Michael Fassbender, Penélope Cruz, Cameron Diaz, Javier Bardem, Brad Pitt
© Twentieth Century Fox Film Corporation
Ein Motorradfahrer (Richard Cabral) ist von Mexiko aus mit aberwitziger Geschwindigkeit auf dem Weg in die Außenbezirke von El Paso, Texas. Hoch über der Stadt liegen der wohlhabende Counselor (Michael Fassbender) und seine Freundin Laura (Penelopé Cruz) um 2 Uhr nachmittags noch im Bett. Es ist eine für die beiden selbst überraschende Liebe, die sie zueinander bringt und auch heute, da der Counselor am Abend nach Amsterdam fliegen wird, enorm erregt… In Ciudad Juaréz, Mexiko, befüllen Arbeiter in einer Halle einen Tanklaster mit Benzinfässern voller Kokain, die sie in den aufgerissenen Transporttank des Lkws einstellen, bevor sie dessen Dach wieder vollständig zu schweißen und die Nähte unter einer frischen Lackierung verschwinden lassen. Der Truck wird von seinen Fahrern (César Aguirre, Daniel Holguin) über staubige Landstraßen in Richtung der Grenze zu den USA gesteuert, wo illegale Einwanderer sich mit ihrer Habe im Koffer auf den Weg in eine bessere Zukunft begeben… Der reiche Drogendealer und Nachtclubbesitzer Reiner (Javier Bardem) verbringt die Zeit mit seiner Muse Malkina (Cameron Diaz) in Weiten der Pampa, wo er Malkinas Jaguars Silvia und Raoul bei der todbringenden Jagd auf Feldhasen zusieht. Vom Dach eines Porsches verfolgt die Frau das anregende Schauspiel der Jagd, indessen Reiner sie umgarnt und von ihrer Kälte nicht unbeeindruckt bleibt. In Amsterdam tritt der Counselor in den Laden eines Diamantenhändlers (Bruno Ganz) für erlesene Stücke…
“You don’t think that’s a bit cold?“ – “I think truth has no temperature.” Wie dunkel und kompromisslos dieser Film seiner Thematik und seinen Figuren folgt, wird erst mit dem Ende einer Schlusssequenz deutlich, die perfekt geschrieben und perfekt inszeniert ist. The Counselor ist für Film-Noir- und Neo-Noir-Liebhaber und nicht für Leute auf der Suche nach dem nächsten Adrenalinkick in der Action-Fahrrinne eines Blockbuster-Thrillers. Ich war darauf gefasst, diesen Film abzulehnen. Die Weltstars in der Besetzungsliste, sein Regisseur und die vernichtenden Kritiken sprachen für eine weitere A-Produktion eines großen Filmstudios, die im Spannungsfeld von Zeitgeist und Schema F fürs Massenpublikum schlicht untergeht. Aber das Gegenteil ist der Fall. Der Film senkt sich in die Sprachbilder seines Drehbuchs und erweckt sie zum Leben. Pulitzer-Preisträger Cormac McCarthy (The Road, EA 2006) ist einer der schonungslosesten US-Schriftsteller seiner Generation. Im Originaldrehbuch für The Counselor fokussiert er die Frage: Was passiert, wenn Handlungs- und Entscheidungsträger in Machtpositionen jedwedes ethische und moralische Erbe der Menschheitsgeschichte über Bord werfen? Die zentralen Figuren in The Counselor sind mächtig. Ihre Macht verdanken sie ihrem Reichtum und ihrem Wissen. Der Zuschauer erlebt sie im Zentrum ihrer Macht und sieht auch diejenigen am Ende der Nahrungskette. Die zentralen Figuren in The Counselor sind nicht alle vollends amoralisch. Aber nur diejenigen überleben unbeschadet oder überleben überhaupt, die sich ihrer Zweifel am eigenen Tun entledigt haben und zwar vollständig entledigt. In einer Schlüsselszene des Films geht Malkina zum ersten Mal in ihrem Leben zum Zweck der Beichte in die Kirche. Ihr Antrieb ist die reine Neugier. Malkina ist weder katholisch noch überhaupt christlich oder gläubig. Sie hat in keiner Weise Interesse an Absolution. Als dem Priester (Edgar Ramírez) hinterm Anschein einer harmlosen Konversation dämmert, mit welchem Dämon er es zu tun bekommt, verlässt er beinahe fluchtartig den Beichtstuhl und weist die Frau aus dem Gotteshaus.
The Counselor ist ein brillantes Puzzle, das sich ausschließlich aus solchen Bruchstücken zusammensetzt. Der Film widersetzt sich bewusst der herkömmlichen Dramaturgie des zeitgenössischen Thrillers. Er fordert seine Zuschauer zum Zuhören heraus. Jene Dialoge seines Autors Cormac McCarthy sind so scharf geschliffen wie solche in den besten Film Noirs der klassischen Periode. Seine fragmentierte Narration spielt den jeweiligen Wissensvorsprung seiner Akteure aber auch gegen die Zuschauer aus. Letztere müssen sich anstrengen, allen Winkelzügen der Kontrahenten zu folgen. Die Komplexität der Vorgänge im Schattenreich der Drogenkartelle ist nicht minder intransparent wie jene hoch spezialisierten Funktionsweisen der Betriebs- und Volkswirtschaften auf ihrem Sockel rechtsstaatlicher Grundlagen. Manch einer mag monieren, dass wir die Figuren nur in ihrer abgeschotteten Kältezone illegaler Geschäftsvorgänge erleben. Wir hoffen, dass der Counselor (= Rechtsberater) mit seiner großen Liebe Laura den Weg in die Sicherheit großbürgerlichen Sonnenscheins zurückfindet - unangetastet von den Geistern, die er rief. Aber der schlaue Westray (Brad Pitt), der seine Seele vor langer Zeit verkaufte, belehrt den Verführten früh eines Besseren. Im zugespitzten Verteilungskampf des Turbokapitalismus‘ degeneriert der aller moralischen Prinzipien ledige Mensch zu wirren Privatphilosophien. Diejenige Malkinas ist ein primitives Surrogat, diejenige Jefes (Rubén Blades) scheinbar so poetisch wie bestechend klar. Beide sind nicht abgründig sondern selbst der Abgrund, darüber der Mensch in gnadenloser Selbstüberhöhung jenseits aller Grenzen frei scheint. Ridley Scotts The Counselor ist ein unheimlicher Film. Sein Unheimliches ist Malkinas “Wahrheit“, die er für einen Augenblick dem Zuschauer enthüllt, der geradewegs ins Angesicht der Bestie blickt.
Exzellente BD- und DVD-Editionen (2014) der Twentieth Century Fox Film Corporation mit dem Film ungekürzt im Originalformat, die original englische sowie je eine deutsche, französische und türkische Tonspur, dazu optional englische, deutsche, holländische, arabische oder türkische Untertitel, ein paar geschnittene Szenen und den Kinotrailer als Extras. Unbedingt ansehen!