An einem Freitag um halb zwölf…

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
An einem Freitag um halb zwölf…
Kategorie
Post Noir
Land
GER/FRA/ITA
Erscheinungsjahr
1961
Darsteller

Nadja Tiller, Peter van Eyck, Jean Servais, Ian Bannen, Rod Steiger

Regie
Alvin Rakoff
Farbe
s/w
Laufzeit
98 min
Bildformat
Widescreen

 


 

 

Die am Mittelmeer gelegene Hafenstadt Marseille, Bouches-du-Rhône, im Südosten Frankreichs: In dem im ersten Stock gelegenen Hinterzimmer einer Bar sitzen die Ganoven Frank Morgan (Rod Steiger), Ed Bleck (Peter van Eyck), Gypo (Jean Servais) und Kitson (Ian Bannen) um einen Tisch beim Poker. Morgan verliert und Bleck fragt ihn, warum er denn heute so schlecht spiele, ob ihm womöglich etwas anderes im Kopf herumgehe. Unvermittelt fragt der Angesprochene, ob sie gern 1 Millionen US-Dollar verdienen wollten. Sie müssten es sich nur nehmen, es sei allerdings nicht leicht, womöglich ihr schwierigster Coup. Es geht um den Überfall auf einen Geldtransporter, der noch nie überfallen wurde, weil das Modell als absolut sicher und nicht zu knacken gilt, doch Morgan denkt, dass es möglich wäre. Jeden Freitagmorgen startet der Wagen im Auftrag der Universal Express Agency mit einer Millionen US-Dollar in Bargeld zu dem im Inland in Lieux gelegenen Stützpunkt der US-Armee. Würde man ihn anhalten, schlössen sich stählerne Rollläden vor den Fenstern und die Alarmanlage sendete einen Funkspruch an die Polizei in Marseille. Aber gesetzt den Fall, auf der einsamen Landstraße nach Lieux würde eine junge Frau neben ihrem in Brand gelegen Sportwagen liegen? Was täten die Geldkuriere im Transporter? Womöglich hielten sie an, der Beifahrer stiege aus, um nachzusehen, und in dem Moment müssten sie zuschlagen und die beiden überwältigen. Doch welche Frau, fragt ihn Bleck, würde hier mitmachen wollen…

 

„Wenn Du mich fragst, wir sind doch alle in dieser Hölle geboren. Wir verbringen unser ganzes Leben damit, uns aus ihr heraus zu strampeln.“ Der britische Kriminalsschriftsteller James Hadley Chase war seit den späten 40er Jahren mit Adaptionen seiner Buchvorlagen im europäischen Film-Noir-Kino verrtreten. St. John Legh Clowes‘ König der Unterwelt (UK 1948), Terence Fishers Erpresserin (UK 1952) oder Denys de La Patellières Luzifers Tochter (FRA/ITA 1957) basierten auf seinen Romanen, und das tut Alvin Rakoffs An einem Freitag um halb zwölf... ebenfalls: eine Verfilmung des Romans The World In My Pocket (EA 1959, auf Deutsch 1961 als An einem Freitag um halb zwölf). Die deutsch-französisch-italienische Co-Produktion wurde seinerzeit als deutscher Thriller “internationaler Klasse“ vermarktet, und neben Drehorten in Südfrankreich bot man vor und hinter der Kamera dafür eine ungewöhnliche Zusammenstellung von Personen und Persönlichkeiten auf. Im Ensemble der Darsteller gesellten sich zu den Deutschen Nadja Tiller und Peter van Eyck der Brite Ian Bannen (Der lange Arm, UK 1956), der US-Amerikaner Rod Steiger (Schmutziger Lorbeer, USA 1956) und der Franzose Jean Servais (Rififi, FRA 1955). Hinter der Kamera kamen der ursprünglich aus Kanada stammende Regisseur Alvin Rakoff und der italienische Kameramann Václav Vích (Der Verlorene, GER 1951) hinzu. Alle zusammen gehen mit Energie und mit Engagement ans Werk, und so ist in mehrfacher Hinsicht berechtigt, dass Tonio Klein in seiner Besprechung des Films für Die Nacht der lebenden Texte diesen mit Raoul Walshs Vogelfrei (USA 1948) bzw. mit Entscheidung in der Sierra (USA 1941) vergleicht, demgegenüber nicht nur die Schlusssequenz sondern eben auch das für Walsh typische Energielevel an solche Klassiker erinnert.

 

Aber nach den ersten zwanzig Minuten zeigen sich erste Risse und Mängel, die auf Frank Harveys (The Long Memory, UK 1953) Drehbuch und dessen ins Deutsche übertragene Dialoge zurückgehen, die holprig und nach BRD-Fernsehen klingen. Nadja Tiller ist als Femme fatale Ginny nicht halb so abgebrüht, wie wir sie zu Beginn präsentiert bekommen, und einige der Verwicklungen, die den Überfall schließlich in eine Schieflage geraten lassen, sind der scheinbar so cleveren Gangster unwürdig oder aber unsauber inszeniert. Die Charaktere wirken holzschnittartig, bleiben uns so nah wie in der ersten Szene und entfalten sich kaum. Während die Action-Sequenzen und der Überfall selbst, zudem auch das Finale solide und für die Zeit adäquat erscheinen, entwickeln die Figuren wenig Chemie miteinander. Das gelang Robert Siodmak in Rächer der Unterwelt / Die Killer (USA 1946) oder Stanley Kubrick in Die Rechnung ging nicht auf / Killing (USA 1956) um einiges besser, und an solche Klassiker des Film Noirs erinnert An einem Freitag um halb zwöf… eben auch. So bleibt das mit der “internationalen Klasse“, die das Filmplakat in Aussicht stellt, ein nur halb eingelöstes Versprechen, zumal auch der bundesdeutsche Rundfunkorchester-Jazz (welcher mit Jazz kaum etwas am Hut hat) im Kontext banal und unpassend wirkt. Als ein Versuch des deutschen Kinos, aus dem Einerlei der seichten Unterhaltung einmal auszubrechen, zolle ich dem Film Respekt. Andererseits ist knapp daneben auch vorbei.

 

Es gibt eine bild- und tontechnisch exzellent restaurierte Fassung des Films auf einer deutschen DVD (2020) der Pidax film media Ltd. mit dem Werk ungekürzt im Originalformat. Sie enthält die original deutsche Tonspur, jedoch ohne Untertitel. Außer dem Wendecover bietet die Pidax-Edition, so wie immer im Fall eines Kinoklassikers, der u.a. in der BRD aufgeführt wurde, den Faksimile-Nachdruck der Illustrierten Film-Bühne mit Text und Szenenfotos des Programmhefts sowie ein exklusives Interview mit Regisseur Alvin Rakoff.

 


 

Post Noir | 1961 | International | Alvin Rakoff | James Hadley Chase | Václav Vich | Jean Servais | Peter van Eyck | Rod Steiger | Nadja Tiller

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