Bis dato gibt es weltweit keine einzige BD oder DVD des Films, lediglich Bootlegs werden online angeboten. Im Januar 2019 lief Hände weg, Jonny! unterm Originaltitel Wicked Woman in exzellenter Bild- und Tonqualität auf dem internationalen Filmfestival NOIR CITY in San Francisco.