Bewertung
****
Originaltitel
Ve Stinu
Kategorie
Neo Noir
Land
CZ/SVK/POL
Erscheinungsjahr
2012
Darsteller
Ivan Trojan, Sebastian Koch, Sona Norisová, Jirí Stepnicka, David Švehlík
Regie
David Ondříček
Farbe
Farbe
Laufzeit
102 min
Bildformat
Widescreen
Prag im April 1953: In einer regnerischen Nacht treffen sich die beiden Kriminellen Janata (Norbert Lichý) und Vilém Foll (Tomáš Bambušek), um in einen Juwelierladen einzubrechen. Jemand gibt ihnen mit dem Anzünden einer Zigarette von der anderen Straßenseite das verabredete Zeichen, dann geht es los. Doch als erstes fällt auf, dass der Safe ein Wertheim ist, der sich ungleich schwerer knacken lässt als ein herkömmliches Modell. Janata muss mit brachialer Gewalt ans Werk gehen, er flucht und schwitzt... Am nächsten Morgen holt Polizeileutnant Beňovský (David Švehlík) den Polizeikommissar Jarda Hakl (Ivan Trojan) von Zuhause ab. Sein achtjähriger Sohn Tom (Filip Antonio) ist eben aufgestanden, die Frau Jitka (Sona Norisová) ist noch im Bademantel, als der Polizeibeamte sich auf den Weg zum Tatort begibt. Die Diebe haben den Juwelierladen bis auf das letzte Stück leergeräumt. Hakl sucht pedantisch nach Spuren und es fallen ihm die Schweißspuren im Schutt auf, ebenso wie das Futteral für einen Fingerstumpf. Die Spurensuche führt die beiden in einen Betrieb der Zos Praha Bubny, der tschechischen Eisenbahn, wo sich Jarda Hakl in der Kantine scheinbar nur ein Essen bestellt. Indessen geht die Wirtin ins Hinterzimmer, um die dort die eifrig ins Glücksspiel vertieften Herren zu warnen. Doch als sich Karlos (Hynek Cermák) durch die Hintertür verabschieden will, wird er von Beňovský in Empfang genommen, dem sogleich Hakl in aller Ruhe folgt. Er erkundigt sich unnachgiebig nach dem Aufenthaltsort von Emanuel Kirsch (Miroslav Krobot), einem polizeibekanntem Safeknacker und einst Häftling im KZ von Auschwitz.…
Regisseur David Ondříček gab selbst zu Protokoll:”In the Shadow of the Horse is a film noir. It is a historical detective film set in Prague in 1953.” Nach seinem Kinostart im September 2012 lief Ve Stinu weltweit unterm Titel In The Shadow auf Filmfestivals und war 2013 der offizielle Beitrag Tschechiens bei der Oscarverleihung in der Kategorie Bester Ausländischer Film, nachdem er zuvor den Filmpreis der Tschechischen Film- und Fernsehakademie, Böhmischer Löwe, in neun von elf Kategorien gewonnen hatte und damit als bester tschechischer Film des Jahres 2013 gilt. Mit Ivan Trojan, der an Billy Bob Thornton erinnert, und mit Sebastian Koch als deutschem Major Zenke in den Hauptrollen grandios besetzt, erweist sich Ve Stinu als eine aktuelle europäische Produktion von internationalem Rang. Einfühlsam in der Inszenierung nach einem pointierten Drehbuch aus der Feder von David Ondříček, Marek Epstein und Misha Voruba, vor allem auch durch den polnischen Kameramann Adam Soikora mit vielen Referenzen ans klassische Film-Noir-Kino auf Zellulioid gebannt, wächst dieser Thriller im Lauf seines Handlungsverlaufs über sich hinaus. Was als herkömmliche Kriminalgeschichte anhebt, erweist sich bald als breit angelegte Intrige wider die jüdische Gemeinde Prags und zu guter Letzt als weiterer Auswuchs des weltumspannenden Antisemitismus’, der auch nach dem Zweiten Weltkrieg zum Erhalt und zum Ausbau politischer Macht unterschiedlicher Coleur funktionalisiert wurde und unfassbares, oft vergessenes Leid nach sich zog. So basiert das Drehbuch u.a. auf dem Schauprozess gegen Rudolf Slánský, einst jüdischer Generalsekretär der kommunistischen Paertei der Tschechoslowakei, der gegen ihn und 10 Mitangeklagte im November 1952 in Prag mit dem Todesurteil endete.
“The film opens in the style of a film noir from the '50s, with handsome, dark-toned cinematography”, schreibt Stephen Farber für The Hollywood Reporter. Und ergänzend schlussfolgert Adrian Yekkes in seinem Filmblog: “That noir influence was obvious throughout the movie with clues, diversions and twists in the tale occurring to the last minute.” Beide haben Recht, so die tschechische Filmproduktion mit diesem Werk ihre Fähigkeit unter Beweis stellt, ein weit über Landesgrenzen hinweg relevantes Filmwerk ins Kino zu bringen. Nicht nur für den cineastisch geschulten Freund des Film Noirs und der dunkel getönten Thriller mit schillernden Charakteren und einer Handung voller Falltüren und Wendungen ist Ve Stinu alles in allem eine Bereicherung. So fragt man sich: Wo ist dieser Film, der vor knapp zwei Jahren seine Premiere feierte und international viele Filmkritiker auf sich aufmerksam machte? Im deutschen Kino, im deutschen Fernsehen oder auf einer deutschen BD / DVD ist er bis heute nicht angekommen. Auch in der Presse zeigt sich kein Niederschlag, demgegenüber das meiste der weltweiten Resonanz nicht aus Kreisen von Film-Noir-Liebhabern stammt. Mir ist unbegreiflich, warum dem hiesigen Film- und Fernsehpublikum, dem Monat für Monat im Kino ein teils unfassbarer Schrott zugemutet wird, ein solches Werk vorenthalten bleibt. Bei Gelegenheit unbedingt anschauen.
Es gibt eine exzellente tschechische DVD-Edition (2012) von Magig Box, die den Film ungekürzt im Originalformat mit tschechischer Tonspur und englischen Untertiteln beinhaltet, inklusiuve einiger Extras auf Tschechisch. Mehr zum Film auf der offiziellen Website, auch auf Englisch als In The Shadow.