Trond Espen Seim, Per Kjerstad, Bjørn Floberg, Pia Tjelta, Fridtjov Såheim
Bergen, Norwegen: Als Anita Volknis (Ragnhild Gudbrandsen) nach Hause kommt, dröhnt laute Rockmusik bis in den Korridor hinaus. Anita ruft nach ihrer Tochter Ruth (Linn Taule), die nach dem Zerwürfnis mit ihrer Studenten-WG seit einigen Wochen wieder Zuhause wohnt. Als sie nicht reagiert, geht Anita ins Wohnzimmer, stellt die Stereoanlage aus und ruft erneut nach ihrer Tochter, bevor sie im Korridor unterhalb der Treppe einige Tabletten auf dem Holzboden entdeckt. Sie bückt sich danach, und als sie emporblickt, sieht sie Ruth, die mit einer Schlinge um den Hals von der Decke baumelt… Kriminalkommissar Jacob Hamre (Bjørn Floberg) fährt mit seinem Assistenten Isachsen (Endre Hellestveit) vor und stellt verblüfft fest, dass dies kaum die richtige Adresse sein könne. Schließlich wohne hier Simon Volknis (Fridtjov Såheim), ein Kollege. Doch Hamre täuscht sich. Es ist tatsächlich Ruth, die Tochter von Anita und Simon Volknis, deren Leiche zwei Sanitäter kurz darauf auf die Straße fahren, just als Simon selbst in einem Streifenwagen vorfährt. Als er den Leichensack öffnet und Ruth erkennt, bricht er zusammen... Der ehemalige Sozialarbeiter im Jugendamt und heutige Privatdetektiv Varg Veum (Trond Espen Seim) kehrt von einem Job in Polen zurück und entdeckt am Flughafen seine einstige Jugendliebe, die erfolgreiche Fotografin Rebecca (Pia Tjelta), die ihn frohgemut begrüßt. Rebecca ist stets mit Jacob (Per Kjerstad) verheiratet, dem Bassisten und Sänger von Bergens weithin populärer Rockband Camp…
“The crime story is cleverly set up and has a lot of potential, but (…) unveils his culprit too early in the film's denouement, making the final act seem unnecessary and forced”, schreibt Fredrik Gunerius für The Fresh Films über diesen vierten Film in der Varg-Veum-Serie und es spiegelt auch meinen Eindruck und zuletzt meine Enttäuschung über den Schlusspunkt eines Dramas, das plötzlich in Richtung eines aufgeputschten Hongkong-Thrillers abdriftet. Varg Veum ist der Privatdetektiv aus der Feder des norwegischen Schriftstellers Gunnar Staalesen. Von 1977 bis heute veröffentlichte jener 21 Bücher um seinen Antihelden, darunter zwei Bände mit Kurzgeschichten. Der Roman Gefallene Engel (EA 1989, auf Deutsch 1992) ist die Vorlage für Morten Tyldums Thriller. Dem Film wurde in Norwegen seinerzeit einige Aufmerksamkeit gewidmet, war der skandinavische Nordic Noir doch insgesamt en vogue und bot sich mit den Adaptionen der Varg-Veum-Romane somit eine Gelegenheit, dass in der Sparte neben Island, Schweden und Dänemark eben auch Norwegen punkten konnte. Im Grunde stimmt das auch, und die Kameraarbeit, Dramaturgie und Besetzung der Produktion, die es lediglich in Norwegen auch ins Kino schaffte, lassen nicht viel zu wünschen übrig. Zwar ist Trond Espen Seim alles andere als ein Favorit von mir, doch den unrasierten Privatdetektiv im Kielwasser verpasster Möglichkeiten und Fehlentscheidungen, die sich zu seiner Biografie vereinen, gibt er allemal solide. Demgegenüber hat man den Eindruck, dass der Produktionsgesellschaft das Zutrauen in einen Neo Noir fehlte und man deshalb zum Ende noch etwas “Action“ draufsetzen wollte, und das gerät, wie Fredrik Gunerius richtig feststellt, leider daneben.
Der Nordic Noir hatte sich mit Werken à la Baltasar Kormákurs Jar City (ISL/GER/DNK 2006), Ole Bornedals Bedingungslos (DNK 2007) und mit der brillanten TV-Serie Kommissarin Lund (DNK/NOR/SWE/GER 2007-2012) zu jener Zeit als eigenständiges Format etabliert. Tydlums Varg Veum – Falne engler hätte als Norwegens auf den Punkt inszenierter Beitrag zum Filmstil hier einen Stellenwert gewinnen können, aber das schafft der Film nicht. Die Auflösung des Falls und das Finale bieten in letzter Konsequenz nur das übliche Fernsehfutter. Allerdings konnte mich auch Morten Tydlums nächster Beitrag zum Nordic Noir, sein international gern als Jo Nesbøs Headhunters (NOR/SWE/DNK/GER 2011) betiteltes Werk nicht überzeugen, als Verfilmung des gleichnamigen Romans (EA 2008) von eben Jo Nesbøs bis heute der kommerziell erfolgreichste norwegische Film aller Zeiten. Zwischen 2007 und 2012 verkörperte Trond Espen Seim den Privatdetektiv Varg Veum in insgesamt 12 Filmen, doch ließ nach Varg Veum – Falne engler das Interesse auch international nach. In Deutschland wurden die Werke einzig im Fernsehen ausgestrahlt und liefen unterm Serientitel “Der Wolf“, der deutschen Übersetzung des Vornamens "Varg". Wer sich für herausragende Filme und Serien des Nordic Noir interessiert, wird allemal anderswo fündig werden.
Unter dem Titel Der Wolf – Gefallene Engel gibt es eine deutsche DVD-Ausgabe (2009) der Rundfunkanstalten der ARD und der S.A.D. Home Entertainment, bild und tontechnisch einwandfrei. Der Film ist hierauf ungekürzt im Originalformat beinhaltet, doch nur mit einer deutschen Synchronisation ohne norwegischen Originalton und ohne optional deutsche Untertitel. Leider ist diese Synchronisation ein Desaster - die Dialoge der handelnden Personen sind zu Teilen grotesk und sogar Lippenbewegungen sind eindeutig unstimmig. Einzig internationale Editionen präsentieren die Varg-Veum-Reihe mit dem norwegischen Originalton und mit englischen Untertiteln.