Neo Noir
| USA
| 1993
| Peter Medak
| Dennis Farina
| Gary Oldman
| James Cromwell
| Michael Wincott
| Ron Perlman
| Roy Scheider
| Will Patton
| Annabella Sciorra
| Juliette Lewis
| Lena Olin
Bewertung
***
Originaltitel
Romeo Is Bleeding
Kategorie
Neo Noir
Land
USA/UK
Erscheinungsjahr
1993
Darsteller
Gary Oldman, Lena Olin, Annabella Sciorra, Juliette Lewis, Roy Scheider
Regie
Peter Medak
Farbe
Farbe
Laufzeit
105 min
Bildformat
Widescreen
In der Nähe von Phoenix, Arizona, inmitten der Wüste liegt der Holiday Diner von Jim Daugherty (Gary Oldman). Es ist der 1 Mai und Daugherty erzählt, wie er an diesem Tag immer einen merkwürdigen Gast zu Besuch hat, indessen er hinterm Tresen stehend sein Fotoalbum aufschlägt und sich zu erinnern beginnt… Jack Grimaldi (Gary Oldman) war ein New Yorker Cop, der von seinen Fällen im Mafiaumfeld verführt wurde, sich vom Leben der reichen Verbrecher eine Scheibe abzuschneiden und mit der Weitergabe von Informationen sein Salär aufzubessern. So geriet er auf die Lohnliste von Don Falcone (Roy Scheider), der über seinen Mittelsmann Sal (Michael Wincott) Kontakt zu ihm hielt und ihn durch Bargeld in einem Schließfach bezahlte. Doch als der Kronzeuge in einem Mafiaprozess, Nick Gazzara (Dennis Farina), dessen Aufenthaltsort Grimaldi an Falcone weitergab, am Tag vor seiner Aussage ermordet wurde, starben auch mehrere zu dessen Bewachung abgestellte Polizisten. Der amoralische und von Geldgier besessene Cop Grimaldi kommt erstmals ins Schwitzen. Doch der mit der hübschen Nathalie (Annabella Sciorra) verheiratete Polizist hat noch eine Schwäche und das sind Frauen. Mit der Kellnerin Sheri (Juliette Lewis) hat er längst eine bizarre Affäre, als er die aus Falcones Umfeld stammende Mörderin Mona Demarkov (Lena Olin) in ein sicheres Versteck fährt. Dort bietet sie Jack Grimaldi, den sie im Nu durchschaut, nicht nur Geld sondern auch ihren Körper an…
„Big dreams. Problem was, there was always a little daylight between his dreams and his wallet.” Dieser waschechte Neo Noir hätte richtig gut werden können, aber das wurde er nicht. Mit Gary Oldman und Annabella Sciorra als Jack und Nathalie Grimaldi serviert das Drehbuch ein Ehepaar, dessen Chemie als Rollencharaktere stimmig und glaubwürdig wirkt. Beide brillieren in ihren Darstellungen und haben eine Reihe anrührender Szenen miteinander. Zum Problem werden die anderen Frauen in Grimaldis Leben – Mona Demarkov und Sheri sind Comicfiguren vom Reißbrett, klischeehafte Erscheinungen, die die Schauspieler Juliette Lewis und Lena Olin mit allen dazugehörigen Klischeegrimassen durch den Film treiben. Absurd ist vor allem Demarkov, keine Femme fatale sondern ein Monster, völlig übertrieben in ihrer Art als eiskalte Mörderin, die zudem permanent der Rechtssprechung zu entschwinden weiß. Zu ihrer Psychopathologie nach Baukastenschema – schlicht böse bis ins Mark - kommt eine fast übermenschliche physische Kondition, die jeden Gewaltexzess übersteht, da selbst schlimmste Verletzungen im Nu verheilen. Sheri, eine unfassbar naive Kellnerin, die Grimaldi in teuren Hotelzimmern als Objekt seiner Fantasien zur Verfügung steht, ist bloß eindimensional - sie wiederholt über Dreiviertel der Spielzeit die immergleiche Szene. Derlei ist bedauerlich, weil somit auch die Leistungen der Nebendarsteller Roy Scheider, Will Patton, James Cromwell und David Proval ins Leere laufen.
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„Verstörend an vielen Neo-Noirs der Neunziger ist die extreme Gewalt, die darin geradezu zelebriert wird“, schrieb Paul Werner in seinem Buch Film noir und Neo-Noir (2000). Das trifft für Romeo is Bleeding exemplarisch zu, dessen Gewaltausbrüche im letzten Drittel zum Selbstzweck werden. In gleichem Maße verliert Hilary Henkins' Drehbuch seine Konsistenz und Glaubwürdigkeit aus dem Blick. Wer informiert wen über Grimaldis doppeltes Spiel? Wie ist Mona Demarkov mit Falcones Mob liiert? Reihenweise sind Handlungsträger aus dem Nichts über alles Mögliche informiert, verfügen über Unsummen von Geld, etc. pp. Jack Grimaldi stolpert als Polizist von einem Schauplatz zum nächsten und trifft ab und zu seine Kollegen in einer Bar, wo sie trinken, tanzen und Karten spielen – ein Büro oder ein Polizeihauptquartier scheint es nicht zu geben. Die Polizisten arbeiten kaum an einem Fall, sondern observieren mal hier und mal da, es ist mehr ein Spiel mit dem Zufall. Grimaldi wird zu Fahrdiensten eingesetzt; seine Verfehlungen im Dienst bleiben ohne Konsequenzen. Romeo Is Bleeding versucht angestrengt etwas zu sein, was er sich (auch inhaltlich) offensichtlich bei Alan Parkers Angel Heart (UK/CAN/USA 1987), John Dahls Kill Me Again / Töten Sie mich (USA 1989) und bei Abel Ferraras Bad Lieutenant (USA 1992) abgeguckt hat – ein Neo Noir voller Tücken und falscher Fährten, stilistisch raffiniert. Das gelingt ihm aber nur vereinzelt und nicht einmal ansatzweise so wie den genannten Vorbildern.
Mittelprächtige deutsche DVD (2000) von EuroVideo, München, d.h. ungekürzt (FSK 18) im Originalformat, aber mit lediglich der deutschen Tonspur, bildtechnisch topp, ohne Extras. Und so sei dem Film-Noir-Freund die UK-Edition (2004) von MGM Home Entertainment empfohlen: englische oder französische Tonspur, acht Untertitel (darunter auch Englisch), dazu den Kinotrailer als Extra.