Stadt steht vor Gericht, Eine

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Psychologische Verteidigung


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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
Town On Trial
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1957
Darsteller

John Mills, Charles Coburn, Barbara Bates, Derek Farr, Alec McCowan

Regie
John Guillermin
Farbe
s/w
Laufzeit
96 min
Bildformat
Widescreen

 


 

 © Columbia Pictures Corporation

In der britischen Kleinstadt Oakley Parks rasen zwei Dienstwagen Wolseley 6/80 zur örtlichen Polizeistation, und ein Verdächtiger in Handschellen wird in den Verhörraum gebracht. Man durchsucht sein Jackett, entnimmt Schlüssel, Notizbuch und Streichhölzer. Einige Zeit später kommt Superintendent Mike Halloran (John Mills) mit seinem Notizblock zum Sergeanten in die Schreibstube und diktiert ihm das volle Geständnis, welches er zu hören bekam und dass er mitschrieb… Am letzten Freitag, so der Inhaftierte, verließ er früh sein Zuhause und vertrieb sich an vielen Orten des Städtchens den Tag - ohne aufzufallen oder von denen, die ihn kannten, gesehen zu werden. Spätnachmittags ging er zum Oakley Park Country Club, wo die reihum von den Männern bewunderte und begehrte Molly Stevens (Magda Miller) in knapper Tenniskleidung beim Doppel ihren Körper zur Schau stellte. Hier sah er sie und spürte, wie sehr er sie für alles, was sie darstellte, hasste… Der zwielichtige Mark Roper (Derek Farr), der bei seiner Mutter lebende Peter Crowley (Alec McCowan) und der alte Dr. John Fenner (Charles Coburn) und dessen Nichte Elisabeth Fenner (Barbara Bates), eine Krankenschwester auf der Kinderstation des örtlichen Hospitals, sahen dem Spiel zu. Molly und ihr Partner gewannen, und die junge Frau nahm die Ovationen ihrer Bewunderer mit Gelassenheit entgegen. Sie beschloss im nahen Teich schwimmen zu gehen und ließ die Gruppe der Männer, die sich um sie geschart hatte, einfach stehen. Aber jemand folgte ihr…

 

“It is John Mills, doing a little bit of noir styling in a British setting, looking at murders that have a tinge of giallo to them”, schreibt Wilson in seiner Rezension Letterboxd und erwähnt damit explizit und implizit einige Stärken des Films. John Mills ist in der Hauptrolle des brüsken Mordermittlers mit Wurzeln in der Arbeiterklasse und einer tragischen Biografie, die ihn als Witwer zurückließ, hart an der Grenze zum Antihelden. Einen solchen hatte Mills wiederholt mit Verve und Finesse zum Besten gegeben, etwa in Roy Ward Bakers Jim Ackland unter Mordverdacht / Zwielicht (UK 1947) oder in Robert Hamers The Long Memory (UK 1953), wo ihn die Vergangenheit gleichermaßen heimsucht. Ebenso ist Basil Emmotts (Die Fahrt in den Abgrund, UK/USA 1957) Kameraarbeit herausragend, die dank expressionisch kontraststarker Bildkompositionen in Schwarzweiß dem ach so harmlosen Oakley Parks einiges an Dunkelheit angedeihen lässt. Zu guter Letzt war John Guillermin im Lauf des Jahrzehnts zu einem mehr als soliden Regisseur britischer Kinoproduktionen herangewachsen und zeigt sich der für einen Thriller gebotenen Dramaturgie durchaus gewachsen. Eine Stadt steht vor Gericht ist knackig inszeniert, nimmt von Anbeginn Fahrt auf und lässt nicht locker, so dass ich mich in Anbetracht von Takt und Tempo an Filmwerke von Raoul Walsh (Sprung in den Tod / Maschinenpistolen, USA 1949) erinnert fühlte, die ihr Publikum ebenfalls nie langweilen. Mit dem fast 80-jährigen Charles Coburn und mit Barbara Bates holte die Produktion der Columbia Pictures obendrein zwei US-amerikanische Filmstars an Bord, ein für britische Filme der Zeit übliches Casting, um gegenüber heimischen Filmen skeptische Zuschauer anzulocken.

 

 © Columbia Pictures Corporation

 

Doch wenn nach etwas über 80 Minuten Spielzeit der Fall seiner Aufklärung zustrebt, ist letztere eine Enttäuschung. Nach dem vielschichtigen, von falschen Fährten und pointierten Hinweisen geprägten, klugen Aufbau der Ermittlung durch Halloran, deren Zeuge das Kinopublikum wird, erweist sich des Rätsels Lösung als so banal wie naheliegend und unbefriedigend. Letzteres eben auch, weil trotz sorgfältiger Exposition aller Figuren das Mordmotiv unklar bleibt. Sowohl das Wer als auch das Wie der Aufklärung ziehen das Niveau des Films schlagartig runter, zumal auch die Romanze zwischen dem 48-jährigen John Mills als rücksichtslosem Polizeibeamten und der 31-jährigen Barbara Bates als Krankenschwester nicht funktioniert. Sie ist neben dem übertriebenen und psychologisch unglaubwürdigen Finale der schwächste Teil des Films. Auch bleibt bedauerlich, dass eine wunderbare Einzelleistung Derek Farrs (Das dämonische Ich, UK 1946) hier schlicht untergeht. Mills und Farr traten im gleichen Jahr noch in Gerald Thomas‘ Brit Noir Interpol ruft Berlin (UK 1957) auf, bevor letzterer fast ausschließlich noch fürs Fernsehen arbeitete. John Guillermin drehte einige Jahre später mit Der Marder von London (UK 1960) einen deutlich besseren britischen Film Noir.

 

Unterm Originaltitel Town On Trial gibt es via Powerhouse Films Ltd. in deren Indicator Series eine erstklassige englische Blu-ray-disc (2018), limitiert auf 3000 Stück, mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch topp, dazu den original englischen Ton inklusive englischer Untertitel. Als Extras finden sich ein Audiointerview mit John Mills (The John Player Lecture with John Mills, 1970) von Margaret Hinxman, ein Interview mit Elizabeth Seal (2018), ein Feature von Filmhistoriker Barry Forshaw (2018), John Guillermins 60-minütiger Kinderfilm Adventure In The Hopfields (UK 1954), der britische Kinotrailer, eine Bildergalerie sowie ein fein editiertes Booklet mit Filmessay von Neil Sinyard, darin zudem allerlei Fotos und ein Überblick zur Rezeptionsgeschichte. Fazit: Besser geht es nicht. Eine US-DVD (2011) von Sony Pictures Home Entertainment bietet den Film in guter Bildqualität und ungekürzt im Originalformat, dazu den englischen Ton ohne Untertitel und im Übrigen ohne jegliche Extras.

 


 

Film Noir | 1957 | UK | John Guillermin | Basil Emmott | Charles Coburn | Derek Farr | Geoffrey Keen | John Mills

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