Dragged Across Concrete

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
Dragged Across Concrete
Kategorie
Neo Noir
Land
CAN/UK/USA
Erscheinungsjahr
2018
Darsteller

Mel Gibson, Vince Vaughn, Tory Kittles, Jennifer Carpenter, Michael Jai White

Regie
S. Craig Zahler
Farbe
Farbe
Laufzeit
158 min
Bildformat
Widescreen

 


 

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Der aus dem Gefängnis entlassene Afroamerikaner Henry Johns (Tory Kittles) hat Sex mit der Prostituierten Lana (Vivian Ng), mit der er einst die Grundschule besuchte. Die Erinnerung stimmt ihn sentimental, doch auf Nachfrage gibt Lana zu verstehen, dass sie nie in einem anderen Job Fuß fassen konnte. Später fährt sein Freund Biscuit (Michael Jai White), der ihn abgeholt und ihm das Stündchen mit Lana organisiert hatte, Henry nach Hause. Der ex-Sträfling erbittet sich etwas Zeit, bevor er wegen eines Jobs, bei dem Biscuit ihn gern dabei hätte, Bescheid geben wird. In der kaum beleuchteten Wohnung hört er aus dem Schlafzimmer Geräusche. Unterm Sofa kramt Henry einen Baseballschläger hervor, zwingt darauf seine Mutter Jennifer (Vanessa Bell Calloway) die Schlafzimmertür zu öffnen und schmeißt ihren Freier (Paul Rogic) hinaus. Nachdem sie ihren Job im Lebensmittelladen verlor, verdingt sich die Heroinabhängige als Prostituierte. Seit sechs Monaten ist Jennifer die Wohnungsmiete schuldig und die Gläubiger rücken ihr auf die Pelle. Henry ist verärgert und befiehlt der Mutter, die Bude aufzuräumen. Er klopft an der Zimmertür seines jungen Bruders Ethan (Myles Truitt), der im Rollstuhl sitzt und Entwickler von Videospielen werden möchte. Ethan will wissen, ob Henry bei ihnen bleiben wird und der Gefragte bejaht. Drei Wochen später: Die Police Detectives Brett Ridgeman (Mel Gibson) und Anthony Lurasetti (Vince Vaughn) kauern in der kalten Morgendämmerung auf der Feuertreppe eines Apartmentblocks…

 

“Some circles might call it “brave” but to me (…) it’s also mediocre, boring and tries far too hard to be controversial”, schreibt der britische Filmjournalist Jamie East für The Sun und spiegelt punktgenau meinen eigenen Eindruck: "I'm not racist. Every Martin Luther King Day, I order a cup of dark roast.” Im 21. Jahrhundert einen Neo Noir oder hardboiled Thriller aus der Taufe zu heben, der nicht nach Schema F abläuft und die Zuschauer mit einer exklusiven Facette belohnt, ist nicht leicht. Aber wie witzig ist dieses Zitat aus dem Munde von Police Detective Anthony Lurasetti? Ja, er hat eine Freundin, die er gern ehelichen möchte, er ist selbst italienischer Abkunft und sie ist Afroamerikanerin. Aber es beantwortet die oben angeführte Frage nicht. Der Autor und Regisseur S. Craig Zahler hätte seinen Film gern als moralisch komplex verstanden und stattete seine Rollencharaktere bewusst mit der nötigen Ambiguität aus. So gibt er es in dem 6-minütigen Featurette Moral Conflict zu verstehen, das sich auf der deutschen DVD-Edition als Bonus findet. Nun, das ist ehrenhaft. Und tatsächlich steckt in den ersten zwei Dritteln seines Films etwas von William Friedkins Leben und Sterben in L.A. (USA 1985) oder David Mackenzies Hell Or High Water (USA 2016), die ebenfalls solche für die USA stets und immerdar typischen Themen wie Rassismus, Polizeigewalt, Korruption und Armut in provokanter Weise ins Rampenlicht rücken. Aber trotz aller Vorsätze, die Zahler im Interview anführt und die ihre Berechtigung haben, sind Ridgeman und Lurasetti, die zentralen heldenhaften und tragischen Figuren des Films, letztendlich selbstgerecht, skrupellos und dämlich. Die genannten Eigenschaften kommen vor allem im Finale zum Tragen. Darin werden die gefallenen Engel im Kampf mit den Bösewichten in einer Art und Weise stilisiert, die Dragged Across Concrete womöglich Beifall aus der “falschen“ Ecke einbringt, sollte es bei allem Bemühen um Kontroversen für den Autor und Regisseur und seinen Produzenten eine solche überhaupt geben.

 

“Criminals don't stop doing what they do just 'cause two cops get benched. And we don't do what we do just for the paycheck.” Die einzige und für alle Beteiligten einzig wahre Triebfeder der Handlung ist das Geld, ebenfalls typisch für die USA der Gegenwart, so wie es für die USA der Vergangenheit typisch war. Geld ist alles. Ohne Geld ist alles nichts. Dass ein Film Noir oder Neo Noir den gnadenlosen Materialismus der Alltagswirklichkeit in den USA anprangert, ist nicht neu. Mal gelingt es, Hell Or High Water (USA 2016), und mal gelingt es nicht, wofür wiederum Dragged Across Concrete ein Paradebeispiel ist. In der Schlusssequenz garantiert der auf einem Berg von Leichen errichtete Reichtum den Gewinnern des Spiels einen reuelosen Genuss. Laut Zahler muss sich der Zuschauer nun selbst seine Gedanken dazu machen. Der Film aber geht mit der Konsequenz des Finales zu gedankenlos um, als dass er eine kritische Distanz zuließe. Für diejenigen, die fortan in Saus und Braus leben, gibt es eben kein moralisches Dilemma. Genau darin besteht die Differenz zu David Mackenzies Meisterstück Hell Or High Water (USA 2016), das seinen Zuschauern auch nicht das Denken abnimmt. Schon mit einem Finale, das die sorgfältige Zeichnung der Rollencharaktere über die ersten zwei Stunden hinweg in einem Action-Spektakel erstickt, beginnt der Niedergang des Werks. Am Ende bleibt ein schaler Geschmack, denn Zahler verspielt ein Potential, an dem er zu Beginn selbst maßgeblich Anteil hat. Schade!

 

Es gibt eine sehr gut editierte BD- und DVD-Ausgabe (2019) der Universum Film GmbH, München, mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch exellent, dazu den original englischen Ton und eine (ganz schreckliche, Stimmen und Bedeutungen verfälschende) deutsche Synchronisation, optional deutsche Untertitel, dazu den deutschen Trailer (Film lief allerdings nie im deutschen Kino) und das erwähnte Featurette Moral Conflict als Extras.

 


Neo Noir | 2018 | International | S. Craig Zahler | Don Johnson | Mel Gibson | Vince Vaughn

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