Nacht im Hafen

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
Moontide
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1942
Darsteller

Jean Gabin, Ida Lupino, Thomas Mitchell, Claude Rains, Jerome Cowan

Regie
Archie Mayo, Fritz Lang
Farbe
s/w
Laufzeit
95 min
Bildformat
Vollbild
 

 

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© Twentieth Century Fox Film Corporation
 
Im Hafengebiet der Halbinsel San Pablo, Südkalifornien, liegt die Bar The Red Dot, wo sich in einer Samstagnacht quer durch die sozialen Schichten allerlei Strandgut herum treibt. Heute kommt Tiny (Thomas Mitchell) herein gestürzt und fragt den Barkeeper (William Hartnell) nach seinem Freund Bobo (Jean Gabin), einem aus Frankreich stammenden Werftarbeiter. Doch der ist mit Nutsy (Claude Raiuns) und Pop Kelly (Arthur Aylesworth) im Gespräch und kennt keinen Kerl namens Bobo, zudem ist ihm Tiny auf Anhieb unsympathisch. Als Nutsy sich einmischt, wird Tiny gleich ausfällig, indessen Bobo mit seinem Hund und einem Sack auf den Schultern zur Tür herein taumelt. An der Theke bestellt er ein Wasserglas Whiskey und interessiert sich gar nicht für Tinys Pläne bezüglich eines Jobs. Stattdessen macht er sich an die Prostituierte Mildred (Robin Raymond) heran. Doch als deren Freund Mac (John Kelly) auftaucht und Bobo seinen Platz streitig macht, schlägt ihn der Franzose nieder. Das ist der Auftakt zu einer langen Nacht voller Alkohol und vieler Stationen auf dem Weg ins Morgengrauen… Bobo erwacht auf einer auf einen Steg gebauten Hütte, die Henry Hirota (Chester Gan) gehört, der dort an die fischenden Touristen Lebendköder verkauft. Hirota hat Bobo in der letzten Nacht genau für diesen Job angeheuert, doch der kann sich an nichts mehr erinnern. Beiläufig erwähnt Hirotas Assistent Takeo (Victor Sen Yung), dass Pop Kelly erdrosselt wurde und die Polizei nach dem Mörder fahnde…
 
“Moontide (…) provides an illuminating link to one of the frequently overlooked sources of noir: the movement known as “poetic realism”, which flourished in France from the mid-1930s until the onslaught of war”, schrieb Dave Kehr 2008 in The New York Times. Doch nach einem fulminanten Auftakt, der gut 20 Minuten in Anspruch nimmt, wird die Geschichte zäh und redundant. Zwar fokussiert sich die Handlung jetzt auf die romantische Liaison zwischen Bobo und Anna, kongenial in der jeweiligen Darstellung durch Jean Gabin und Ida Lupino, doch als vielschichtig erweisen sich die Charaktere nicht. Eingangs sieht es aus, als würden wir über die Hintergründe von Annas Selbstmordversuch ins Bild gesetzt, doch Fehlanzeige! Sie wehrt sich zwar gegen Bobos simple Sicht der Dinge, aber auf eine Bekanntschaft mit ihrer Vergangenheit muss Bobo ebenso verzichten wie nach ihrer Rettung der Polizist (Ralph Dunn) auf ihren Nachnamen. De facto kam die Produktion von Nacht im Hafen unter schwierigen Bedingungen zustande. Die Romanvorlage Moon Tide von Schauspieler Willard Robertson (EA 1940) war hart und lyrisch im Ton, gespickt mit Prostitution und Alkoholismus, Vergewaltigung und Mord. All das ging mit dem Hays Code in Hollywood, der seit Mitte der Dreißiger die Filmproduktion in seine Gewalt zwang, in keiner Weise einher. Das Skript konnte nur eine geschönte und verwässerte Version der ursprünglichen Geschichte liefern. Das Studio 20th Century Fox wollte unbedingt den im amerikanischen Exil befindlichen Jean Gabin zum Hollywoodstar aufbauen. Doch Regisseur Fritz Lang verließ wenige Wochen nach Drehbeginn die Produktion, angeblich wegen Differenzen mit Gabin aufgrund Marlene Dietrichs - seinerzeit die Geliebte beider Männer. Das Studio verpflichtete Archie Mayo (Der versteinerte Wald, USA 1936) und Kameramann Charles G. Clarke (ursprünglich war es Lucien Ballard), die den Film versiert und kunstfertig zu Ende brachten.
 
 
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© Twentieth Century Fox Film Corporation
 
“I haven’t slept since, uh… I haven’t slept since about 1936. Or was it ’37?“ Das Werk ist streckenweise ein kitschig biederes Melodram und dann wieder überraschend ein Film Noir. Großartig sind die Darsteller - der Franzose Jean Gabin, die je in England gebürtigen Hollywoodstars Ida Lupino und Claude Rains, sowie der Amerikaner Thomas Mitchell. Sie liefern Charakterportraits vom Feinsten und holen weit mehr heraus, als im Drehbuch angelegt ist. Charles G. Clarke wurde für den Oskar nominiert - zu Recht, denn sein Schwarzweiß steht in Nacht im Hafen den (späteren) Leistungen John Altons oder Milton R. Krasners nicht nach. Die noch heute kritisierten Studiosets, die nach der japanischen Bombardierung Pearl Harbors nötig wurden, weil die USA einen Angriff auf Kalifornien fürchteten, ergo keine weiteren Außenaufnahmen, erinnern an Jean Gabins Erfolge im Poetischen Realismus mit Jean Renoirs Bestie Mensch (FRA 1938) und Marcel Carnés Hafen im Nebel (FRA 1938). So bleibt Nacht im Hafen ein Hybrid, der von Einflüssen einer europäischen Filmtradition profitierte, die jedoch mit den Bedingungen in Hollywood nicht unbedingt d’accord gingen. Es ist bis heute ein Werk für Cineasten, dies zeigt der Enthusiasmus der Filmhistoriker in der angefügten Dokumentation Turning Of The Tide: The Ill-Starred Making of Moontide auf der US-DVD deutlich. Und trotzdem konnte ich mich nicht durchringen, dem Werk mehr als drei Sterne zu geben.
 
Exzellente US-amerikanische DVD-Edition der Twentieth Century Fox Film Corporation (2008) im Rahmen der Reihe Fox Film Noir: ungekürzt im Originalformat mit englischem Ton, wahlweise französischem, englischem, spanischen Untertiteln, der o.a. Dokumentation, einer Fotogalerie und Audiokommentar von Foster Hirsch als Extras.
 

Film Noir | 1942 | USA | Archie Mayo | Fritz Lang | Nunnally Johnson | Lucien Ballard | Claude Rains | Jean Gabin | Jerome Cowan | Paul E. Burns | Ralph Dunn | Thomas Mitchell | Tully Marshall | Victor Sen Yung | Ida Lupino | Robin Raymond

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