Film Noir
| USA
| 1947
| Curtis Bernhardt
| Herbert Marshall
| John Hamilton
| John Ridgely
| Jonathan Hale
| Morris Ankrum
| Ray Teal
| Robert Taylor
| Vince Barnett
| Audrey Totter
Bewertung
***
Originaltitel
High Wall
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1947
Darsteller
Robert Taylor, Audrey Totter, Herbert Marshall, Dorothy Patrick, H.B. Warner
Regie
Curtis Bernhardt
Farbe
s/w
Laufzeit
99 min
Bildformat
Vollbild
© Warner Bros.
In einem Nachtclub spielt ein Jazzorchester, Paare schieben sich über die Tanzfläche, an der Bar hockt Willard Whitcombe (Herbert Marshall) und kippt nachdenklich einen Whisky hinunter. Dann verlässt er das Gebäude und geht nochmals zurück in den Verlag Brattle Press, wo er Geschäftsführer und leitender Redakteur ist und der Lehrbücher für Religion publiziert. Bei der Sekretärin Miss Vera Mercer (Eula Guy) fragt er nach dem Verbleib seiner Assistentin Helen Kenet (Dorothy Patrick), die er nachmittags mit einem Auftrag weg schickte. Doch sie erwidert, dass sie nicht an deren Rückkehr glaube, da kurz danach deren Ehemann Steve Kenet (Robert Taylor) sich nach ihr erkundigt habe. Zwei Jahre sei er in Burma stationiert gewesen, nun ist der Bomberpilot endlich heimgekehrt. Ein Auto rast über eine Landstraße, am Steuer Steve Kenet und neben sich seine Ehefrau, die leblos in sich zusammensackt und ihm in den Schoß fällt. Kenet reißt das Steuer herum und der Wagen rast eine Böschung hinunter, wo er in einem ausgetrockneten Flussbett zum Liegen kommt. Im Polizeirevier sitzt Steve Kenet apathisch auf einem Stuhl und wird von Staatsanwalt Wallace (John Ridgely) befragt, der den Autounfall als eine Verschleierung der Ermordung Helens durch Erdrosseln wertet. Steve Kenet gesteht den Mord an seiner Frau und muss dennoch erst in der psychiatrischen Klinik auf seine Zurechnungsfähigkeit untersucht werden...
So manche der von den Traumata des Zweiten Weltkriegs geprägten Film Noirs thematisierten den Rückehrschock, die Angst vor der nun selbstständigen US-amerikanischen Frau und das Thema der Amnesie als ein Schlüssel zur Psychologie und ihrer Therapien. All das ist auch in Anklage – Mord vertreten. Und manche der Film-Noir-Geschichten, die solches unter den Hut von 80 bis 100 Minuten Filmzeit bringen wollten, wirken überaus konstruiert. Dies trifft sicher auf Die blaue Dahlie (USA 1946) nach Raymond Chandler, auf The Chase (1946), eine Kriegsheimkehrerstory von Cornell Woolrich, und auch auf Somewhere In The Night (1946) von Joseph L. Mankiewicz zu. All diese Filme halten dennoch die Balance, inmitten der Orientierungslosigkeit ihrer Protagonisten (und der Zuschauer) sowie einer Vielzahl von Rückblenden und falschen Fährten stets einen Faden zu spinnen, der ansatzweise Logik und Glaubwürdigkeit herstellt und für Spannung sorgt. In Anklage - Mord bleibt sowohl das Eine als auch das Andere auf der Strecke. Die Motivation der handelnden Personen erscheint bis zuletzt schleierhaft. Zudem wirken Äußerungen und Methoden der Doktoren und Angestellten der Psychiatrie geradezu lächerlich - selbst für den Standard des Jahres 1947.
© Warner Bros.
Der aufgrund einer Kriegsverletzung am Kopf operierte Steve Kenet soll seine Frau erwürgt haben. Über eine Feuerleiter schleppte er sie aus einem Apartment ins Auto und versuchte nun, in einem Autounfall auch sich selbst zu töten. Letzteren übersteht er unverletzt und zeigt fortan kein Interesse mehr an seiner toten Frau noch Reue über die Tat. Auch der Tod seiner geliebten Mutter (Elisabeth Risdon) führt bei Kenet zu keinem größeren Gefühlsausbruch. Demgegenüber ist die Liebe für seinen sechsjährigen Sohn Richard (Robert Hyatt) schier grenzenlos. Bis zuletzt erscheint die Gemengelange dieser Gefühle leider unglaubwürdig. Dr. Ann Lorrison soll in der Darstellung durch Audrey Totter einen „professionellen“ Eindruck erwecken und Steve Kenet allein als ihren Patienten wahrnehmen. Dadurch erweist sich die Entwicklung im letzten Viertel des Films umso absurder. An keiner Stelle erhalten Kenet und Lorrison Gelegenheit, eine Zuneigung füreinander oder gar eine Chemie zu entwickeln – sie fehlt vor allem seitens Kenets bis zur letzten Minute. Dorothy Patrick ist die Femme fatale Helen, die in der Zeit des Krieges sowohl Steve heiratete als auch Sohn Richard zur Welt brachte. Kaum in Lohn und Brot führen sie ihre materiellen Interessen, die Steve als hoch dekorierter ex-Bomberpilot nie befriedigen könnte, zu Ehebruch und kriminellen Machenschaften. Das ist nicht bloß klischeebelastet sondern im Zusammengehen mit Willard I. Whitcombe – Herbert Marshall zeigt als einziger Darsteller eine wirklich gute Leistung! - in ihrer einzigen Szene nicht stimmig. Schon der Mordplan und dessen Durchführung beruht auf Prämissen, die so niemals hätten planbar sein können. Das Finale und der Schluss sind derart an den Haaren herbei gezogen, dass man sich veräppelt fühlt. Eine tolle Inszenierung mit viel Expressionismus in einem kontraststarken Schwarzweiß, Paul Vogels (Die Dame im See, USA 1947) Kameraarbeit und eine stringente Regie seitens Curtis Bernhardt - die einzigen Gründe für eine Bewertung mit gerade eben noch drei Sternen - können diese Geschichte als Film Noir nicht retten.
Anklage - Mord erschien in den USA als DVD (2011) unter seinem Originaltitel High Wall als Bestandteil der Warner Archive Collection, Regionalcode 1, bild- und tontechnisch topp, ungekürzt im Originalformat mit der englischen Tonspur ohne Untertitel und sogar mit dem US-Kinotrailer als Extra.
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