Film Noir
| UK
| 1959
| Jack Cardiff
| Bernard Lee
| Geoffrey Keen
| Van Johnson
| Jean Kent
| Vera Miles
Bewertung
***
Originaltitel
Beyond This Place / Web Of Evidence
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1959
Darsteller
Van Johnson, Vera Miles, Emlyn Williams, Bernard Lee, Jean Kent
Regie
Jack Cardiff
Farbe
s/w
Laufzeit
83 min
Bildformat
Vollbild
Liverpool, England: Mr. Patrick Mathry (Bernard Lee) lässt mit seinem Sohn Paul (Vincent Winter) auf einem Waldsee ein Boot zu Wasser. Beim Herausholen macht er sich einen Schuh nass, doch die beiden amüsieren sich trotzdem. Es ist die Zeit der Luftangriffe durch die deutsche Wehrmacht. Auch heute Abend dröhnen die Sirenen des Fliegeralarms über der Stadt und die Flak schießt auf Ziele im Nachthimmel. Patrick Mathry rennt das Treppenhaus einer Mietskaserne empor, wo er auf den Stufen Mr. Prusty (Oliver Johnston) begegnet, der bereits auf dem Weg in den Luftschutzkeller ist. Er geht in das Apartment von Ms. Mona Spurling (Eira Heath), wo auch ihre Mitbewohnerin Louise Burt (Jean Kent) anwesend ist. Auf seine Begrüßung reagiert Letztere extrem kühl und geht. Mona macht Patrick klar, dass sie Geld brauche, viel Geld, denn sie erwate ein Baby. Nach dem Luftangriff läuft Mr. Mathry an brennenden Ruinen vorbei nach Hause zu seiner Familie. Paul sitzt in der Badewanne; seine Mutter Ella (Rosalie Crutchley) seift ihn ein und wäscht ihm das Haar. Da klingelt es an der Tür und Chief Inspector Dale (Moultrie Kelsall) und Detective Sergeant James Swann (Jameson Clark) laden Patrick Mathry aufs Polizeirevier vor. Mona Spurling ist tot und Patrick Mathry war der letzte, der sie an diesem Abend besuchte… Im Jahr 1959 fährt der seinerzeit aus Liverpool evakuierte und nun in den USA lebende Paul Mathry (Van Johnson) an Bord eines Schiffes in den Hafen von Liverpool ein. Es ist sein erster Besuch nach fast 20 Jahren. Vier Tage will er in der Stadt bleiben und sich auf die Suche nach Spuren seines Vaters begeben…
Der englische Kameramann und Regisseur Jack Cardiff verfilmte A.J. Cronins Roman Hinter diesen Mauern (EA 1953) mit den US-Schauspielern Van Johnson und Vera Miles in den Hauptrollen, die ihrerseits schon für Henry Hathaways 23 Schritte zum Abgrund (USA 1956) gemeinsam vor der Kamera gestanden hatten. Die erste Verfilmung des Buches fand jedoch in Indien statt und sie gilt unterm Titel Sabar Uparey (IND 1955) heute als ein (international leider unbekannter) Klassiker indischer Kinogeschichte. Aber auch Jenseits des Rechts - Titel der 1960 in der DDR aufgeführten Fassung, während der Film in der Bundesrepublik nach dem Roman benannt war – ist als später englischer Film Noir trotz seiner Starbesetzung längst obskur. Zwar findet er sich in manchen Abhandlungen und Lexika zum Film Noir gelistet, doch eine filmhistorische Aufarbeitung steht aus. Das ist mit Blick aufs britische Kino der Vierziger und Fünfziger einmal mehr erstaunlich, denn es hat viel zu bieten. Der Auftakt ist rasant und Van Johnson zeigt sich in der Hauptrolle engagiert und glaubwürdig. Sein Problem ist nur, dass er mit 43 Jahren als ein ca. 30Jähriger gelten soll und schon frühzeitig behauptet, er habe an seine Kindheit in Liverpool kaum Erinnerungen. Warum das so ist, bleibt ein Rätsel. Eine sorgsame Dramaturgie durch die Drehbuchautoren Kenneth Hyde und Ken Taylor und vor allem die zu Teilen exzellente Kameraarbeit Wilkie Coopers (Die rote Lola, UK 1950) machen aus dem Romanstoff einen Film Noir. Doch nagt an der Geschichte als Film eine Schwäche, die sich schon bald nicht mehr übersehen lässt.
Die Figur der Lena Anderson, eine Bibliothekarin, der Paul Mathry eingangs seine Unterkunft zu verdanken hat, ist schwach ausgestattet und bleibt als „braves Mädchen“ einfach blass. So wirkt das Liebesverhältnis zwischen Paul und ihr zu konstruiert und herbeizitiert, zumal die an zweiter Stelle gelistete Vera Miles nur gelegentlich überhaupt erscheint. Es ist die Femme fatale Louise Burt in einer Darstellung durch Jean Kent, die der sonst guten Vera Miles die Butter vom Brot nimmt. Die Aufklärung der Kriminalhandlung wird gegen Ende immer schwächer. Eingangs relevante Figuren verschwinden von der Bildfläche und die Zuhilfenahme der Presse wirkt gleichfalls forciert, demgegenüber Bernard Lee in der Rolle des Vaters echte Klasse zeigt. Zudem enttäuscht das Finale; es erweist sich im Verhältnis zum Aufbau der Geschichte einfach zu hastig. Somit kann das letzte Drittel des Films das zu Beginn vorgegebene Niveau nicht halten und im Vergleich zu anderen englischen Film Noirs seiner Zeit bleibt Jenseits des Rechts / Hinter diesen Mauern ohne Biss. Kurz zuvor inszenierte Joseph Losey unterm Titel Teuflisches Alibi (UK 1957) einen Thriller, darin ein Vater aus Kanada nach England zurückkehrt, um seinen Sohn aus den Klauen der Justiz zu retten. Bei Losey wurde daraus ein beinhartes Sozialdrama mit einem konsequenten Schluss und einer durchgehend straffen Dramaturgie. Mit all diesen Zutaten kann Jack Cardiff trotz kompetenter Darsteller, einer soliden Vorlage und exzellenter Kameraarbeit leider nicht aufwarten.
Wie viele englische Film Noirs der Fünfziger ist auch Jenseits des Rechts / Hinter diesen Mauern bis heute weltweit weder als BD noch als DVD erschienen.