Neo Noir
| International
| 1977
| Jun'ya Satô
| Broderick Crawford
| George Kennedy
| Hiroyuki Nagato
| Kôji Tsuruta
| Toshirô Mifune
| William Sanderson
Bewertung
***
Originaltitel
Ningen no shômei
Kategorie
Neo Noir
Land
JPN/USA
Erscheinungsjahr
1977
Darsteller
Yûsaku Matsuda, Mariko Okada, George Kennedy, Mizuho Suzuki, Toshirô Mifune
Regie
Jun'ya Satô
Farbe
Farbe
Laufzeit
133 min
Bildformat
Widescreen
New York: Der mittellose Farbige Johnny Hayward (Joe Yamanaka) erhält von dem reichen Unternehmer Lionel Adams (Rick Jason) 6000 US-Dollar ausbezahlt. Er kauft sich neue Kleidung, besucht ein Reisebüro von Japan Airlines und lässt sich per Taxi nach Harlem fahren, wo er in einer ärmlichen, von Maria (Theresa Merritt) verwalteten Mietskaserne ein Apartment bewohnt. Johnny ist heute bester Laune und ruft Maria zum Abschied “Kiss me!“ zu, bevor er sich von dem gleichen Taxi zum Flughafen bringen lässt und eine Maschine nach Tokio besteigt… Im Royal Hotel in der Innenstadt von Tokio hat die renommierte Modedesignerin Kyoko Yasugi (Mariko Okada) eine abendliche Präsentation ihrer neusten Kreation. Großteils farbige Models zeigen zu schwarzem Soul die Modeschöpfungen einer erfolgreichen Frau, die zugleich die Gattin des mächtigen Politikers Yohei Kori (Toshirô Mifune) ist. Indessen erreicht der Fahrstuhl die 42ste Etage des Hotels, wo die Modeschau stattfindet. Und während die Leute aussteigen, bleibt Johnny Hayward an die Rückwand gelehnt stehen, bevor er mit einem Messer in der Brust tot umfällt. Die Polizei unter Leitung von Inspector Tadahiro Yamaji (Mizuho Suzuki) ist schnell zur Stelle und der junge Detective Koichiro Munesue (Yûsaku Matsuda) lässt es sich nicht nehmen, Stockwerk für Stockwerk übers Treppenhaus empor zu steigen. Aber niemand im Royal Hotel scheint den aus den USA eingereisten Touristen jemals gesehen zu haben oder ihn zu kennen…
“How could anybody hate Harlem?“ Ein ungewöhnlicher und heute in Vergessenheit geratener Film, der womöglich erstklassig hätte ausfallen können, es aus verschiedenen Gründen aber nicht ist. In Tokio geschieht ein Verbrechen und die Fäden der Ermittlungen reichen über Jahrzehnte hinweg in die Vergangenheit aller Beteiligten, zu denen sich überraschend auch Detective Koichiro Munesue mehrfach in eine persönliche Beziehung gesetzt findet. In der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er Zeuge, wie sein Vater von US-Soldaten brutal zusammengeschlagen wurde und an den ihm beigebrachten Verletzungen starb… Es geht um Rassismus und Gewalt in der Geschichte der japanisch-amerikanischen Beziehungen, um die Erinnerung an Schicksalsschläge, derer die Rollencharaktere nicht Herr werden und die ihr Leben stets bestimmen. So lässt sich Munesue dazu verleiten, nachts in einer Bar in Harlem eine Reihe Farbiger zu verprügeln, die ihm nicht die gewünschten Antworten präsentierten, während er sich zugleich außerstande sieht, an jenem Mann Rache zu üben, von dem er weiß, dass er am Tod seines Vaters seinerzeit eine Mitschuld trug. Die Szene verursacht beim Zuschauer einiges an Unwohlsein, der in Tod im Fahrstuhl ohnehin kaum strahlende Helden sondern durchweg gebrochene und einsame Gestalten erleben muss, ob diese nun bettelarm oder steinreich sind. In dieser Hinsicht zeigt sich der Film pointiert, überzeugt er durch eine nicht alltägliche Sichtweise auf eine selten beleuchtete Ecke der neueren Geschichte.
Die Kriminalhandlung erweist sich mit Blick auf die Indiziensuche und deren Auffinden teils als lachhaft. So steht “Kiss me!“ allen Ernstes als (grundlos) verschlüsselter Hinweis auf die japanische Region „Kirizumi“ und “Si-to-ha“ wird mit Bezug auf den spanischen Akzent des Ermordeten (der eben in Spanisch Harlem lebte) als “straw hat“ gedeutet. Beides erweist sich aus Sicht der Aufklärung des Falls dann prompt als richtig. Auch an anderen Stellen muss der hartgesottene Cineast beide Augen zudrücken, um die Handlungszusammenhänge zu schlucken, vor allem sofern sie das Kreuzen der Schicksalslinien des japanischen Detectives Munesue, des New Yorker Polizeibeamten Ken Shuftan (George Kennedy) und der Modedesignerin Kyoko Yasugi betreffen. Zudem fallen die darstellerischen Leistungen unterschiedlich aus. Kennedy sehe ich immer gern, aber für seine 52 Jahre wirkt er hier mächtig abgehalftert und leidenschaftslos. Vor allem ist der 65jährige Film-Noir-Veteran Broderick Crawford (Skandalblatt, USA 1952) als Police Captain O’Brien gerade noch ein Schatten seiner selbst. Toshirô Mifune ist nur zweimal zu sehen; Yûsaku Matsuda ist gut, aber eindimensional und ein Tough Guy vom Reißbrett. Das höchste Niveau zeigt die Wahl der Schauplätze. Die Urbanität New Yorks wird mit einer Bildsprache eingefangen, die selbst US-Produktionen jener Jahre hinter sich lässt und Kameramann Shinsaku Himeda als Meister seines Fachs zeigt. Tod im Fahrstuhl ist ein sehenswerter Film - als Zeitkapsel und als thematisch außergewöhnlich. Mit einem sorgfältiger ausgearbeiteten Skript und einer hochkarätigen Besetzung bis in die Nebenrollen hätte er jedoch besser geraten können.
Es gibt von Kadokawa Video, Hongkong, eine sehr gute DVD-Edition im Pappschuber, die den Film in seiner ungekürzten Fassung von 133 Minuten zeigt (die US-Fassung war mies synchronisiert und massiv gekürzt), den Originalton (Japanisch-Englisch) als Tonspur, optional chinesische oder englische Untertitel, den Kinotrailer als Extra. In Deutschland ist diese Ausgabe nicht erhältlich.