Christian Bale, Woody Harrelson, Casey Affleck, Forest Whitacker, Willem Dafoe
Braddock, Pennsylvania: In einem Autokino sehen Harlan DeGroat (Woody Harrelson) und seine Begleiterin (Dendrie Taylor) spät am Abend einen Film, als deGroat die Tür öffnet und sich übergibt. Er verlangt den Hot Dog der Frau, wirft ihn aus dem Fenster und zwingt sie, eine Zigarre zu schlucken, was ein benachbarter Besucher (Carl Ciarfalio) mitbekommt. Jener steigt aus und fragt nach, ob alles okay sei. Harlan steigt seinerseits aus, prügelt den Mann bewusstlos, zerrt seine Begleiterin aus dem Wagen und lässt sie dort liegen, indessen er vor den Augen der bestürzten Umstehenden davonfährt… Es ist Morgen und Russell Baze (Christian Bale) beendet seine Schicht im örtlichen Stahlwerk. Auf der Fahrt nach Hause entrdeckt er den Wagen seines Bruders Rodney (Casey Affleck) vor einem Wettbüro, stoppt und geht hinein. Rodney ist ein Veteran des Irak-Krieges, vier Male kämpfte er dort als Soldat für die US-Armee, aber in seiner Heimatstadt ist er arbeitslos. Von dem dubiosen Barbesitzer John Petty (Willem Dafoe) hat sich Rodney 1500 US-Dollar geliehen und sie soeben bei einem Pferderennen verloren, für das ihm Petty einen Tipp gab. Russell ist nicht begeistert und gibt Rodney den Rat, sich nicht mit Petty auf Geschäfte einzulassen. Am nächsten Morgen muss Russell früh aufstehen, doch seine Freundin Lena (Zoë Saldaña) will ihn erst nicht ziehen lassen. Auf dem Weg zur Schicht besucht er seinen todkranken Vater (Bingo O’Malley), dem die lebenslange Arbeit im Stahlwerk die Gesundheit ruinierte…
“Auge um Auge“ - der deutsche Verleihtitel (…) klingt nach klassischem Rachethriller: alttestamentarisch, ebenso markig wie simpel. Mit Coopers unterschwellig brodelndem Neo-noir-Streifen “Out of the Furnace“ (…) hat das allerdings nur wenig zu tun“, schreibt Stefan Volk für die Berner Zeitung und attestiert dem Film ein gelungenes Portrait einer von Armut und Zerfall geprägten USA abseits der glamourösen Hollywood-Klischees, wie sie den Großteil der US-Filmproduktion prägen. Ja und nein, lässt sich kommentieren, denn Scott Cooper verpasst trotz bester Ausgangslage seinen Neo Noir als in diesem Sinne aus einem Guss zu präsentieren. Die erste Stunde ist schlicht großartig, ein Fünf-Sterne-Film, und besonders das von Volk benutzte „brodelnd“ trifft es. Mit einer Darstellerriege, die sich im Dienst ihrer Rollen zu Höchstleistungen aufschwingt, bleibt das Drama in der Spur klassischen Erzählkinos und frei vom Klamauk zeitgenössischer Actionfilme und Thriller. Cooper nimmt sich Zeit für seine Charaktere, lässt uns am Spektrum der Emotionen, darin sie sich verstricken und die sie verbinden, voll teilhaben. Russells und Rodneys innige Beziehung zu ihrem Vater, Lenas und Russells Liebe, der Stellenwert Onkel Geralds (Sam Shephard) und der von John Petty, obendrein Russells Arbeitsethos und die Leere Rodneys - alles kommt zu seinem Recht, nichts bleibt außen vor, und das ist für diese erste Stunde schon eine Menge. Auch Woody Harrelsons Harlan DeGroat ist kein eindimensionaler Schurke, vielmehr so schillernd, als illuminiere ihn die Mixtur all der Drogen und Alkoholika, die er zu sich nimmt, von innen. Aber je mehr das Element der Rache im letzten Drittel in den Fokus rückt, desto vorhersehbarer wird der weitere Handlungsverlauf und desto mehr treten die fein gesponnenen Fäden des Auftakts in den Hintergrund. Das wird vor allem durch die Figur des Polizeibeamten Chief Wesley Barnes (Forest Whitacker) deutlich, der mit Abstand konturlosesten und fadesten Figur des Films. Genau ihr kommt in der Schlussphase viel zuviel Bedeutung zu. Zwar bleibt der Film (bis zum Beginn des Finales) gut, großartig ist er nun aber nicht mehr.
“I gave my life for this country and what's it done for me? Huh? What's it done for me?” Es dürfte nicht einfach sein, die Desillusionierung, die fast allen Charakteren dieses Films in völlig unterschiedlicher Weise innewohnt, noch weiter zu treiben. Der stets junge Veteran des Irak -Kriegs unter US-Präsident George Bush ist eine fast archetypische Film-Noir-Figur, komplentär zu all jenen im Innersten vewundeten und vernarbten Veteranen, die das Reportoire der Rollencharaktere in den Vierzigern und Fünfzigern nach dem Zweiten Weltkrieg ausmachten. Russell Baze ist ein Antiheld, der noch verliert, wenn es scheinbar längst nichts zu verlieren gibt. Archaisch ist sein und aller Leben in einem Landstrich, dessen Niedergang durch eine in letzten Zuckungen befindliche Stahlindustrie an ein Post-Doomsday-Szenario gemahnt. Das Schauspiel ist sicher durch die Bank erstklassig. Allerdings wundert es mich, inwieweit genau das bis heute als eine so besondere Errungenschaft aktuellen US-amerikanischen Neo-Noir-Kinos hervorgekehrt wird. Womöglich haben wir uns durch einheimische TV-Produktionen dergestalt an die Standards schlechten Schauspiels gewöhnt, dass im Kontrast die Klasse Bales, Dafoes, Afflecks oder Shepards extrem hervorsticht. Obwohl ich das Finale als enttäuschend und sogar klischeebeladen erlebte, ist Auge um Auge - Out Of The Furnace ein Film, den man nicht so schnell vergisst. Daher sind vier Sterne und eine klare Empfehlung an die Freunde des Neo Noirs verdient.
Erstklassige BD- und DVD-Editionen (2014) der Universal Pictures Germany GmbH mit dem Film ungekürzt im Originalformat, Tonspuren wahlweise auf Englisch oder Deutsch, optional deutsche Untertitel, der Kinotrailer und ein Making Off als Extras.