Film Noir
| USA
| 1947
| Michael Curtiz
| Elwood Bredell
| Robert Burks
| Claude Rains
| Fred Clark
| George Eldredge
| Hurd Hatfield
| Jack Lambert
| Audrey Totter
Bewertung
****
Originaltitel
Unsuspected, The
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1947
Darsteller
Joan Caulfield, Claude Rains, Audrey Totter, Constance Bennett, Hurd Hatfield
Regie
Michael Curtiz
Farbe
s/w
Laufzeit
103 min
Bildformat
Vollbild
© Warner Bros.
New York: In der vom Rundfunkkolumnisten Victor Grandison (Claude Rains) bewohnten Villa seiner reichen Nichte Mathilda Frazier (Joan Caulfield), die vor drei Wochen auf der Überfahrt nach Lissabon, Portugal, bei einem Schiffsunglück ums Leben kam, huscht des Nachts ein Schatten die Wände entlang… Ein Mann in Mantel und Hut schleicht durch die unbeleuchteten Räume und dringt bis zur Tür von Grandisons Arbeitszimmer vor, wo dessen Sekretärin Roslyn Wright (Barbara Woodell) noch spät an der Schreibmaschine Manuskripte tippt. Das Telefon klingelt und Gradisons zweite Nichte Althea Keane (Audrey Totter), die im Augenblick in einem Jazzclub weilt, möchte von Roslyn wissen, ob ihr Ehemann Oliver (Hurd Hatfield) Zuhause sei. Roslyn verneint und gibt an, dasss sie allein sei, als sie den Umriss eines Mannes im jetzt erleuchteten Türeingang wahrnimmt. Althea hört Roslyn am Telefon fuchtbar schreien, dann herrscht Stille und die Verbindung wird unterbrochen. Sichtlich irritiert tritt Althea aus der Telefonkabine, vor der ihr Begleiter sie fragt, ob sie Zuhause jemanden erreicht habe, doch Althea verneint das. Dem Kellner gibt sie die Anweisung, ihren Ehemann Oliver davon zu unterrichten, dass man in einen anderen Club umgezogen sei. Währenddessen klingelt im Haus Victor Grandisons erneut das Telefon und offenbar niemand als der Hausherr selbst schiebt einen Bücherstapel unter den Füßen der Leiche Roslyn Wrights von dannen, die inzwischen überm Schreibtisch am Kronleuchter hängt…
”After slaving all day above a hot typewriter, there is nothing I like better than a swandive into a bottle of Bourbon.” Dieser Film Noir von Michael Curtiz ist in seiner ersten Hälfte derart vielversprechend, zeigt sogar Ansätze zu einem geradewegs meisterhaften Filmschaffen, dass sein durchschnittliches Finale und sein banaler Schlussakt für den Cineasten und Film-Noir-Liebhaber umso mehr als Enttäuschung daher kommen. Es gibt Kritiker, die sich bis heute wundern, warum der Regisseur von Casablanca (USA 1942) und Solange ein Herz schlägt (USA 1945), füein langjähriger Erfolgslieferant r Warner Bros.Pictures Inc., später nicht die gewohnte Aufmerksamkeit und Anerkennung erhielt. Randall MacDougalls Drehbuch nach der gleichnamigen Erzählung Charlotte Armstrongs (EA 1945) wimmelt von knackigen Einzeilern und rasiermesserscharfen Wortwechseln. Die Kameraarbeit Elwood Bredells (Rächer der Unterwelt / Die Killer, USA 1946) ist maximal vom deutschen Expressionismus beeinflusst; zudem stand jenem für fotografische Effekte der spätere Kameramann Alfred Hitccocks, Robert Burks, mit Rat und Tat zur Seite. Die beiden zeigen eindrucksvoll, wozu man in den Vierzigern in Hollywood - nicht allein technisch - in der Lage war. Dazu gibt es ein bemerkenswertes Ensemble, aus dem Claude Rains, Fred Clark, Audrey Totter und Jack Lambert hervorstechen, das jedoch auch sonst nichts zu wünschen übrig lässt. Rains kannte Curtiz durch Casablanca, aber erst Alfred Hitchcocks Berüchtigt / Weißes Gift (USA 1946) emfahl ihn nunmehr als Schurken am Rande psychopathologischer Abgründe, dessen komplexe Charakterdisposition er hier wie kein zweiter zu porträtieren weiß: “I can be philosophical about everything - including love, which seems to me to be a curiously unbhappy blend of tears and laughter.“
Curtiz agierte für The Unsuspected in einer für Regisseure damals ungewöhnlichen Freiheit, denn er schuf das Werk für die Michael Curtiz Productions, seine eigene Produktionsgesellschaft unterm Dach von Warner Bros. Warum sich unter solchen Vorzeichen das Ende den Erwartungen eines Mainstream-Publikums derart anbiedern musste, erscheint kaum verständlich, denn es degradiert den Film im Ganzen. Demgegenüber sind die unübersehbaren Einflüsse von Otto Premingers Laura (USA 1944), der brillante Rundfunkerzähler mit seinem eigenen Programm - “Victor is the only man I know that can turn my blood into icewater.“ - und die über dem Kamin als Ölgemälde in die illustre Runde blickende Schönheit des Hauses, die vor drei Wochen unglücklich ums Leben kam, eher ein pointierter Zitatenschatz in einem sonst überaus eigenwilligen und eigentümlichen Film Noir. Und so bleibt The Unsuspected - sogar trotz seines enttäuschenden Endes - vor allem wegen der unerschöpflichen “quick lines“ und seiner formidablen Schwarzweiß-Impressionen zumindest für den Freund der schwarzen Serie ein doppelbödiges und finster heimeliges Vergnügen, das man sich einmalig zu Gemüte führen sollte, gilt im Übrigen auch: “Sounded too much like the truth to be true.“
In den USA gibt es in der Warner Archive Collection (2009) eine exzellente DVD-R ohne Regionalcode, die den Film ungekürzt im Originalformat mit dem englischen Ton, aber ohne Untertitel oder Extras beinhaltet.