Dan Duryea, Patricia Owens, Terence Cooper, Richard Leech, Neil McCallum
London, England: Mit einer Tasche voller Lebensmittel kommt Maisie (Shirley Cameron) nach Hause, wo ihr Freund, der arbeitslose Werftarbeiter und Matrose Carl Lutcher (Dan Duryea), seine Schuhe putzt und sich auf den Weg zu einem Job begibt. Essen will er vorab nichts und Maisie auch nicht einweihen, was genau für einen Job er zu erledigen habe. Zu Fuß und per Bus gelangt Lutcher in die Innenstadt und verbirgt sich gegenüber eines Kinos in einem Hauseingang. Indessen tritt Ellen Sheppard (Patricia Owens) aus dem Kinosaal ins Foyer, wo sie ihre Freudinnen Doris (Elizabeth Wallace) und Lucy (Sheila Robbins) trifft, die sie gern auf einen Drink in eine Bar mitnähmen. Doch Ellen gibt vor, ihren Ehemann Jason (Terence Cooper) am Morgen nicht erreicht und außerdem Kopfschmerzen zu haben, so dass sie nach Hause gehen wolle. Indessen hat sie bereits gesehen, dass in dem gegenüberliegenden Hauseingang ein Mann auf etwas zu warten scheint. Als Mrs. Sheppard sich ihrerseits auf den Weg macht, zückt Lutcher aus seinem Trenchcoat eine Pistole und einen Schalldämpfer, den er auf den Lauf der Waffe montiert, bevor er sie wieder in der Manteltasche verschwinden lässt. Indessen Lutcher ihr folgt, geht Ellen Sheppard zielstrebig zum S.S. Hunt, einem Restaurant der gehobenen Preisklasse. Genau als sie eintreten will, wird sie von ihrem Mann Jason und seinem Geschäftspartner Doug Randle (Richard Leech) bemerkt. Die beiden haben in einem benachbarten Gebäude einen Kundentermin und gehen zu ihr hinüber…
"Well… I see you when I see you.“ Film-Noir-Veterran Dan Duryea und seine Filmpartnerin Shirley Cameron sind in ihren Rollen fantastisch. Gleich in der ersten Szene beweisen sie eine intensive Chemie miteinander, die sie später erneut aufgreifen, zwei wunderbare Darsteller, jeweils aus den USA und aus Australien, in einem englischen Film. Der Auftakt, jene ersten 15 Minuten von Frank Nesbitts mit geringem Budget inszenierter B-Produktion, konnte mich überzeugen. Die Art, wie Duryea in Aktion tritt und sowohl seinen Mordplan als auch seinen Charakter offenbart, ist ihrer Zeit voraus – amoralisch greift als Begriff deutlich zu kurz. So wurde ich von der Filmhandlung vereinnahmt und war daran interessiert, wie sich die Rätsel und Widersprüche, in welche Inspector MacMitchells (Trevor Reid) Untersuchungen bald münden, wohl auflösten. Die Kurzgeschichte von Mann Rubin (EA 1957), Vorlage für das Skript aus der Feder des kanadischen Schauspielers Neil McCallum, beinhaltet eine perfide Logik und eine gute Dramaturgie. Es ist daher eine Schande, wie häufig Inhaltsangaben und Rezensionen des Werks die Pointe der Geschichte sofort preisgeben und den potetiellen Zuschauer von vornherein des zentralen Spannungsmoments berauben. Andererseits vermag der Film das Niveau seiner ersten Viertelstunde nicht zu halten und verflacht in seinem Mittelteil, der von Patricia Owens‘ repititiver Trauerphase und von der drögen Ermittlungsarbeit seitens Scotland Yards bestimmt wird.
Obwohl Duryea in der Schlussphase sein Talent erneut voll ausspielen darf, bleibt der Film eine Enttäuschung. Der Regiedebütant Frank Nesbitt sieht sich den Anforderungen des Skripts nicht gewachsen; die Dramaturgie und auch die Kameraarbeit von Basil Emmott (Im Safe wartet der Tod, UK 1962) sind großteils fade. Viele Szenen mit Richard Leech und Patricia Owens lassen die Handlung auf der Stelle treten, und auch Inspector MacMitchell trägt letztlich zur Auflösung des Falls gar nichts bei. Walk A Tightrope fügt sich nahtlos in jene Riege seinerzeit zunehmend harscher und von ruchlosen Charakteren bevölkerter Brit Noirs der frühen Sechziger. Stets in Schwarzweiß und von einer Femme fatale, von Auftragskillern und zynischen Ermittlern geprägt, sind einige dieser Produktionen weit besser als ihr Ruf. Auf Frank Nesbitts Erstling mit seinem US-amerikanischen Star einer vergangenen Dekade trifft das leider nicht zu. Mann Rubins Kurzgeschichte war 7 Jahre zuvor bereits einmal verfilmt worden, als eine Episode der TV-Serie Climax! (USA 1954-1958) mit Neville Brand in der Rolle Dan Duryeas und mit Laraine Day in jener Patricia Owens‘, doch ist diese Fassung lediglich ein obskurer Eintrag in den entsprechenden Filmografien. Erneut mit Neil McCallum als Autor und ebenfalls mit Dan Duryea und Shirley Cameron drehte Frank Nesbitt im Folgejahr den Thriller Do You Know This Voice? (UK 1964), der international noch weniger Beachtung als sein Erstling fand.
Erstklassige englische DVD-Edition (2016) der Studiocanal Films via Network mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch topp restauriert, dazu gibt es wie gewohnt den original englischen Ton ohne Untertitel und eine Bildergalerie von internationalem Werbematerial als Extra.