Murder In Reverse? / Query

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Bewertung
****
Originaltitel
Murder In Reverse?
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1945
Darsteller

William Hartnell, Jimmy Hanley, Chili Bouchier, John Slater, Brefni O’Rorke

Regie
Montgomery Tully
Farbe
s/w
Laufzeit
87 min
Bildformat
Vollbild

 


 

 

London, England: G. "G.S." Sullivan (Brefni O‘Rorke) ist Chefredakteur der Tageszeitung Daily Examiner. Heute Morgen betritt er zuammen mit dem Reporter Peter Rogers (Jimmy Hanley) sein Büro und ist außer sich. Der junge Mann hat zum wiederholten Mal seine Inkompetenz unter Beweis gestellt. Während ein Schneider (Wylie Watson) Sullivan ein Jackett anpasst und ein Bürodiener auf einem Tablett das Frühstück serviert, hat er nicht übel Lust, den Kerl vor die Tür zu setzen… Doch ein Telefonanruf informiert ihn darüber, dass der des Mordes verurteilte Hafenarbeiter Thomas Masterick (William Hartnell) nach 15 Jahren Haft genau heute entlassen wird, und G. Sullivan wirkt plötzlich nachdenklich. Er und die Zeitung hatten sich seinerzeit für den Verurteilten eingesetzt. Also erzählt er Peter Rogers, von dem er über den wieder in Freiheit befindlichen Tom Masterick gern eine Reportage hätte, die tragische Geschichte des einst rechtschaffenen Ehemanns und Familienvaters… Im Jahr 1930 arbeitete der mit Doris (Chili Bouchier) verheiratete Masterick als Dockarbeiter und war für das Be- und Entladen von Frachtschiffen zuständig. Die Eheleute hatten eine Tochter, die etwa zehnjährige Jill (Petula Clark), zu der ihr Vater eine innige Beziehung pflegte. Doris allerdings hasste ihr karges Dasein und unterhielt eine Affäre mit dem leichtlebigen Frederik Smith (John Slater), ebenfalls Hafenarbeiter und gelegentlich Matrose. Bis sie ihrem Mann für ihr abendliches Fernbleiben eine allzu durchsichtige Lüge auftischte…

 

“Murder in Reverse, released as Query in the United States, is a classic British take on the film noir genre. It centres on Hartnell’s anti-hero as he sets out for revenge”, schreibt Peter Nolan für Blogtor Who. Die nüchterne Beschreibung des Handlungsverlaufs trifft es, ohne etwas von den Überraschungen preiszugeben, die selbst Freunde klassischen Kinos und des Film Noirs jener Jahre hier erwarten dürfen. Hafenarbeiter Tom Masterick wird für den aus Eifersucht begangenen Mord an Fred Smith zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Grundlage der Anklage sind jedoch Indizien und Zeugenaussagen. Es gibt keine eindeutig identifizierte Leiche des Schurken, der bei einer nächtlichen Verfolgung von einem Verladekran in die Themse stürzte. Tom Masterick selbst will Fred Smith im Moment der eigenen Verhaftung an Bord eines Schiffes im Pool of London gesehen haben, doch konnte er sich den Namen des Frachters nur bruchstückhaft einprägen. Als Masterick nach 15 Jahren aus dem Gefängnis kommt, erfährt er, dass Sullivan seine Tochter Jill großzog und letztere G.S. für ihren leiblichen Vater hält. Also begibt sich Tom Masterick auf die Suche nach dem stets lebenden Fred Smith, um Kronanwalt Crossley (Kynaston Reeves), der ihn seinerzeit als einen Mörder hinter Schloss und Riegel brachte, einen irreparablen Justizirrtum nachzuweisen und ihn zu demütigen… Das Drehbuch von Autor und Regisseur Montgomery Tully (Das Gangster-Syndikat, UK 1953), der hier sein Spielfilmdebüt vorlegte, basiert auf dem posthum veröffentlichten Roman Query (EA 1931) des britischen Schriftstellers Austin James Small, der meist unter dem Pseudonym “Seamark“ publiziert und 1929 im Alter von lediglich 34 Jahren Selbstmord begangen hatte.

 

 

“You turned me into a dead man that had to go on living in a world that I never made." Trotz solch knackiger Einzeiler zeigt der Film auch Schwächen. Eine 10-jährige Jill Masterick vergisst nach dessen Verurteilung den Vater und das Elternhaus vollständig, so dass die 25-jährige Jill (Dinah Sheridan) ihn nach seiner Haftentlassung nicht wiedererkennt? Dieser Vater verzeiht G. Sullivan, dem ihm geneigten Journalisten, dass er sie adoptierte und großzog, seine Identität als leiblicher Vater Jills jetzt aber beibehält? Thomas Masterick ist in 15 Jahren um 30 gealtert, seine einstigen Freunde und Feinde sehen jedoch exakt wie im Jahr 1930 aus? An diesen Stellen strauchelt das Werk über sein Budget und seine begrenzten Ressourcen, und es stört einen. Auch der Humor zwischen Peter Rogers und Jill Sullivan alias Masterick, dem jungen Liebespaar, ist flach und bieder. Das Finale jedoch fegt all das hinweg. Mit dem Schlussakt offenbart Montgomery Tullys Film Courage und Biss und zwar in einer selbst für erfahrene Cineasten überraschenden Konsequenz. Der Film und seine Schöpfer beweisen Klasse, und was ließe sich über eine B-Produktion aus jener Zeit besseres sagen? William Hartnell war ein exquisiter britischer Darsteller, der manchen Film Noir und Post Noir bereicherte, zu selten jedoch mal in einer Hauptrolle auftrat. Auch darüberhinaus besticht Tullys Ensemble - Brefni O’Rorke, Chili Bouchier, John Slater und Kynaston Reeves zeigen sich bestens aufgelegt. Im Ganzen erweist sich Murder in Reverse? / Query damit als einer der wenigen bis dato unentdeckten Geheimtipps des europäischen Film Noirs der klassischen Ära, den ich allen Cineasten und besonders Freunden des Brit Noirs empfehle.

 

Das Werk ist auf der Website der Renown Pictures Ltd. als Teil der mit 10 klassischen britischen Kriminalfilmen ausgestatteten 3-DVD-Box The Renown Crime Collection Volume 10 (2023) gelistet, findet sich allerdings bei keinem deutschen Online-Händler im Angebot. Es ist zudem in einer bild- und tontechnisch lediglich mittelprächtigen Fassung, ungekürzt und im Originalformat, in einigen Online-Portalen zu finden. Obwohl Murder in Reverse? / Query z.B. auch beim British Film Institute (BFI) vorgestellt wird und Großbritannien seit Jahrzehnten eine vorbildliche Aufarbeitung seiner Filmklassiker vorweisen kann, gilt der Film bis dato als obskur und selten.

 


 

Film Noir | 1945 | UK | Montgomery Tully | John Slater | Kynaston Reeves | William Hartnell | Dinah Sheridan

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