William Powell, Shelley Winters, Marsha Hunt, Dorothy Hart, James Gleason
© Universal-International Pictures Inc.
Los Angeles, Kalifornien: Der am Vortag aus New York City angereiste Professor Andrew Gentling (William Powell) betritt die Bar des Hotels, in dem er abstieg, um mit seinen Kollegen Professor Morris Avrum (Felix Bressart) und Henry Pritchard (Art Baker) morgen bei Mr. Arnspiger (Paul Harvey) Geld für die Gründung einer Universität einzuwerben. Hier in der Hotelbar trifft er heute Abend wie zufällig auf seine ex-Geliebte Catherine (Shelley Winters) aus Tagen des Zweiten Weltkriegs, als Gentling bei der US-Armee in Los Angeles stationiert war. Bei ihrer Begrüßung hat es den Anschein, als fordere sie sogleich einen richtigen Kuss von ihm, was den inzwischen mit Helen (Dorothy Hart) verheiraten Familienvater Gentling erst amüsiert. Dann erwähnt die junge Frau, dass sie aus der Zeitung erfahren habe, er würde in diesem Hotel wohnen, ihr Erscheinen vor Ort ist also kein Zufall. Gentling bestellt beim Barkeeper (Jim Toney) zwei Martinis, so wie in alten Zeiten, aber Catherine gibt lieber einen doppelten in Auftrag. Sie ist zufrieden, dass Andrew ohne seine Ehefrau angereist ist, findet es allerdings langweilig, dass er nach eigener Aussage glücklich sei. Sie ist ebenfalls verheiratet, mit einem Arnold Sykes (Jess Barker), wiegelt seine Glückwünsche jedoch ab, da sie in ihrer Ehe unglücklich sei. Als er mit ihr auf die Zukunft anstoßen möchte, korrigiert sie hastig seinen Toast, und sie trinken auf ihre Vergangenheit…
Zur Zeit des Drehs war Shelley Winters 28 Jahre alt und William Powell 57. Laut Drehbuch hatten Catherine Sykes und Andrew Gentling zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, also 5 bis 7 Jahre zuvor, eine heiße Affäre. Noch in der Hotelbar schwärmt die unglückliche Catherine von alten Zeiten und wie gut Andrew in seiner Uniform der US Army ausgehen habe. Das wirkt unglaubwürdig, denn Powell sieht exakt so alt aus, wie er tatsächlich war, ein Mann im letzten Drittel seiner Karriere. Demgegenüber sind beide verheiratet und Gentling gründete gar Familie, - Dorothy Hart, die Helen Gentling verkörpert, war ganze 31 Jahre (!) jünger als Powell – während sie voreinander so tun, als gehörte ihre Liebe in Kriegszeiten in die Sturm-und-Drang-Phase ihrer Jugendjahre. An keiner Stelle entwickeln Powell und Winters die Chemie eines ehemaligen Paares. Dafür wirkt insbesondere Andrew Gentling bei weitem zu steif – ein 57-jähriger Spießbürger, der sich in Gesellschaft der alkoholisierten, labilen und impulsiven Catherine sichtlich unwohl fühlt. Genaugenommen entwickeln sie überhaupt keine Chemie miteinander. Dass sich die junge Frau dem ältlichen Herrn schließlich an den Hals wirft und ihn zu einem Kuss zwingt, hinterlässt den Eindruck einer abgeschmackten Herrenphantasie. Als Kellnerin Pat hatte Shelley Winters in George Cukors großartigem Ein Doppelleben / Mord in Ekstase (USA 1948) eine ähnliche Rolle, als sie sich mit dem gleichfalls um fast 30 Jahre älteren Anthony John (Ronald Colman) auf eine Affäre einließ. Doch letzterer wirkte vital, innerlich aufgewühlt und nicht ansatzweise, wie der in 5,6 Jahren vom Armee-Offizier zum New Yorker Professor und Familienvater avancierte Powell. Aber Autor und Regisseur Chester Erskine, der mit Irwin Shaw das Drehbuch verfasste, reitet die von vornherein zum Scheitern verurteilte Prämisse der Liebschaft Sykes-Gentling über die ersten 18 Minuten hinweg zu Tode. Und obgleich Shelley Winters eine wunderbare Darstellerin sein konnte, ist es enervierend ihrer liebestollen Catherine zuzusehen, wie sie sich in einem monoton selbstmitleidigen Monolog an ihren ex-Geliebten klammert.
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“Truth be told, the movie was pretty weak tea, (…) an oddly constructed film with numerous dropped and/or inexplicable plot threads”, schreibt Laura Grieve in ihrem Blog Laura's Miscellaneous Musings und bringt es auf den Punkt. Chester Erskine schrieb das Drehbuch für Otto Premingers Film Noir Engelsgesicht (USA 1952), Kameramann Frank Planer hatte Robert Siodmaks Gewagtes Alibi (USA 1949) auf Zelluloid gebannt, William Powell war seit den frühen 30er Jahren ein Hollywoodstar und Shelley Winters auf dem Weg einer zu werden. Doch zuletzt helfen nicht mal die zuverlässigen Akteure in Nebenrollen - Marsha Hunt, Sheldon Leonard und Dorothy Hart - der von A bis Z verkorksten Geschichte Leben einzuhauchen. Deren hin und her schlingernden Verwicklungen um einen Professor aus New York, der sich auf einer Geschäftsreise in Los Angeles plötzlich dem Verdacht ausgesetzt sieht, seine ex-Geliebte aus Zeiten des Weltkriegs ermordet zu haben, ist ein mit der Brechstange konstruiertes und kaum fernsehtaugliches Larifari. Nicht auszuhalten sind die humorigen Einlagen, die in ganz, ganz flachem Gewässer angesiedelt sind, wie auch die Charaktere, Andrew Gentling und Catherine Syke inklusive, nicht besser konzipiert wurden. Mich hat Take One False Step von Anbeginn gelangweilt und nach 30 Minuten richtig genervt. Trotz der vielversprechenden Filmplakate ihrer Zeit ist diese Obskurität einer technisch hochwertigen Produktion nicht mal für einen Connaisseur des Film Noirs zu empfehlen.
Bis heute (2021) gibt es weltweit keine BD- oder DVD-Edition des Films, der seinerzeit in der Bundesrepublik Deutschland gar nicht erst den Weg ins Kino fand, im Januar 2016 in einer restaurierten Fassung allerdings beim Filmfestival NOIR CITY 16 in San Francisco wiederaufgeführt wurde. Während ich es i.d.R. immer bedauerlich finde, wenn heutigentags ein Werk der Filmklassik nicht einem Publikum zugänglich gemacht wird, kann ich es im Fall von Take One False Step durchaus nachvollziehen. Wer diesen Film niemals sieht, hat nichts versäumt.