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Killing Them Softly

Bewertung
****
Originaltitel
Killing Them Softly
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
2012
Darsteller

Brad Pitt, Scoot McNairy, Ben Mendelsohn, James Gandolfini, Richard Jenkins

Regie
Andrew Dominik
Farbe
Farbe
Laufzeit
97 min
Bildformat
Widescreen
 

 

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Boston, Massachusetts, im Wahljahr 2008: Der herunter gekommene Ganove Frankie (Scoot McNairy) hat nur einen Freund und der heißt Russell (Ben Mendelsohn), ist Junkie und noch kaputter als er selbst. Gemeinsam besuchen sie Johnny Amato (Vincent Curatola), der hinter der Fassade einer Reinigungsfirma allerhand kriminelle Machenschaften betreibt. Amato plant einen Überfall auf die illegale Pokerrunde von Markie Trattman (Ray Liotta), wo sich in einer Baracke regelmäßig wohlhabende Gangster und Geschäftsleute um Spieltische versammeln. Amato weiß, dass die Runde vor Jahren schon einmal ausgeraubt wurde, sodann für einige Zeit geschlossen werden musste, was dem örtlichen Syndikat keinesfalls behagte. Es setzte damals den Killer Dillon (Sam Shepard) auch auf Trattman an, dem man aber keine Beteiligung nachweisen konnte. Erst viel später gab Markie Trattman zu, doch der Drahtzieher gewesen zu sein – zu guter Letzt nur mehr ein Lacher. Aber Amato hofft darauf, dass der Verdacht auch dieses Mal auf Markie fällt, der die Runde stets leitet. Das Syndikat wird wieder einen Killer bestellen, doch mit Gnade wäre nicht zu rechnen. Frankie und Russell sind so abgebrannt und verzweifelt, dass sie sich trotz ihrer Bedenken darauf einlassen. In einem von Amato bereit gestellten Auto fahren sie des Nachts zur Pokerrunde von Trattmann, schleichen durch den Nebeneingang hinein und heben mit abgesägter Schrotflinte und Revolver die gesamte Runde aus. Dabei nehmen sie nicht nur Markies Geldkoffer an sich, sondern lassen noch jeden einzeln seine Börse leeren, bevor sie verschwinden…
 
„America’s not a country. It’s a business.“ Womöglich ist es sein Bild der USA, weshalb sich so viele US-Amerikaner über diesen Neo Noir aufregen. Auch in Deutschland spaltet Killing Them Softly das Publikum wie kaum ein Film der letzten Jahre. Viele Kommentare lassen ahnen, in welchem Umfang der heutige Zuschauer damit überfordert ist. Rasante Schnittfolgen, vorhesehbare Dramaturgie, Charaktere aus der Schublade, hoch stilisierte Gewalt, pulsierende Musik und vor allem Spezialeffekte, bis der Arzt kommt – das Hollywoodkino der letzten 15 Jahre hat die Reizschwelle extrem angehoben. Wenn in Killing Them Softly zwei Männer drei, vier Minuten in Realzeit miteinander reden, kann niemand mehr zuhören, geschweige denn folgen. Der renommierte US-Filmkritiker Roger Ebert schrieb zu Killing Them Softly einen Verriss, dessen Inhaltsangabe die Filmhandlung völlig falsch wiedergibt. Hat er den Film nicht verstanden? Hat er ihn überhaupt gesehen? Killing Them Softly ist knochentrocken und unsentimental, ein Neo Noir ohne Romantik und ohne Angebot zur Identifikation. Kurzum, der Film ist fies. Seine Charaktere sind kaputt, seine Gewalt ist hart und schmerzhaft. Alle Musik bleibt dezent und spezifisch, - Songs von Johnny Cash, The Velvet Underground, Nico, usw. - die Farbwerte sind trist. So ist das Stadtbild eins, aus dem die Natur vollends gewichen ist, und Dialoge geben auch der Leere und Ratlosigkeit, dem Ende des Verstehens ihren Raum. Aber noch die deutsche BD-/DVD-Edition wirbt mit einem Zitat, darin erneut der Name Quentin Tarantino fällt und weckt vollkommen falsche Erwartungen. Wenn überhaupt etwas, so ist der Film dezidiert Anti-Tarantino. Und genau darin liegt seine Qualität.
 
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© Universum Film GmbH
 
In Jean-Luc Godards Die Außenseiterbande (FRA 1964) führen zwei Amateure einen Überfall durch, um das Geld eines ominösen Untermieters zu stehlen, von dem sie nichts wissen. Auch dort folgt die Abrechnung zum Schluss… Andrew Dominik, der zu Killing Them Softly nach dem Roman Cogan’s Trade (EA 1974) von George V. Higgins das Drehbuch verfasste und die Regie führte, steht dem Godard der 60er oder einem Jim Jarmusch der 80er viel näher als Tarantino & Konsorten. Weil aber die Filmindustrie gern Leute ins Kino lockt und weil Brad Pitt (Sieben, USA 1995) eine Hauptrolle innehat, vermarktet sie Killing Them Softly als Hochglanz-Thriller. Gut: Dass noch heute ein solcher Film gedreht werden kann. Weniger gut: Godard, Jarmusch, etc. verdanken ihre Reputation einem Kontext, der historisch ist. Drehten sie ihre Filme heute, wäre das gleiche aggressive Unverständnis die Reaktion darauf. Brad Pitt, auch Produzent des Films, ist solide in der Rolle des Killers Jackie Cogan. Aber Ben Mendelsohn, James Gandolfini, Ray Liotta und Scoot McNairy sind in ihren nochmals besser. Etwas überflüssig ist eine Zeitlupensequenz, eindeutiges Zugeständnis ans visuelle Repertoire weichgespülter Action-Ästhetik. Noch während man diesen Brocken von Film zu verdauen sich anschickt, wünscht man sich, er wäre sogar noch kompromissloser gewesen. So schrammt Killing Them Softly, ein formidabler Kommentar zum Stand der Dinge, am Meisterwerk vorbei. Dennoch eine klare Empfehlung für Freunde des Film-Noir-Kinos und für jeden erfahrenen Cineasten.
 
Exzellente BD / DVD (2013) der Universum Film GmbH, München, mit dem Film ungekürzt im Originalformat: deutsche und englische Tonspur, deutsche Untertitel, geschnittene Szenen und ein Making Of als Extras.
 

Neo Noir | 2012 | USA | Andrew Dominik | Ben Mendelsohn | Brad Pitt | James Gandolfini | Ray Liotta | Richard Jenkins | Sam Shepard | Scoot McNairy
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