Neo Noir
| USA
| 2003
| Gary Ellis
| Armand Assante
| Marco St. John
| Norman Reedus
| Dagmara Dominczyk
Bewertung
****
Originaltitel
Tough Luck
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
2003
Darsteller
Norman Reedus, Armand Assante, Dagmara Dominczyk, Rick Negron, Marco St. John
Regie
Gary Ellis
Farbe
Farbe
Laufzeit
86 min
Bildformat
Widescreen
© I-On New Media GmbH
Ein Kaleidoskop von Bildern seiner Vergangenheit schießt Archie LeFontaine (Norman Reedus) durch den Kopf, als er aus einer Schusswunde blutend in einem Cabriolet zum Stehen kommt, auf dem Beifahrersitz einen Metallkoffer voll mit Geldscheinen im Wert von jeweils 100 US-Dollar. Im Rückspiegel sieht er, dass ein rotes Coupé heranrollt, aus dem Charlie (Marco St. John) und Rafael (Rick Negron) aussteigen und zu ihm kommen. Archie atmet schwer und hat die Fotografie eines Babys in der Hand, als neben ihm Charlie mit einer Pistole auftaucht und auf seinen Kopf zielt… Ein Jahr zuvor: Archie besucht in New Orleans ein Casino, betrügt beim Spiel und wird mit seinem Gewinn von zwei Aufsehern Richtung Ausgang gejagt. Sodann wird Archie geschnappt, nach draußen befördert, wo ihm Rafael, der Inhaber des Spielcasinos, von seinen Schergen die Wange aufschlitzen lässt… Der gezeichnete Gauner treibt sich noch eine kurze Zeit in der Stadt herum, lebt von Taschendiebstählen, bis es ihn eines Abends nach Mandeville, Louisiana, verschlägt, wo er auf Ike’s Amazing Carnival, einem festen Rummelplatz, seine Betrügereien fortsetzt. Doch damit kommt er bei Charlie nicht durch, der ihn zusammen mit dem Feuerschlucker Borachov (George McArthur) verfolgt. Unbemerkt flieht Archie in die Vorstellung der Schlangenbeschwörerin Miss Divana (Dagmara Dominczyk). Sie wirft ihm einen interessierten Blick zu, bevor sie verschwindet, doch da wird Archie von hinten gepackt. Und schon hat Charlie sein Messer gezückt…
“I run a clean operation here, Archie. I don’t allow thieves.“ Gary Ellis’ Neo Noir Tough Luck fand keinen Verleih und damit nie einen Weg ins Kino. Diverse internationale DVD-Editionen, die den Film ab Februar 2004 seinem Publikum anvertrauten, taten so ziemlich alles, um schon via Covergestaltung deutlich zu machen: „Das ist ein mieser B-Film voller schlechter Darsteller und mit einer armseligen Bildgestaltung, daher bitte auf keinen Fall kaufen und ansehen!“ Ich habe selten einen Film dieser Güte gesehen, der so auffallend schlecht vermarktet wurde wie Tough Luck. Auch das Cover seiner deutschen DVD-Edition (2005) der I-On New Media GmbH, das es obendrein als Pappschuber gab, ist völlig missglückt und reiht sich zu den anderen, unansehnlichen Ausgaben weltweit. Es macht deutlich, wie sehr die Distribution von Filmwerken auch von einem pointierten Marketing abhängt, das seine Produkte dem Markt schmackhaft macht. Tough Luck sieht wie billigstes Junkfood aus, ist es aber nicht. Die Autoren Todd King und Bill Boatman haben ein Skript verfasst, dessen narrative Struktur mit den darin versteckten Manövern der Täuschung samt einer Femme fatale in deren Zentrum explizit im klassischen Film Noir wurzelt. Natürlich sind auch Neo-Noir-Werke wie David Mamets Haus der Spiele (USA 1987) und Stephen Frears Grifters (USA 1991) weitere Inspirationsquellen gewesen. Aber Tough Luck lebt nicht allein von den Einflüssen, die sich darin widerspiegeln, sondern zeigt in Form und Inhalt durchaus eigene Wesenszüge.
© I-On New Media GmbH
Viel tragen dazu auch die Schauplätze bei, vor allem die auf Ike’s Amazing Carnival, der von Sarah Cawleys Kamera bei Tag und bei Nacht intensiv ausgelotet wird. Die Shows und Apparaturen, die Buden und Stände und natürlich das Personal und sein Publikum verleihen dem Film von Anbeginn reichlich Flair. Aber auch die Darstellerriege mit Armand Assante, Norman Reedus und Dagmara Dominczyk als Trio Infernale zeigt eine gute Chemie und hebt das Niveau der Produktion deutlich. Zuletzt sorgen Gary Ellis’ stringente Regie, die sich sowohl den Rollenharakteren ihre Zeit einräumt als auch die Verwicklungen der Handlung vorantreibt, sowie eine unaufdringliche Musikbegleitung von Hal Ketchum, Feel, Nemesis, Tamara Walker, etc. für einen Film, der nie ins Stocken gerät und damit langweilt. Tough Luck ist sicher kein verstecktes Meisterwerk, dazu gibt es der Twists am Schluss einen zuviel, so dass der aufmerksame Zuschauer sich erinnern mag, dass es dazu der einen oder anderen Wendung nicht bedurft hätte, was die Logik des Ganzen etwas trübt, allerdings nicht aushebelt. Doch wenn man bilanziert, was viele Hollywoodproduktionen ihrem Publikum zumuten, ist bedauerlich, dass solcher Independentfilm von einigem Schauwert so sang- und klanglos unterging, nachdem die Kritik ihn völlig ignorierte und Filmvertriebe ihn schlecht vermarkteten. Meilenweit von jeder Art „Kultstatus“ entfernt, sei Tough Luck den Liebhabern des Neo Noirs hiermit allemal empfohlen.
Technisch gute DVD-Edition (2005) der I-On New Media GmbH mit dem Film ungekürzt im Originalformat, englische und deutsche Tonspur, optional deutsche Untertitel, dazu ein Behind The Scenes (auf Deutsch), einen englischen und einen deutschen Trailer als Extras.