Film Noir
| USA
| 1948
| Frank Borzage
| Charles Lane
| Dane Clark
| Harry Cheshire
| Harry Morgan
| Houseley Stevenson
| John Harmon
| Lloyd Bridges
| Gail Russell
Bewertung
***
Originaltitel
Moonrise
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1948
Darsteller
Dane Clark, Gail Russell, Ethel Barrymore, Allyn Joslyn, Rex Ingram
Regie
Frank Borzage
Farbe
s/w
Laufzeit
90 min
Bildformat
Vollbild
Woodville, Virginia: Nachdem sein Vater Jeb Hawkins aufgrund eines Mordes aus Rache am Galgen endete, wächst der kleine Daniel (Stephen Peck) bei seiner Tante Jessie (Selena Royle) auf. In der Schule muss er dem Spott seiner Mitschüler begegnen, allen voran dem von Jerry Sykes (Tommy Ivo), Sohn des örtlichen Bankiers J.B. Sykes (Harry Cheshire), dem er über die Jahre in nahezu jedem Boxkampf unterliegt… Noch als Erwachsene sind Daniel (Dane Clark) und Jerry (Lloyd Bridges) stets Rivalen. An dem in den Sümpfen gelegenen Brothers Pond steht eine Tanzbühne, wo unter Leitung von Ken Williams (David Street) eine Jazzband zum Tanz aufspielt. Eines Nachts ist Jerry betrunken und die Lehrerin Gilly Johnson (Gail Russell), die mit ihm verlobt ist, doch von Daniel abgöttisch geliebt wird, lässt ihn auf der Tanzfläche zurück. Daniel sucht im umliegenden Wald die Aussprache mit Jerry, der seinerseits darauf besteht, dass „Danny“ sich von Gilly endlich fernhalte. Als Jerry Daniel erneut mit der Hinrichtung seines Vater provoziert, kommt es einmal mehr zu einem Faustkampf, der diesmal auch von Daniel mit reichlich Hass und aller Härte geführt wird. Jerry ergreift einen Stein, mit dem er auf Danny einstürmt, doch der entwendet ihm die Wafe und schlägt wie besinnungslos auf den Angreifer ein. Als er Minuten später wieder zu sich kommt, muss Daniel Hawkins feststellen, dass er Jerry Sykes tatsächlich getötet hat. Er schleppt dessen Leiche in eine benachbarte Blockhütte und versteckt sie…
“Daylight coming in the morning / Hangman waiting on this dawn / Rope hanging from the gallows / Death waiting for my bones…” Auf der Veranda seiner Blockhütte singt Mose Jackson (Rex Ingram) den Blues-Song Lonesome aus der Feder von Theodore Strauss, zugleich Autor der Romanvorlage Moonrise (EA 1946). Erbe des Henkers ist einer der Filme, die man als Cineast auf Gedeih und Verderb gut finden will, weil so vieles in seiner Rezeptur bewusst hochwertig ist. Rex Ingram spielt Mose, einen Farbigen im US-amerikanischen Süden, der kein Dienstbote oder sonst eine unbedeutende Figur sondern ein zentraler, vielschichtiger Charakter ist. Der 53jährige Mose ist neben dem taubstummen Billy Scripture (Harry Morgan) für den weißen Daniel Hawkins, einen orientierungslosen und von seiner Vergangenheit geplagten jungen Mann, so ziemlich der einzige Freund. Unterm Mantel der Kriminalgeschichte verbirgt sich in Erbe des Henkers ein Plädoyer für die Außenseiter der US-Gesellschaft, eine Laudatio auf alle mit ihrem Schicksal hadernden Einzelgänger. Außer Mose zeigt das auch die Schullehrerin Gilly Johnson, die sich nach anfänglichem Zaudern und Zögern von dem reichen Bankierssohn Jerry Sykes lossagt und sich zu ihrer Liebe zu Daniel bekennt. Und obwohl sie um dessen geringes Ansehen und um die Gefahr für ihren „Ruf“ weiß, will vor allem Gilly die Verbindung schon bald nicht geheim halten. Auch Allyn Joslyn als Sheriff Clem Otis, der seine Pappenheimer nicht nur kennt sondern sie auch schätzt, liefert die überzeugende Darstellung eines scharf konturierten Rollencharakters. Sowohl Theodore Strauss als auch Frank Borzage landeten – ebnso wie die Darstellerin Selena Royle - auf der Schwarzen Liste des Komitees für unamerikanische Umtriebe (HUAC) und hatten jeweils eine lange Zeit mit einem Berufsverbot zu kämpfen.
Bis 10 Minuten vor Schluss hält der Film sein Niveau und auch die Kameraarbeit John L. Russels (Psycho, USA 1960) zeigt sich den Anforderungen gewachsen, etwa bei einer Fahrt im Riesenrad, da sich Hawkins von Sheriff Otis verfolgt wähnt, eine Schlüsselszene des Films. Aber das Finale und der Schlussakt enttäuschen auf ganzer Linie, erweisen der zeittypischen Hollywood-Politik ihren Tribut und lassen den Film als Erzählung auf Grund laufen. Nun gibt es einige Film Noirs, wo im Schlussteil mit einem Himmel voller Geigen der Freund dieses Filmstils am liebsten in die Tischkante beißen möchte, so im Fall von Charles Vidors Gilda (USA 1946) oder in Analogie zu Erbe des Henkers auch bei Anatole Litvaks Die lange Nacht (USA 1947). Solche Werke beweisen über den Großteil der Strecke viel Potential. Doch fehlt der Mut zum konsequenten und den Zuschauer überzeugenden Abschluss, sei der nun tragisch oder nicht, und lässt sie in der Bewertung somit abfallen. Zu guter Letzt hatte Erbe des Henkers auch für die Hauptdarsteller keine für jeweils deren Karrieren förderlichen Auswirkungen. Dane Clark drehte in der ersten Hälfte der Fünfziger noch einige Film Noirs, vor allem in Europa, bevor er beim Fernsehen landete. Die hübsche Gail Russell ruinierte ihre Laufbahn schon bald mit exzessivem Alkholismus. Bereits 1961 starb sie im Alter von nur 36 Jahren an einem Herzinfarkt - neben Veronica Lake, Barbara Payton und Jayne Mansfield eine weitere tragische Figur ihrer Zeit.
Der Film ist erstaunlicherweise bis heute nicht als BD oder als DVD erhältlich, obwohl in den USA inzwischen viele obskure Film-Noir-Titel erschienen und auch online mehrere Fassungen in guter Qualität greifbar sind.