Gomera, La

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Bewertung
****
Originaltitel
La Gomera
Kategorie
Neo Noir
Land
RO/FRA/GER/SUI/SWE
Erscheinungsjahr
2019
Darsteller

Vlad Ivanov, Catrinel Marlon, Rodica Lazar, Sabin Tambrea, Antonio Buíl

Regie
Corneliu Porumboiu
Farbe
Farbe
Laufzeit
97 min
Bildformat
Widescreen

 


 

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© Alamode Film

Von einem Fährschiff aus blickt der aus Bukarest, Rumänien, angereiste Kriminsalkommissar Cristi Anghelache (Vlad Ivanov) auf die Vulkanlandschaft der Küste von La Gomera, einer im Atlantik gelegenen Insel des Kanarischen Archipels. Mit nur wenigen Passagieren geht er über den Landungssteg ans Ufer, wo er die auf Spanisch über den menschenleeren Platz hallenden Durchsagen nicht versteht und deshalb wartet. Schließlich kommt ein Mann auf ihn zu, der sich als Kiko (Antonio Buíl) vorstellt und Englisch mit ihm spricht. Er lässt sich von Cristi sein Mobiltelefon aushändigen und fordert ihn auf es abzustellen, da sonst die Polizei Informationen abfische. Die beiden besteigen einen Land Rover und fahren zu einem in den Bergen gelegenen, luxuriösen Ferienhaus. Hier werden sie von Gilda (Catrinel Marlon) in Empfang geommen, die Cristi aus Bukarest kennt. Gilda zeigt ihm sein Zimmer mit einem Zugang zur Terrasse. Als sie an ihm vorüber ins Haus zurückgeht, hält sie kurz inne und weist Cristi darauf hin zu vergessen, was in Bukarest geschehen sei. Dies habe sie nur wegen der Kameras getan… Bukarest, Rumänien: An einem verregneten Tag wartet Gilda auf einem Parkplatz und zündet sich eine Zigarette an. Gleich darauf stellt Cristi Anghelache seinen Audi dort ab und Gilda spricht ihn an. Sie sei die Partnerin von Zsolt (Sabin Tambrea), gibt sie ihm zu verstehen, und er weist sie darauf hin, dass er von einem Mann im Auto beobachtet werde. Gilda schlingt ihre Arme um Cristis Nacken und küsst ihn…

 

Sogleich zu Beginn missrät Corneliu Porumboiu eine Sache voll und ganz. Zur Anfahrt der Fähre in Richtung des Landungsstegs an der Küste La Gomeras läuft Iggy Pops The Passenger aus dem Jahr 1977. Die Bilder der Inselküste sind bestechend, der Song ist über jeden Zweifel erhaben - beides zusammen funktioniert überhaupt nicht. Weder rhythmisch noch im Rückgriff auf die seinerzeit das Stadterleben in West-Berlin beschreibenden Textzeilen geht hier irgendwas zusammen. Zudem ist gerade The Passenger, der im 21. Jahrhundert ständig in einem Kinofilm oder einer TV-Produktion Verwendung findet, als musikalischer Geschmacksverstärker extrem abgenutzt. Danach erweist sich der Regisseur beim Einsatz von Musik um Längen stilsicherer. Insbesondere die der Klassik entlehnten Tondokumente kommen effektiv zum Einsatz – Mozart, Offenbach, Tchaikovsky, Orff und Johann Strauss leiten die Zuschauer durch eine clever inszenierte und von verschachtelten Rückblenden gekennzeichnete Kriminalgeschichte, darin jeder den anderen auszubooten hofft. Neu ist das alles nicht. Viele der Ingredenzien dieser Rezeptur sind in der Filmklassik häufig genutzt worden. Denn dass man zugunsten des Mammons seine Kräfte bündelt und einen Coup plant, heißt nicht, dass man seinen Mitstreitern emotional verbunden oder ihnen gegenüber nur loyal ist. Bereits in Robert Siodmaks Rächer der Unterwelt / Die Killer (USA 1946), in Raoul Walshs Sprung in den Tod / Maschinenpistolen (USA 1949), in John Hustons Asphalt-Dschungel / Raubmord (USA 1950) oder in Richard Quines Drive A Crooked Road (USA 1954) ist es mit der Ehre unter den Gangstern nicht weit her. Auch ist in den meisten Fällen eine attraktive Schöne mit von der Partie, die es dem gleichfalls unfreiwillig beteiligten Antihelden in zentraler Position erschwert bzw. verbietet sich auf und davon zu machen. Aber Porumboius vermag dank einer fiktiven Pfeifsprache, mit der sich die Gangster verständigen, mithilfe einer komplexen narrativen Struktur und durch Nebenfiguren, die jene 30 Millionen Euro Drogengeld, um die es geht, gleichfalls für sich beanspruchen, seinem Neo Noir einige originelle Seiten abgewinnen.

 

Vorsicht! Das ist keine Komödie. Wer auf ein familientaugliches Krimimärchen hofft, denn die Vermarktung des Films mit dem Etikett „Komödie“ legt es nahe, wird sich getäuscht finden. In La Gomera hat nicht einmal die rumänische Polizei ein Interesse daran Gefangene zu machen, und gerade in der zweiten Hälfte geht es blutig zu. Hochkarätig ist das Schauspiel der in West-Europa kaum oder gar nicht bekannten Schauspielerinnen und Schauspieler aus Rumänien, zu denen sich in dieser Produktion mit Antonio Buíl und Agustí Villaronga Leute aus dem west-europäischen Kulturkreis gesellen. Nicht nur die zwischen den Kanarischen Inseln und Bukarest, Rumänien, springende Filmerzählung sondern eben auch die Vielfalt der Landessprachen und jene Pfeifsprache als nahezu sarkastische Spezialität der Handlungsentwicklung, die in ihrer Bedeutung maßlos übertrieben wird, bieten Anlass für multikulturelle Wirren. Daher sollte man den Film unbedingt im Original mit Untertiteln sehen, wo genau das zum Tragen kommt, indessen es in der stimmlich faden deutschen Synchronisation verloren geht. Besonders die Stimmen von Cristi und Gilda haben zudem im Original einen völlig anderen Klang als die der deutschen Synchronsprecher. Fazit: Für Liebhaber des eigenwilligen europäischen Neo Noirs eine sehenswerte Ergänzung des Kanons, wird hier das Rad auch nicht neu erfunden.

 

Die deutsche Alamode Filmdistribution oHG, München, bietet eine sehr gute DVD-Edition (2020) - allerdings keine BD - mit dem Werk ungekürzt und im Originalformat, bild- und tontechnisch exzellent, dazu die original rumänisch-spanisch-englische Tonspur mit optional deutschen Untertiteln, die deutsche Kinosynchronisation und den Kinotrailer und ein Interview mit dem Regisseur Corneliu Poromboiu als Extras.

 


 

Neo Noir | 2019 | International | Corneliu Porumboiu | Vlad Ivanov

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