Tiger im Nebel

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
Tiger In The Smoke
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1956
Darsteller

Donald Sinden, Muriel Pavlow, Tony Wright, Bernard Miles, Laurence Naismith

Regie
Roy Ward Baker
Farbe
s/w
Laufzeit
89 min
Bildformat
Vollbild

 


 

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London: Es ist ein dunkler Spätnachmittag im Herbst. Der Nebel liegt tief in den Straßen, als eine Straßenkapelle bestehend aus Kriegsveteranen und angeführt von Tiddy Doll (Bernard Miles) vor dem Bahnhof auf und ab geht. Zur gleichen Zeit steigen die Kriegswitwe Meg Elgin (Muriel Pavlow) und ihr Verlobter, Rechtsanwalt Geoffrey Leavitt (Donald Sinden), aus einem Taxi. Die Frau ist vor einem Kiosk in der Eingangshalle mit Chief Inspector Charles Luke (Christopher Roden) verabredet. Seit einigen Monaten erhält sie mehrfach Briefumschläge, darin eine unkommentierte Fotografie den Beweis zu liefern scheint, dass ihr Ehemann, Major Martin Elgin, noch unter den Lebenden weilt. Meg hält das für Unsinn, weil Martin, den sie im Alter von 19 Jahren und drei Monate vor seinem vermeintlichen Tod im Zweiten Weltkrieg heiratete, sich doch bei ihr melden könnte. Dennoch ist sie von Angst erfüllt, als sie sich von Geoffrey verabschiedet, der seinerseits eine Erpressung wittert und mit Blick auf seinen Ruf Meg nicht zu dem Treffen begleiten will. Doch Inspektor Luke hält Erpressung wegen Bigamie für ausgeschlossen: man würde warten, bis Meg und Geoffrey verheiratet seien. Die zuletzt erhaltene Fotografie enthält als einzige eine Nachricht: der Southend Train am heutigen 1. November um 3:23 Uhr… Indessen hat Geoffrey Leavitt das Taxi vor dem Bahnhof weggeschickt und ist nun ebenfalls in der Bahnhofshalle. In diesem Augenblick schreit Meg auf, denn ihr im Krieg verstorbener Ehemann (Gerald Harper) läuft in Richtung des Bahnsteigs…

 

"When she walks down the street curtains tremble, blinds creep down and keys turn stealthily in locks." Für 80 Minuten taucht der Zuschauer in eine scheinbar niemals endende Londoner Dunkelkeit, sei es nun Nacht oder helllichter Tag, in ein schier endloses Novemberzwielicht mit dichtem Nebel und mit den Straßenlaternen als einzigen Quellen des Lichts. Kameramann Geoffrey Unsworth wurde in späteren Jahren durch seine Arbeit an Peter Glenvilles Becket (UK/USA 1964), Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum (UK/USA 1968) und Bob Fosses Cabaret (USA 1972) berühmt. Sein Wirken für Roy Ward Bakers Film Noir Tiger im Nebel ist so offensichtlich seiner Zeit voraus, dass vor allem er in diesen ersten 80 Minuten fast ausschließlich den Charakter des Films bestimmt. In seiner Brillanz für eine Welt in Schwarzweiß steht Unsworth seinen US-amerikanischen Kollegen James Wong Howe, John Alton, Joseph MacDonald oder Milton Krasner in nichts nach. Durch das Auge von Unsworth‘ Kamera wird die Stadt London zum alles beherrschenden Hauptdarsteller dieses Dramas um ein Geheimnis in den Wirren der Vergangenheit, das nun seine von Begierde zitternden Finger in die Gegenwart ausstreckt… Doch so vielversprechend das klingt, so sehr verhindern mehrere Umstände, dass Tiger im Nebel, die Verfilmung des Romans Die Spur des Tigers (EA 1952, deutsch erstmalig 1985) von Margery Allingham, zu einem Werk jener Klasse emporsteigt, wie es seine wunderbaren Londoner Schauplätze und seine einzigartige Atmosphäre eingangs nahelegten.

 

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Keiner der drei Hauptdarsteller zeigt nur ansatzweise genug Charisma, Talent oder Gespür für seine Figur, um den Zuschauer zu fesseln. Der an erster Stelle genannte Sinden personifiziert einen blassen, seltsam abwesenden Rollencharakter, der der Handlung eher zuschaut anstatt sie zu lenken. Muriel Pavlow kann als Meg Elgin weder ihre frühere Ehe noch ihre Liebe zu Geoffrey Leavitt glaubwürdig erläutern oder darstellen. Tony Wright schließlich ist seinem komplexen Jack Havoc aka Johnny Cash, einem von einer fixen Idee getriebenen, skrupellosen Gangster und Handlungstreiber, nicht im Geringsten gewachsen. Regisseur Roy Ward Baker (Jim Ackland unter Mordverdacht / Zwielicht, UK 1947) hat in seiner Autobiographie The Director’s Cut: A Memoir of Sixty Years in Film and Television (EA 2000) sehr bedauert, dass ihm das Studio für den so zentralen Havoc/Cash nicht jemanden vom Kaliber eines Stanley Bakers zur Verfügung stellte. So aber helfen selbst wunderbare Charakterdarsteller wie Laurence Naismith, Beatrice Varley oder Bernard Miles der Erzählung nicht auf die Sprünge. In ihren letzten 10 Minuten wechselt die Handlung zudem an die sonnenbestrahlte, französische Atlantikküste, um vor Ort in einem lahmen und vorhersehbaren Finale zu versanden. Was einzigartig und mit der Bugwelle eines Versprechens begann, endet im Mittelmaß so mancher  Krimiunterhaltung jener 50er Jahre. Überaus bedauerlich!

 

Weltweit gibt es nur eine einzige DVD-Edition (2007) des seltenen und längst vergessenen britischen Film Noirs und die ist Teil der von ITV Studios in England verlegten 11-DVD-Box The Donald Sinden Collection. Darin ist das Werk bildtechnisch einwandfrei, ungekürzt im Originalformat und mit dem original englischen Ton ohne Untertitel und ohne Extras beinhaltet.

 


Film Noir | 1956 | UK | Roy Ward Baker | Geoffrey Unsworth | Charles Victor | Kenneth Griffith | Sam Kydd | Tony Wright | Victor Brooks | Marianne Stone

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