Rudolf Fernau, Maria Holst, Dorothea Wieck, Margarete Haagen, Mila Klopp
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© Verlag für Filmschriften Christian Unucka
Köln am 7. November 1912: In einem Friseursalon lässt sich der Arzt Dr. Alexander Jordan (Rudolf Fernau) einen falschen Bart ankleben. Am Hauptbahnhof kauft er eine Zeitung und steigt damit in den Zug nach Wiesbaden. Es ist die Stadt, wo seine Schwägerin Leonie Leborius (Maria Holst) und seine Schwiegermutter (Margarete Haagen) stets unter einem Dach leben. Dort angekommen, begibt sich Dr. Jordan in den Stadtpark, wo er auf einer Parkbank Zeitung lesend auf den Einbruch der Dämmerung wartet. Um acht Uhr begegnet er auf einer einsamen Straße zwei Damen, die darüber erschrecken, wie er aus dem einsetzenden Nebel in den Lichtschein der Gaslaternen tritt, zumal sie ihn nicht kennen. Kurz darauf klingelt im Haus Leborius das Telefon und die verwitwete Schwiegermutter nimmt den Anruf entgegen. Alexander Jordan täuscht vor, dass er ein Mitarbeiter vom Hauptpostamt sei und bittet, das Original einer Depesche aus Paris noch heute Abend vor Ort abzuholen. Frau Leborius ist unschlüssig, denn ihre Haushälterin ist mit Einkäufen befasst und ihre Tochter bei einer befreundeten Familie zum Tee. Doch der Anrufer bleibt unerbittlich. Schon morgen müsse wegen der ominösen Depesche das Untersuchungsergebnis vorliegen… Indessen übt Leonie Leborius mit Freunden und Freundinnen zum Klavier den One-Step, einen neuartigen Gesellschaftstanz, den sie von ihrem Aufenthalt in Paris nach Wiesbaden mitbrachte. Aber ihre Mutter holt sie ab und gemeinsam gehen die Frauen nun in Richtung der Oberpostdirektion, als die Witwe auf einer Brücke plötzlich die Schritte eines Verfolgers hört…
Warum wird diesem dunklen Drama mit seinen deutlichen Anleihen beim Film Noir bis heute nicht die Aufmerksamkeit gezollt, die ihm gebührt? Dass ein solcher Film im Jahr 1949 kaum ein Publikum fand, fällt nicht schwer vorzustellen. Weit mehr als der herkömmliche Kriminalfilm mit seiner Frage nach dem Täter, die auch hier im Mittelpunkt steht und für die Atmosphäre und den Handlungsverlauf dennoch zunehmend zweitrangig wird, geht es in Mordprozess Dr. Jordan um die ganz individuellen Folgen eines Mordfalls, das bittere Schicksal eines vollends einsamen Mannes zwischen Liebe, Schuld und Hoffnung. Autor und Regisseur Erich Engels (Die Dame in Schwarz, GER 1951) und sein Hauptdarsteller Rudolf Fernau (Die Nacht der Zwölf, GER 1949) hatten bereits zuvor zusammengearbeitet - beide waren auch im Dritten Reich in der Filmproduktion tätig gewesen. Produziert wurde Mordprozess Dr. Jordan von der seit 1948 aktiven Comedia-Filmgesellschaft mbH, an der federführend auch Heinz Rühmann beteiligt war. Das Drehbuch beruhte wiederum auf dem historischen Fall des Juristen Carl Hau, der allerdings 1906 in Baden-Baden und nicht 1912 in Wiesbaden stattgefunden hatte. Solcher war bereits in dem Stummfilm Karl Hau - Träger eines Menschenschicksals (GER 1926) erstmals verarbeitet worden und bildete zudem die Grundlage für Jakob Wassermanns Roman Der Fall Maurizius (EA 1928). Erich Engels und sein Co-Autor Wolf Neumeister, die vorher und nachher meist für leichte Unterhaltung zuständig waren, vollbringen das Kunststück, in nur 86 Minuten eine komplexe und ausschweifende Handlung unterzubringen, ohne ihren Film skizzenhaft oder gar fragnentiert erscheinen zu lassen. Besondere Aufmerksamkeit und auch Anerkennung gebühren dem Kameramann Werner Krien, der wie in Helmut Käutners Epilog - Das Geheimnis der Orplid (GER 1950) für die Bilderwelten eines vom Expresionismus der Vorkriegsjahre geprägten deutschen Film Noirs verantwortlich zeichnet, wie er in den Folgejahren jedoch keine Schule machen sollte.
Exzellente DVD-Ausgabe (2011) der 3L Vertriebs GmbH & Co KG in deren Reihe Klassiker der Moderne mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch hochwertig restauriert, dazu den original deutschen Ton ohne Untertitel und das Ganze (leider) auch ohne Extras.