Brad Pitt, Edward Norton, Helena Bonham Carter, Meat Loaf, Jared Leto
© Twentieth Century Fox Film Corporation
Los Angeles, Kalifornien: In einer von Glaswänden gerahmten Büroetage mit Blick auf eine nächtliche Skyline von Wolkenkratzern sitzt ein junger Mann (Edward Norton) auf einem Bürostuhl, indessen ein zweiter namens Tyler Durden (Brad Pitt) ihm eine Pistole in den Mund steckt und fragt:“Would you like to say a few words to mark the occasion?“ Da der Mann mit dem Lauf der Waffe im Mund nicht sprechen kann, zieht Tyler sie hervor und geht zur Fensterfront, doch der Gefragte antwortet, das ihm nichts einfalle. Der Erzähler weiß, dass in den unterirdischen Parkgaragen eines Dutzends der Büroblocks in der Innenstadt Transporter darauf warten, in zwei Miunuten zu explodieren und die Tempel der internationalen Finanzwelt in Schutt und Asche zu legen. In diesem Augenblick der Not, da Tyler ungerührt auf seine Uhr blickt, fällt ihm ein, dass das mit den Bomben und der Revolution ursprünglich mit einer Frau namens Mala Singer (Helena Bonham Carter) begonnen hatte… In der Therapiegruppe für Männer mit Hodenkrebs hing er an der Brust von Robert “Bob“ Paulson (Meat Loaf), dem vor 8 Monaten die Hoden entfernt worden waren und der durch die Medikamentation Männerbrüste bekommen hatte. Der junge Mann hatte selbst keinen Krebs. Doch als Agent der Abteilung für Reklamationen und Haftung eines Automobilkonzerns und als Bewohner eines Luxusapartments litt er an Schlaflosigkeit. Der Besuch diverser Therapiegruppen ließ ihn aus seiner emotionalen Starre erwachen, nur hier konnte er weinen und sich selbst spüren…
“Stop the excessive shopping and masturbation. Quit your job. Start a fight. Prove you're alive. If you don't claim your humanity you will become a statistic.” Ist das der Film jeder Generation von Teenagern und Twens, die von den immerzu erzkonservativen Mächtigen in Wirtschaft und Politik ignoriert und verlacht werden, es sei denn, letztere müssen für eine anstehende Wahl um ihre Stimmen werben? Aus einer US-amerikanischen Perspektive gewissermaßen ja. Kapitalismuskritik ist in der Kulturgeschichte Europas anders verankert als in derjenigen der USA, wo sie seit der Beatnik-Generation der 50er und der Popkultur der 60er Jahre immer auch mit Widerstand, mit Revolution und mit Jugendkultur in Verbindung gebracht wird. Die Gesellschaft der USA teilt sich seit jeher in Gewinner und Verlierer - in diejenigen, die das Wirtschaftssystem der USA durch loyalen Arbeitseinsatz mittragen, und in diejenigen, die durch die Maschen fallen und die sowohl der Armut als auch der Verachtung ihrer Mitbürger preisgegeben sind. In David Finchers Fight Club nach dem gleichnamigen Debütroman (EA 1996) von Chris Palahniuk wird dieses System als eine Sklavenhaltergesellschaft mit Hi-Tech-Fassade vorgestellt. Die vor allem in der ersten Hälfte des Films explizit verbalisierte Kapitalismuskritik erinnert an jene von Theodor Adorno über Noam Chomsky bis zu Richard David Precht und stellt sie in einem wild romantischen, hippen und möglichst tabulosen Neo-Noir-Szenario zur Schau: “The things you own end up owning you.“ Einzig wer sich von den Wohlstandsgiften, die eine kapitalistische Gesellschaft ihren Lohnsklaven Tag für Tag injiziert, zu befreien versteht, hat eine Chance zu sich selbst und damit zu einem selbstbestimmten Dasein zu finden. Dieser Gedanke ging schon aus jener vehementen Kritik an der wie in Stahlbeton verankerten Traditionsgesellschaft durch die politisierte Hippiebewegung anno 1968 hervor. Macht kaputt, was euch kaputt macht war ein 1970 publiziertes Lied der Berliner Band Ton Steine Scherben und wurde in den frühen 70er Jahren zum Slogan einer Jugendkultur wider die selbstgefällige BRD im Rausch von Fortschritt und Wohlstand.
“We're consumers. We are by-products of a lifestyle obsession.“ Der Neo Noir Fight Club platziert in seiner ersten Hälfte messerscharfe Monologe und Einzeiler in Serie und David Finchers Dynamik in der Ausgestaltung der durch den namenlosen Erzähler moderierten Rückblende lässt nie den Eindruck eines dialoglastigen Kammerspiels aufkommen. So wie Paul Hackett (Griffin Dunne) in Martin Scorseses Zeit nach Mitternacht (USA 1985) oder Michael Boll (James Spader) in Curtis Hansons Todfreunde – Bad Influence (USA 1990) ist der junge Erzähler eine Arbeitsdrohne im Getriebe der Metropole, ein fleißiger und zuverlässiger Experte seines Fachgebiets. In einem mit funktionalen IKEA-Möbeln bestens ausgestatteten Luxusapartment hat er alles, was es zum Leben braucht – nur eben kein Leben. Und in deutlicher Anlehnung an den (allerdings kaum politisch motivierten) Neo Noir Curtis Hansons führt seine Revolte wider ein Dasein als Sklave in einen Strudel der Gewalt. In Fight Club wird Gewalt – als Schmerz, den man im Kampf erfährt, und als Schmerz, den man zufügt – zum einzig probaten Mittel des Widerstands und damit der Befreiung. Es ist ein Kerngedanke, der in den oben zitierten 70er Jahren zum politischen Terrorismus führte. Auch in Fight Club geht es darum, dem Feind Schaden zuzufügen, das System zu zerstören. Doch die zweite Hälfte des Films verflacht, fügt sich in Handlungsmuster des Action- und Kriminalfilms Made in Hollywood und kann trotz eines cleveren Twists im Finale nicht überzeugen. Das ist bedauerlich, denn im Ganzen ist dieser im letzten Jahr des vergangenen Jahrhunderts erschienene Neo Noir für eine US-Produktion erstaunlich provokant und hat in vielen Leitmotiven von seiner Relevanz bis heute nichts verloren. Daher knapp vier Sterne.
Es gibt eine jeweils exzellente deutsche BD- und DVD-Ausgabe (2013) der 20th Century Fox Home Entertainment Germany und eine BD-Edition (2010) und auch DVD (2008) von StudioCanal, jeweils ungekürzt (daher FSK 18) im Originalformat mit dem original englischen Ton und mit der deutschen Kinosynchronisation, - nicht zu empfehlen – dazu optional deutsche Untertitel, das Ganze bild- und tontechnisch exzellent, als Extras ein Feature zur Aufnahme in die Guy Movie Hall of Fame, eines betitelt Hinter den Kulissen, sowie geschnittene Szenen und eine Bildergalerie mit Werbematerial. Empfehlenswert!