Dirk Bogarde, Sylvia Syms, Dennis Price, Anthony Nicholls, Peter Copley
London, England: Der junge Jack Barrett (Peter McEnery) arbeitet auf einer Großbaustelle im Herzen der Stadt und bittet eben in luftiger Höhe den Bauleiter um dessen Unterschrift auf einem Dokument. Da beobachtet er, wie ein Polizeiwagen vorfährt und zwei Police Detectives in Zivil aussteigen. Zur Verblüffung des Vorgesetzten rennt Barrett zum Aufzug, springt hinein und fährt abwärts. Im Laufschritt verlässt er das weiträumige Gelände und sucht eine Telefonzelle auf, von der er seinen Zimmergefährten Eddy Stone (Donald Churchill) anruft. Jener ist erst verblüfft, weil er selbst Nachtschicht hatte, versteht aber schnell, dass es sich um einen Notfall handelt und verspricht, das Paket im hintersten Eck des Kleiderschranks zu suchen und Barrett damit zu treffen. In Windeseile zieht er sich um und steckt das in Papier eingeschlagene Päckchen in eine Tasche. Just als der Wagen mit den Detectives vor dem Apartmenthaus hält, schleicht sich Eddy zum Kellereingang auf die Straße, indessen über ihm die Beamten durch die Haustür eintreten... Zur gleichen Zeit befindet sich der erfolgreiche Barrister Melville Farr (Dirk Bogarde), der kurz vor seiner Berufung zum Kronanwalt steht, in einer Besprechung mit seinem Sekretär William Patterson (Noel Howlett), die einen seit drei Jahren andauernden Rechtsstreit in einer Immobiliensache erörtern. Als ein Anruf Jack Barretts in sein Büro durchgestellt wird, informiert Melville Farr den Anrufer in aller Kürze darüber, dass er im erneuten Fall einer versuchten Kontaktaufnahme die Polizei riefe…
“Someone once called this law against homosexuality the blackmailer's charter.” In diesem Satz, den Detective Inspector Harris (John Barrie) gegenüber Melville Farr ausspricht, liegt zusammengefasst, was das Drama ausmacht. Jack “Boy“ Barrett ist homosexuell veranlagt, und das war im England des Jahres 1961 stets ein Verbrechen. Kurzum, sobald zwei sich in Liebe zugeneigte Menschen solche Liebe sexuell auslebten, machten sie sich nach den Gesetzen des Königreichs strafbar. Wer Basil Deardens Thriller Teufelskreis, worin es um die systematische Erpressung von Menschen mit homosexueller Veranlagung geht, heute für angestaubt oder gar altbacken hält, sollte sich das in Erinnerung rufen und die Tragweite einer solchen Gesetzeslage sacken lassen. Noch bis ins Jahr 1967 war Homosexualität in England eine Straftat und brachte viele Menschen in Not und ins Unglück. Vor dem Hintergrund war der Film von Regisseur Basil Dearden und Produzent Michael Relph, die sich zwei Jahre zuvor mit Das Mädchen Saphir (UK 1959) wider den Rassismus gegenüber Einwanderern aus der Karibik positioniert hatten, ein couragiertes Unterfangen. Vor allem jedoch gingen diejenigen, die als Schauspielerinnen und Schauspieler mitwirkten, ein Risiko ein, war doch kaum absehbar, inwieweit dies ihre weiteren Karrieren beinflusste. Neben dem 39jährigen Dirk Bogarde, einem gefeierten Filmstar, der seinerzeit mit seinem Manager Anthony Forwood zusammenlebte und sich häufig in weiblicher Gesellschaft zeigte, um die Gerüchte der Klatschpresse im Zaum zu halten, waren auch Dennis Price und Hilton Edwards homosexuell. Nach einem tragischen Vorfall in ihrem privaten Kreis brach auch Sylvia Syms eine Lanze für die Sache und spielte die Rolle von Melville Farrs Ehefrau Laura, die zuvor von vielen abgelehnt worden war. Denn der in der Upper Class heimische Barrister, ein hochstehender Rechtsanwalt, hat selbst eine homosexuelle Vergangenheit. Nach flüchtiger, rein platonischer Bekanntschaft und nachdem dieser ihm seine Liebe gestanden hatte, brach Melville Farr den Kontakt zu “Boy“ Barrett ab. Doch jetzt holt die Vergangenheit den Erfolgreichen unerwartet ein.
Basil Dearden drehte seinen Film nach einem wunderbaren Drehbuch von Janet Green und John McCormick im Stil des Film Noirs, darin er selbst während der 50er Jahre heimisch geworden war. Wunderbar ist das Drehbuch, weil es nicht ansatzweise reißerisch oder gar schockierend daherkommt und seine Rollencharaktere ebenso nüchtern wie präzise und anrührend zeichnet. Alle Figuren des Dramas sind glaubwürdig und bis in Einzelheiten fein ausgearbeitet, die beteiligten Darsteller teils großartig. Otto Heller (Hafen der Versuchung, UK 1947) ist der Kameramann, und auch er erweist sich den Erwartungen gemäß als grandios. Teufelskreis gehört zu den besten britischen Filmdramen seiner Zeit, und überraschenderweise erfuhr der Film seitens der Feuilletons und des Publikums auch die ihm gebührende Anerkennung. Indessen der renommierte Michael Powell mit seinem harten, Folter und Missbrauch eines Kindes thematisierenden Post Noir Augen der Angst (UK 1960) seine Filmkarriere nach über 30 Jahren quasi über Nacht beendet sah, wurden sowohl Bearden und Relph als auch Dirk Bogarde, für den der Film gleichsam bedeutend war, mit Anerkennung bedacht. Ihr Film ist bis heute ein beeindruckender Thriller und ein bedeutsames Werk europäischer Filmgeschichte.
Via Network Ltd. gibt es unterm Originaltitel Victim jeweils eine exzellente britische Blu-ray (2014) und auch DVD mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch fein restauriert, dazu englische Untertitel und folgende Extras: original britischer Kinotrailer, ein ausführliches Interview mit Dirk Bogarde, diverse Bildergalerien mit Filmplakaten und Standfotos sowie auch Pressemateriaslien als PDF-Dateien. Neben diversen weiteren europäischen DVD-Ausgaben ist das Werk zusammen mit Das Mädchen Saphir (UK 1959) auch Teil der via Criterion Collection in den USA (als Eclipse Series 25) gewohnt sorgsam und hochwertig editierten 4-DVD-Box Basil Dearden’s London Underghround (RC 1). Eine deutsche BD oder DVD gibt es bis heute (2023) leider nicht.