Zeit nach Mitternacht, Die

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Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
After Hours
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1985
Darsteller

Griffin Dunne, Rosanna Arquette, Verna Bloom, Tommy Chong, Linda Fiorentino

Regie
Martin Scorsese
Farbe
Farbe
Laufzeit
93 min
Bildformat
Widescreen
 

 

Bild Die Zeit nach Mitternacht-Poster-web5.jpg Die Zeit nach Mitternacht-Poster-web4.jpg Bild
© Warner Bros.
 
New York: Paul Hackett (Griffin Dunne) arbeitet in einem Großraumbüro in der Textverarbeitung und hilft Lloyd (Bronson Pinchot) bei der Bedienung seines Computers. Wirklich bei der Sache ist Paul jedoch nicht, schnell lassen die vorbeigehenden Frauen ihn abschweifen… Nach Feierabend geht Paul nach Hause - in sein hübsch eingerichtetes, ordentliches Apartment. Auch hier ist er unruhig, das Fernsehprogramm hat nichts zu bieten und kurz darauf hockt er in einem Diner und liest Henry Millers Tropic of Cancer. Die hübsche Marcy Franklin (Patricia Arquette) sitzt auch allein an einem Tisch und kommentiert Pauls Lektüre, die beiden kommen ins Gespräch. Marcy setzt sich zu Paul, aber schließlich muss sie weiter, denn sie ist mit der Bildhauerin Kiki Bridges (Linda Fiorentino) in deren Loft in SoHo verabredet. Paul gibt vor, einen Briefbeschwerer von Kiki kaufen zu wollen, und so erhält er von Marcy deren Telefonnummer. Zuhause angekommen, ruft er dort an. Inzwischen ist auch Marcy bei Kiki, welche den Hörer direkt weitergibt. Marcy erklärt, dass sie ihrem Treffen im Coffee Shop eine Auseinandersetzung mit ihrem Freund gehabt habe, dennoch lädt sie Paul zu Kiki ein. Es ist bereits nach halb zwölf, Paul ist etwas unschlüssig. Aber schließlich nimmt er ein Taxi, um macht sich auf den Weg. Dummerweise hat Paul lediglich noch 20 Dollar an Bargeld in der Tasche. Als er diese während der ungewöhnlich rasanten Fahrt aus seiner Hose kramt, fliegt der Schein durchs geöffnete Seitenfenster davon…
 
”Why don't you just go home?” - “Pal, I've been asking myself that all night.” Noch heute ist der für den Regisseur Martin Scorsese tendenziell untypische Film Die Zeit nach Mitternacht ein gehöriger Spaß für all diejenigen, die sich darauf einlassen können. In einem moderaten Tempo, das auf Effekthascherei und Action verzichtet, folgt die Kamera der Odyssee Paul Hacketts in eine verregnete Nacht in der Stadt New York, auf der Suche nach ein paar Kicks und etwas Liebe. Allerdings gerät Paul von einer unvorgesehenen Misere in die nächste, wobei nicht selten seine eigene Herangehensweise der Auslöser ist. Pauls Ignoranz gegenüber den Befindlichkeiten anderer zugunsten seiner Interessen lässt ihn den Ernst von Situationen immer erst zu spät erkennen und führt in heillose Verwicklungen, die sich geradewegs absurd zuspitzen. Seine Verzweiflung in Anbetracht einer zuletzt lebensbedrohlichen Situation, die ihn die regendurchtränkten New Yorker Straßen hinunter jagt, sind neben dem Panoptikum der Charaktere eine Verbindung zu den an Dämonen des Schicksals reichen Geschichten klassischen Film Noirs. Drehbuchautor Joseph Minion würzt die Handlung des Films mit pointierten Dialogen und Martin Scorsese zeigt viel Gespür für Dramaturgie. Vor allem glückt den beiden ein überzeugendes Finale und ein exzellenter Schlusspunkt. Genau das ist als Ausnahme in vielen heutigen Filmdramen, die oft zum Ende hin abfallen, durchaus erwähnenswert.
 
“Even his 1980 boxing epic Raging Bull and the nocturnal comedy After Hours bear the unmistakable marks of noir”, heißt es in Chris Garcias Online Course zum Film Noir. Tatsächlich wurde Scorseses Die Zeit nach Mitternacht bei seiner Erstaufführung im Jahr 1985 als Großstadtkomödie vermarktet, fiel allerdings beim Publikum trotz guter Kritiken durch. Einzig die Ehrung als bester Regisseur bei den Filmfestspielen in Cannes 1986 rettete Scorsese davor, nach dem Flop seiner schwarzen Komödie The King Of Comedy (USA 1983) nun endgültig als Kassengift zu gelten. Heute genießt Die Zeit nach Mitternacht einen Ruf als Kultfilm und erweist sich laut Wikipedia (USA) als Mixtur aus “screwball comedy and film noir“. Im Rekurs auf Scorseses dezidiert historische Bezugnahmen zur Ära des Film Noirs bzw. zu Klassikern der Filmgeschichte allgemein, die er nie in einer plan eklektizistischen Manier oder aber zu akademisch distanziert verarbeitete, wundert einen die häufige Erwähnung seiner Einflüsse nicht. Mit erstklassigen Darstellungen von Griffin Dunne und schönen Femme-fatale-Varianten seitens Linda Fiorentinos und Rosanna Arquettes ist Die Zeit nach Mitternacht sicher eines der zu Unrecht vergessenen Werke Scorseses auf der Grenzlinie zwischen dem Independentfilmer der Siebziger und seiner Wandlung zum Regisseur weit größerer Budgets, die schon Ende der Achtziger begann. Schwarz ist diese Komödie allemal und wie Carl Reiners Tote tragen keine Karos (USA 1982) oder John Landis’ Kopfüber in die Nacht (USA 1985) eine gelungene Hommage an Stilmittel und Weltsicht des Film Noirs. Empfehlenswert!
 
Gewohnt hochwertige DVD-Edition von Warner Home Video (2004) mit dem Film ungekürzt im Originalformat, Tonspuren auf Deutsch, Englisch und Spanisch, ebenso Untertitel in diesen drei Sprachen, dazu den Kinotrailer, diverse Audiokommentare, ein Making of und geschnittene Szenen als Extras.
 

Neo Noir | 1985 | USA | Martin Scorsese | Michael Ballhaus | Griffin Dunne | John Heard | Victor Argo | Will Patton | Linda Fiorentino | Rosanna Arquette

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