Victore Mature, Diana Dors, Patrick Allen, Gene Anderson, Peter Reynolds
© Columbia Pictures Corporation
Starnberg in Bayern: Im strömenden Regen fährt Harry Miller (Victore Mature) in der Dunkelheit des Abends mit seinem Lastwagen in den Stützpunkt der US-Army ein und sein Sergeant (Roland Brand) teilt ihm beiläufig mit, dass Millers Gesuch um Entlassung stattgegeben wurde. Überglücklich macht er seiner Frau Connie (Gene Anderson) und seinem Sohn Butch (Michael Wade) Mitteilung davon, bevor sich Butch zu Bett begibt. Harry möchte mit seiner Famile in die USA übersiedeln und auch Connie ist nach 6 Jahren Wanderschaft von Kaserne zu Kaserne das Nomadenleben mit einem US-Soldaten leid. Sie aber will erst einige Zeit in ihrer Heimatstadt Liverpool verbringen. Schweren Herzens willigt Harry ein, sich dort von Connies Onkel George Mills (Wensley Pithey) in dessen Spedition als Kraftfahrer anstellen zu lassen, und so siedelt die Familie nach England über. Schon am ersten Tag wird Harry klar, dass die Bezahlung alles andere als gut ist, aber ihm bleibt keine andere Wahl. So begibt er sich mit einer ersten Fuhre von Liverpool auf den Weg nach Glasgow in Schottland. Dabei folgt er mit seinem Lkw dem erfahrerenen Casey (Liam Redmond), der ihm voranfährt und den Weg weist. Letzterer gibt Gas und Harry hat Mühe ihn einzuholen, als er bei einer Rasststätte pausiert, Hier sieht er Casey im Gespräch mit zwei dubiosen Gestalten (Dervis Ward, Murray Kash), die dem Kollegen ein Bündel Geldnoten zustecken, doch auf Millers Rückfrage entgegnet Casey, ihnen nie noch zuvor im Leben begegnet zu sein…
Dieser britisch-amerikanische Film Noir unter Beteiligung des US-Stars Victore Mature lebt von seinen Schauplätzen und den exzellenten Leistungen der beteiligten Schauspieler. Als eine Mixtur aus André de Toths Pitfall (USA 1948), Sam Newfields Hi-Jacked (USA 1950) und Rudolf Jugerts Nachts auf den Straßen (GER 1952) bringt er seine Geschichte vom Überlebenskampf der beteiligten Rollencharaktere dramaturgisch schnörkellos auf den Punkt. Dabei überrascht vor allem die 25-jährige Diana Dors, die weit über ihren Ruf als wasserstoffblondes Sexsymbol der Zeit einiges an darstellerischer Finesse offenbart und ihren Rollencharakter mit Leben füllt. Das Skript selbst bietet kaum Neues und weist im Kontext seiner Entstehung eher in die Vergangenheit, als dass es selbst auf der Höhe der Zeit wäre. Aber die Charaktere sind durch die Bank Getriebene, sowohl in der Heimat als auch in der Fremde vom Unglück verfolgt und dem Unrecht zugeneigt, hin- und hergerissen zwischen der Last der Verantwortung und der Lust, all der Tristesse im hier und heute zu entrinnen. Die ersten Funken einer Liebe zwischen Lynn (Diana Dors) und Harry scheinen den Ausweg zu weisen, aber die tief verankerte Pflicht gegenüber seiner Familie lässt den mittellosen Lkw-Fahrer, der sich nicht nur im Beruf sondern auch von seiner Ehefrau Connie hinters Licht geführt sieht, vor dem entscheidenden Schritt zurückschrecken. Im trüben Licht eines verregneten Winters, darin die Nacht kaum dunkler als der Tag zu sein scheint, hetzt Harry Miller über den nassen Asphalt immerfort dem Geld hinterher, dass ihm und den seinen eine Rückkehr in die USA in Aussicht stellt. Aber dafür muss er seine Skrupel überwinden und schon bald trudelt er selbst in jene Spirale der Verbrechen des ruchlosen Joe Easy (Patrick Allen), eines Spediteurs, der dank Raub und Betrugs in Glasgow zu einem der mächtigsten Männer der Branche aufstieg.
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“Anyone even casually familiar with noir genre conventions won't be surprised by what they find in The Long Haul...but that familiarity certainly doesn't stop one from thoroughly enjoying it“, schreibt Paul Mavis für DVD Talk und das ist richtig. Ken Hughes hält seinen teils altbackenen und zugleich kompromisslos unsentimentalen Thriller sicher auf Kurs. Neben Victor Marure und Diana Dors überzeugte mich vor allem Pastrick Allen mit seiner Verkörperung des vollends empathielosen Joe Easy, der beizeiten an Lee J. Cobbs ebenso skrupellosen Großhändler Mike Figlia in Jules Dassins seelenverwandtem Film Noir Gefahr in Frisco / Markt der Diebe (USA 1947) erinnert. Diana Dors fand sich 1957 auf dem Höhepunkt ihrer Popularität; im Jahr zuvor glänzte sie in J. Lee Thompsons Umfange mich, Nacht (UK 1956), im Jahr darauf in Gordon Parrys Film Noir Tread Softly, Stranger (UK 1958). Victor Mature sah sich mit 44 Jahren hingegen bereits auf das Ende seiner Karriere zusteuern – in den nächsten 4 Jahren folgten noch insgesamt acht historische Abenteuerfilme, Kriegsfilme und Western, gedreht in England, in Italien und in den USA, doch nahm die Qualität dieser Produktionen zunehmend ab. Ken Hughes, der mit Die Fahrt in den Abgrund seinen letzten Film Noir vorlegte, blieb als Autor und Regisseur für weitere 20 Jahre aktiv. Seine Schwarzweiß-Thriller aus den Jahren 1952 bis 1957, obgleich keiner davon ein Meisterstück, sind für den Connaisseur des Brit Noirs und für Freunde klassischen Erzählkinos allemal empfehlenswert.
In den USA gibt es eine DVD-R (2010) unter dem Originaltitel The Long Haul in der von Sony Pictures Home Entertainment herausgegebenen Archiv-Serie, die Filme von Columbia Pictures in bild- und tontechnisch restaurierten Fassungen und im Originalformat präsentiert. Wie für solche Editionen typisch, finden sich keine Extras. 1957 kam der Film in einer 100-minütigen Fassung in die englischen Kinos, liegt weltweit auf BD und auf DVD aber nur in der 88 Minuten langen US-Version vor. Lediglich auf dem Filmfestival NOIR CITY 18 lief im Januar 2020 in San Francisco, USA, die 100-minütige Kinofassung aus England. The Long Haul ist auf BD Teil der 9 Filme beinhaltenden 3-BD-Box Noir Archive - Volume 3 (2019) von Kit Parker Films, USA, ebenfalls ohne Extras. In Europa gibt es ihn einzig als spanische DVD (2013) unterm Titel El precio del un hombre, bild- und tontechnisch der US-Ausgabe gleich, mit dem englischen Originalton und mit der spanischen Kinosynchronisation, dazu optional spanische Untertitel.